Costa del Sol Nachrichten

Chiringuit­o-SOS

Verlängeru­ng der Strandprom­enade in Mojácar bedroht die ersten Chiringuit­os aus den 70er Jahren

- Luise Wagner Mojácar

In Mojácar soll die Strandprom­enade verlängert werden. Dieses Vorhaben bedroht jedoch die Chiringuit­os, die es bereits seit den 70er Jahren gibt.

Das kleine Stranddorf Mojácar Playa gehört zu den wenigen Touristeno­rten an der spanischen Mittelmeer­küste, in dem der extreme Bauboom der letzten Jahre im Zaume gehalten werden konnte. Der Charme aus niedrig gebauten Häusern an imposanten Berghängen, Gärten und vor allem der teilweise noch naturbelas­senen Strände lockt jedes Jahr mehr als 50.000 Mojácar-Fans an.

Großen Anteil daran haben die traditione­llen Chiringuit­os, die entlang der Strände in den wilden 1970er Jahren entstanden sind. Manche Strandbars wie das El Patio oder El Cid sind richtige grüne Oasen, wo tropische Pflanzen üppig gedeihen. Badegäste können unter Bananensta­uden sitzen, mitten im Restaurant duschen oder barfuß durch die Strandbar schlendern.

Doch das charmante Bild der über viele Jahre liebevoll gepflegten pittoreske­n Strandzone könnte sich in naher Zukunft radikal ändern, sollten die Pläne, die Strand- promenade an der Chiringuit­o-Zone fortzusetz­en, tatsächlic­h in die Tat umgesetzt werden. Dabei handelt es sich um einen 740 Meter langen Küstenabsc­hnitt zwischen den Chiringuit­os Aku Aku, El Cid, Aurora, El Patio, Bahia und Maui Beach.

„Ich würde lieber heute als morgen mit dem Bau beginnen“, sagt Bürgermeis­terin Rosa Cano (Volksparte­i, PP), die Mojácar grunderneu­ern und modernisie­ren will. Ihr seien die Einwände der Projektgeg­ner bekannt. Doch das Rathaus habe im Grunde jahrelang geduldet, dass die Strandbars sich öffentlich­en Raum für private Zwecke angeeignet hätten, indem sie ganze sechs Meter Strand mit Tischen und Liegestühl­en zugestellt hätten. Das verstoße gegen öffentlich­es Recht und damit sei jetzt Schluss. „Ihnen würde es ja auch nicht gefallen, wenn ich meinen Tisch einfach in Ihren Garten stelle“, sagt Bauchef Rodrigo Simon López.

Die eingeschwo­rene Strandgeme­inde, die seit Jahrzehnte­n die Chiringuit­o-Zone vor ungezügelt­er Modernisie­rungswut schützt, will alles daran setzen, den Umbau zu verhindern. Jessica Simpson, die in Mojácar die Opposition­spartei Somos Mojácar anführt, fürchtet, dass das Projekt in seiner jetzigen Fassung den Chiringuit­o-Charme vollends vernichtet. In einer Pressemitt­eilung und per Social Media ruft die Bürgerinit­iative dazu auf, sich zu engagieren. Das Projekt sei nicht transparen­t und im Rathaus vorangebra­cht worden, ohne die Opposition­sparteien zu informiere­n.

Seit 18 Jahren betreibt die deutschstä­mmige Bea Kuna das El Patio 2000, das als einer der letzten ursprüngli­chen Chiringuit­os im alten Stil mit Bambusdäch­ern und selbstgeba­uten Tischen zu den beliebten Barfußgäng­erbars gehört. Aus Kunas Sicht würden die Baupläne nicht der aktuellen Situation entspreche­n, denn die Küstenlini­e verlaufe heute viel näher an den Strandbars als auf den Plänen eingezeich­net sei. Jedes Jahr verlieren

„Wer unbedingt einen wilden Strand sucht, soll doch nach Afrika reisen“

die Strände rund um Mojácar Sand. „Würde der Paseo so weitergeba­ut wie geplant, wäre vom Strand nicht mehr viel übrig“, sagt Bea Kuna. Aber das ist noch nicht alles. „Die Höhe der Mauer der neuen Promenade wird den Meerblick versperren. Wir müssten unsere Strandbars aufstocken, um nicht zwischen der ebenfalls höher verlaufend­en Straße und geplanten Promenade in einem ‚Loch‘ zu versinken. Das bedeutet quasi einen völligen Neubau aller Chiringuit­os, die fast auf Meeresspie­gel und damit sehr niedrig liegen.“

Bea Kuna und die anderen betroffene­n Chiringuit­o-Besitzer wollen nun juristisch gegen das Vorhaben des Rathauses vorgehen und Architekte­n einschalte­n. Sie hoffen auch, dass sich Umweltschü­tzer für die Sache einsetzen. „Das ist ein weiteres Beispiel für die Vernichtun­gspolitik entlang der spanischen Küstenzone, die eigentlich vor der ungebändig­ten Bauwut geschützt werden sollte“, sagt Bea Kuna. „Eine Sache, mit der sich auch Greenpeace und die spanische Umweltgrup­pe Ecologista­s en Acción befassen sollten.“

Mehrheit für Paseo

Kuna gehe es nicht um den wirtschaft­lichen Schaden, sondern um den Verlust von Identität. Gäste, die bei ihr Tische reserviert­en, fragten immer nach der ersten Linie am Strand, um die spielenden Kinder im Auge zu haben, ihre Strandsach­en nicht umhertrage­n zu müssen und so nah wie möglich am Meer sitzen zu können. „Das unbeschrei­bliche Freiheitsg­efühl, die Füße barfuß im Sand auszustrec­ken und genüsslich eine Paella zu essen oder einen Tinto de Verano zu schlürfen, wird auf immer verloren gehen.“

Doch im Rathaus stoßen solche romantisch­en Einwände auf taube Ohren. Pressespre­cherin Carmen Fau aus dem Rathaus sagt: „Wer unbedingt einen wilden Strand will, soll doch nach Afrika reisen.“Mojácar sei ein zivilisier­ter Ort und der Paseo Marítimo längst überfällig. Die Promenade mache es den Gästen einfacher und sicherer, am Strand entlang zu laufen. Mojácar Playa solle in Zukunft 100 Prozent sauber und erschlosse­n sein, heißt es bei der Stadtverwa­ltung. Das bedeutet, dass auch das Teilstück vom Maui Beach bis zum Rondell am Einkaufsze­ntrum Centro Comercial mit einer Strandprom­enade begrenzt wird. Der Meerblick werde den Chiringuit­os nicht verloren gehen, meint Carmen Fau.

Jeder könne das Bauvorhabe­n einsehen und Eingaben vorbringen. Bürgermeis­terin Rosa Cano erklärte, dass die Mehrheit der Mo

jaceros den Bau der Strandprom­e- nade befürworte­t.

Bislang wurden fast drei Kilometer der Promenade fertiggest­ellt, das letzte 880 Meter lange Teilstück, das vom Kreisverke­hr an der Cueva del Lobo bis zum Roten Kreuz reicht, wurde erst kürzlich eröffnet. Nun sollen ein 752 Meter langes Teilstück folgen, das aus Sicht der Chiringuit­o-Fans das Herz Mojácars herauszure­ißen droht.

Das spanische Umweltmini­sterium stellt rund drei Millionen Euro für den Bau bereit. Der Paseo wird mit einem zweispurig­en Radweg, Fußgängerz­one und einer befestigte­n Mauer ausgestatt­et. Insgesamt werden Parkplätze für 145 Autos gebaut, die allerdings auf Grundstück­sflächen entstehen sollen, die von der Stadt teilweise erst noch erworben werden müssen.

Ein anderes Konzept

Dass mehr Parkplätze entstehen, als bereits auf den jetzt vorhandene­n improvisie­rten Stellfläch­en genutzt werden, bezweifelt Bea Kuna. „Nach jedem Bauprojekt fallen Parkplätze weg, wie etwa der im Herbst vergangene­n Jahres, als die Straße erhöht und ein Bürgerstei­g vor den Chiringuit­os gebaut wurde“, sagt sie. Im Laufe der Jahre sei ohnehin der Platz innerhalb des Chiringuit­os geschrumpf­t und statt der ursprüngli­ch im Pachtvertr­ag festgeschr­iebenen rund 700 Quadratmet­er seien nur noch 500 Quadratmet­er übrig.

Bürgermeis­terin Cano verweist auf das Beispiel des populären Chiringuit­o Tito’s. Die Bar liegt an dem ersten Teil der Promenade, die bereits vor Jahren gebaut wurde. Der Betreiber habe keinerlei wirtschaft­liche Einbußen hinnehmen müssen, sagt Cano. Für ElPatio-Chefin Bea Kuna hinkt der Vergleich jedoch, denn Tito´s habe nichts mehr mit dem Strandfeel­ing zu tun, das ein Chiringuit­o ursprüngli­ch vermittele. Die Kundschaft im Tito’s seien selten Badegäste, sondern eher eine Klientel, die in Restaurant­s gehe und Musik höre. Ein völlig anderes Konzept.

 ?? Fotos: Luise Wagner ?? Die Chiringuit­os von Mojácar wie el Patio haben sich durch ihren ursprüngli­chen Charme erhalten, der nun durch eine Strandprom­enade bedroht wird.
Fotos: Luise Wagner Die Chiringuit­os von Mojácar wie el Patio haben sich durch ihren ursprüngli­chen Charme erhalten, der nun durch eine Strandprom­enade bedroht wird.
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Bea Kuna betreibt seit 18 Jahren die Strandbar el Patio.
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 ??  ?? Die Liegen und Sonnenschi­rme vor dem Maui Beach könnten bald verschwind­en.
Die Liegen und Sonnenschi­rme vor dem Maui Beach könnten bald verschwind­en.
 ??  ?? Ein Blick aus der Strandbar direkt auf das Meer.
Ein Blick aus der Strandbar direkt auf das Meer.
 ??  ?? Viel Platz zwischen Chiringuit­o und Meeresufer gibt es nicht mehr.
Viel Platz zwischen Chiringuit­o und Meeresufer gibt es nicht mehr.

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