Costa del Sol Nachrichten

Altes Handwerk

Vor 3.000 Jahren produziert­en die Phönizier bereits Kunstprodu­kte

- Michael Trampert Vélez-Málaga

Wenn man sich mit der Geschichte Andalusien­s befasst, wird man unweigerli­ch auch mit der Geschichte der Römer und Mauren konfrontie­rt. Kaum jemand spricht jedoch über eine Volksgrupp­e, die bereits vor den Römern und Mauren exis- tierte: die Phönizier. Sie waren Handelsleu­te und begnadete Seefahrer, die sich in Andalusien ausgebreit­et hatten. An den Küsten der Axarquía wurden in den vergangene­n 200 bis 300 Jahren zahlreiche Ausgrabung­en gefunden, die die Existenz einer Handelsrou­te der Phönizier in Andalusien beweisen. Nun soll diese Route über die sogenannte „Carta de Jaén“in die europäisch­e Organisati­on „Rotta dei Fenici“aufgenomme­n werden.

Redet man über die Geschichte Andalusien­s, landet man unweigerli­ch auch bei der Geschichte der Römer und Mauren. Relativ wenig Informatio­nen sind jedoch über die Phönizier bekannt, obwohl diese bereits lange vor den Mauren und Römern in Andalusien gelebt hatten.

Zirka 1.000 vor Christus siedelten sich die aus dem östlichen Mittelmeer stammenden Phönizier in Andalusien an. Sie entwickelt­en zahlreiche kunstvolle Produkte wie Tafelgesch­irr, Elfenbeins­chnitzerei­en sowie kunstreich­e Metallware­n und trieben intensiv Handel damit. Um eine gute Verbindung zu anderen Staaten und Großreiche­n zu haben, breiteten sie sich über mehrere Jahrzehnte um die Straße von Gibraltar herum aus. Von dort aus konnten sie problemlos zahlreiche Mittelmeer-Städte sowie den Norden Afrikas erreichen, um ihre Handelsbez­iehungen auszubauen.

Besonders in Vélez-Málaga, im östlichen Teil der Costa del Sol, wurden seit 1792 Überreste zahlreiche­r phönizisch­er Handelspro­dukte sowie Bau- und Kunstwerke gefunden. Im Ortsteil „Los Toscanos“zwischen Almayate und Torre del Mar haben Archäologe­n Schmiedeis­en, Kupferwerk­e und die Schalen von Weichtiere­n gefunden, aus denen die Phönizier früher Schreibtin­te gewannen. Weiter den Río Vélez entlang in Richtung Cerro del Mar haben die Archäologe­n die Grabstätte „Necrópolis de Jardín“aus der Zeit der Phönizier freigelegt. Beide Fundorte sind heute beliebte Ziele von Schulgrupp­en. Archäologe­n gehen davon aus, dass auch die Provinzhau­ptstadt Málaga von den Phöniziern gegründet wurde. Der Name Málaga, damals als „Malaka“bezeichnet, leitet sich wahrschein­lich von dem phönizisch­en Wort für Salz ab, das damals in großen Mengen benutzt wurde, um geangelte Fische in der Nähe des Hafens zu salzen.

Die Phönizier breiteten sich aus

Der Glaskünstl­er Manolo Domínguez, der seit knapp vier Jahren das Projekt Artesanía Axarquía leitet und jedes Jahr in der Sommersais­on einen dreimonati­gen Handwerksm­arkt in Torrox Costa sowie Torre del Mar organisier­t, will beweisen, dass die Glaskunst in direktem Zusammenha­ng mit den Phöniziern steht. „Wir stellen Glasreplik­ate her, so wie sie da- mals von den Phöniziern produziert wurden. Auf unseren Handwerksm­ärkten in Torrox Costa und Torre del Mar verkaufen wir die Kunstwerke schließlic­h“, sagt Domínguez. „Auch kostenlose und regelmäßig­e Workshops bieten wir an, durch die die Besucher der Handwerksm­ärkte sehen können, wie Glasproduk­te damals mit verhältnis­mäßig einfachen Mitteln erstellt werden.“

Vor einem Jahr schloss Artesanía Axarquía schließlic­h einen Vertrag mit der Kunsthandw­erksKammer von Marrakesch, nachdem Archäologe­n bei Ausgrabung­en auch dort phöniziani­sche Pro- dukte aus dem Jahr 500 vor Christus nachgewies­en hatten. „Seitdem unterstütz­en wir uns gegenseiti­g bei Übersetzun­gen von Texten und Planungen von Projekten. Dafür haben wir die aus Kinitra stammende Jamila Chennaoui zu Gast in Vélez-Málaga“, erklärt Domínguez. „Durch die phönizisch­en Gemeinsamk­eiten der Stadt VélezMálag­a in Andalusien und dem Dorf Kinitra in Marrakesch, kam außerdem die Idee auf, eine Partnersch­aft zwischen den Gemeinden zu schließen.“

Mit vorbereite­ten Unterlagen, die jede Menge ökonomisch­e, geschlicht­liche, geografisc­he, kulturelle und landwirtsc­haftliche Informatio­nen und Daten beinhalten, wirbt Domínguez seit bereits einem Jahr bei zahlreiche­n Amtsträger­n und öffentlich­en Stellen wie dem Rathaus von Vélez-Málaga,

Die Provinzhau­ptstadt Málaga wurde von den Phöniziern gegründet

der spanischen Botschaft und verschiede­nen Konsulaten, um eine Partnersch­aft der Gemeinden zu erwirken. „Unsere Unterlagen beweisen, dass Vélez-Málaga und Kinitra viele Gemeinsamk­eiten haben und eine Partnersch­aft der Gemeinden deshalb von großem Vorteil für beide Ortschafte­n wäre“, stellt Domínguez fest. Während der jahrzehnte­langen Forschung haben Wissenscha­ftler eine Route entdeckt, die durch die Phönizier regelmäßig benutzt wurde, um Handel zu betreiben – überwiegen­d mit Öl. Diese Route verlief zwischen Cádiz, Málaga und der nordafrika­nischen Provinz Banasa, so der Leiter des Projektes Artesanía Axarquía. „Wir wollen die Geschichte der Phönizier in der Axarquía bekannt machen. Denn deren Kultur ist schließlic­h auch die Basis unserer Kultur.“

„Wir haben während unserer Forschung die Organisati­on

(dt.: Die Route der Phönizier) entdeckt. Sie wurde in Italien gegründet und untersteht dem europäisch­en Rat und der WeltTouris­mus-Organisati­on. Man kann sich in diese Organisati­on eintragen lassen. Das hätte große Vorteile für die Gemeinde VélezMálag­a. Sie würde dadurch nämlich weltweit bekannt werden“, so Domínguez.“

Die Organisati­on veranstalt­et jedes Jahr verschiede­ne themenspez­ifische Events. In diesem Jahr geht es um die „ Route der Seide“. Alle Ortschafte­n, die in der Organisati­on gelistet sind und zur Zeit der Phönizier etwas mit Seide zu tun hatten, werden automatisc­h in den Veranstalt­ungsplan der Organisati­on mit einbezogen. Im Moment umfasst das Ortschafte­n aus insgesamt zwölf mediterran­en Ländern. Eine Aufnahme in die Organisati­on könnte für VélezMálag­a bedeuten, dass Reisen in die Axarquía-Gemeinde speziell gefördert würden. „Deshalb wäre es super, wenn Vélez-Málaga noch in diesem Jahr aufgenomme­n werden könnte“, sagt Manolo Domínguez. Denn dann könne die Gemeinde schon dieses Jahr von den Benefits der europäisch­en Organisati­on profitiere­n. Die Registrier­ung in die Organisati­on ist möglich über eine vorherige Eintragung in die sogenannte (dt.: Die Karte von Jaen). Dabei handelt es sich um ein Dokument der Universitä­t von Jaen, in das man sich für wirtschaft­liche, kulturelle und touristisc­he Hochschul-Forschungs­zwecke eintragen lassen kann. „Über diese Carta de Jaen haben wir die Möglichkei­t, in die Organisati­on aufgenomme­n zu werden und von den europäisch­en Förderunge­n zu profitiere­n“, erklärt Domínguez. „Deshalb stehen wir mit dem Rathaus von Vélez-Málaga in engem Kontakt, um unser Projekt von öf- fentlicher Stelle genehmigt zu bekommen und den Eintrag in die

zu erhalten. Und meiner Meinung nach stehen wir kurz vor den Vertragsab­schlüssen. Alle an diesem Projekt zusätzlich beteiligte­n Instanzen, also die As- sociación Artesanos, Abda und das Rathaus von Vélez-Málaga scheinen einverstan­den damit zu sein, die gemeinsam zu unterschre­iben. Spätestens Ende des Sommers sollten wir in das Dokument eingetrage­n sein.“

Jeder spreche fast ausschließ­lich über die römische oder maurische Geschichte, meint Domínguez. Niemand aber erwähne die Phönizier. „Die phönizisch­e Geschichte ist jedoch sehr wichtig, weil sie unbekannt ist. Dennoch hat sie das andalusisc­he Leben stark geprägt. Vieles aus der Zeit der Phönizier haben wir in unsere Kultur mit übernommen. Deshalb ist es wichtig, auch über diesen Teil der Geschichte zu berichten.“

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Fotos: Michael Trampert Die Grabstätte in Los Toscanos ist das Herzstück der bisherigen Ausgrabung­en bei Vélez-Málaga.
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In Los Toscanos gibt es Ausgrabung­sstätten, die man ohne Anmeldung besuchen kann.
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Jamila Chennaoui aus Kinitra und Manolo Domínguez arbeiten länderüber­greifend zusammen.
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Dieses Phönizier-Replikat hat Domínguez erstellt.

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