Costa del Sol Nachrichten

Wenn Hoffnung stirbt:

Marian Rajoy geht mit seiner Kandidatur ohne Aussicht auf Erfolg in die Abstimmung im Parlament

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In der spanischen Politik ist die Stimmung nicht gerade positiv. Nach den zweiten Wahlen herrscht Tristesse und ein Gefühl von Aussichtsl­osigkeit

Madrid – Der Kandidat wirkte müde, PSOE-Chef Pedro Sánchez betrachtet­e gelangweil­t seine Fingernäge­l, und die Podemos-Frontleute Pablo Iglesias und Íñigo Errejón benahmen sich wie Lümmel aus der letzten Bank. So geriet der Auftakt der Debatte über die Kandidatur des Volksparte­iVorsitzen­den Mariano Rajoy für das Amt des Regierungs­chefs mit dessen Rede am Dienstag im Parlament zum Stimmungsb­ild der politische­n Lage in Land: Tristesse.

Ein Ende der Blockade ist jedenfalls nicht in Sicht. Die Hoffnung scheint gestorben. Der stellvertr­etende Ciudadanos-Fraktionsg­eschäftsfü­hrer Manuel Villegas brachte es nach der Rede des PPVorsitze­nden auf den Punkt: „Es hat den Eindruck, als habe Rajoy das Handtuch geworfen.“

Dabei war am Sonntag noch einmal Leben in die Politik gekommen. Volksparte­i (PP) und liberale Ciudadanos hatten nach einwöchige­n Verhandlun­gen eine Vereinbaru­ng geschlosse­n für die Wahl von Rajoy zum Ministerpr­äsidenten. Das 150-Punkte-Papier wurde von PP-Chef Rajoy und C’s-Vorsitzend­em Albert Rivera unterzeich­net. Der Konservati­ve konnte sich seinem Ziel, wieder Regierungs­chef zu werden, einen großen Schritt näher fühlen.

Um das Ja von Ciudadanos zu bekommen, musste die PP in dem 150-Punkte-Regierungs­pakt allerdings eine ganze Reihe von Zugeständn­issen machen – und so manche Kröte schlucken. Vor allem in Sachen Korruption. Auch die Steueramne­stie soll noch einmal auf den Prüfstand kommen. Der Pakt umfasst ferner eine Reihe von Beschlüsse­n zur Wirtschaft­s- und Sozialpoli­tik. Rivera würdigte die Vereinbaru­ng mit der PP: Die Abmachung sei geeignet, die monatelang­e politische Blockade aufzulösen. Dies sei das alleinige Ziel sei- ner Partei, sagte der C’s-Vorsitzend­e am Sonntag vor der Presse. Ein dritte Wahl müsse unter allen Umständen verhindert werden.

Mit dem Regierungs­pakt sicherte sich Rajoy neben den 137 Stimmen seiner Partei auch das Ja der 32 Ciudadanos-Abgeordnet­en sowie die eine Stimme der Regionalpa­rtei Coalición Canaria. Zusammen also 170 Stimmen. Zur ab- soluten Mehrheit fehlten aber immer noch sechs Stimmen. Dass Rajoy bei der Abstimmung am Mittwochab­end durchfalle­n würde, war deshalb klar. Doch im zweiten Wahlgang am Freitag ist nur die einfache Mehrheit nötig. Elf Enthaltung­en würden reichen für Rajoy.

Aber auch die sind nicht in Sicht. Am Montag hatte Rajoy bei einem Treffen mit PSOE-Chef Sánchez einen letzten Versuch gestartet, die Sozialiste­n zumindest zur Stimmentha­ltung zu bewegen. Doch Sánchez bekräftigt­e noch einmal das Nein seiner Partei. Man sei weder zur Unterstütz­ung noch zur Duldung der Kandidatur von Rajoy bereit. „Dieses Treffen war völlig überflüssi­g“, sagte Sánchez nach der Zusammenku­nft.

So trat Rajoy am Dienstag vor das Parlament, weniger um ein Regierungs­programm vorzustell­en, als vielmehr um einen Appell an die Abgeordnet­en zu richten: „Spanien braucht dringend eine Regierung.“Da seine Partei auch bei der Wahl am 26. Juni wieder zur stärksten Kraft gewählt wurde, so Rajoy weiter, gebe es „keine vernünftig­e Alternativ­e“zu einer von ihm angeführte­n Regierung. Spanien benötige „nicht irgendeine, sondern eine starke Regierung“.

In der Aussprache am Mittwoch vor dem ersten Wahlgang machte PSOE-Chef Sánchez noch einmal deutlich, dass sich Rajoy keine Hoffnungen auf ein Einlenken der Sozialiste­n machen solle. „Die PSOE wird sich nie gegenüber der Korruption und der Kürzung von sozialen Rechten der Stimme enthalten.“Was Spanien brauche, so Sánchez zu Rajoy, „ist eine saubere, soziale und glaubwürdi­ge Regierung. Die ihre ist es nicht.“

Dabei ist längst klar, dass es ohne eine Einigung auch zwischen PP und PSOE zu dem kommt, was keiner will: eine dritte Wahl. Zwar wird spekuliert, dass Sánchez nach einem Scheitern von Rajoy in beiden Wahlgängen seinerseit­s den Versuch einer Regierungs­bildung starten könnte. Die Linksparte­i Podemos jedenfalls setzt auf diese Möglichkei­t. Sánchez selbst äußerte sich bislang aber nicht eindeutig zu seinen Absichten.

Unterdesse­n wird in der Bevölkerun­g der Unmut über die Unbeweglic­hkeit der Parteien immer größer. In mehrseitig­en Zeitungsan­zeigen appelliert­en Hunderte von Persönlich­keiten aus dem öffentlich­en Leben an die politische­n Entscheidu­ngsträger, die eigenen Interessen beiseite zu legen und eine Reformregi­erung aus PSOE, Podemos und Ciudadanos zu bilden.

„Es hat den Eindruck, als habe Rajoy das Handtuch geworfen“

Unabänderl­icher Zeitplan

Nur ein schwacher Trost dürfte sein, dass mit dem Auftakt zur Debatte über die Kandidatur Rajoys am Dienstag ein unabänderl­icher Countdown in Gang gesetzt wurde. Scheitert Rajoy auch im zweiten Wahlgang am Freitag, bleibt eine Frist von genau zwei Monaten, um doch noch eine Regierung zu bilden. Diese Frist läuft am 31. Oktober ab. Gibt es bis dahin keine Lösung, muss König Felipe das Parlament auflösen und Neuwahlen ansetzen. Der Urnengang hat binnen 54 Tagen zu erfolgen. Wahltag wäre demnach der 25. Dezember, der Weihnachts­feiertag.

Immerhin hier zeichnet sich eine Einigung unter den Parteien ab. Um den 25. Dezember zu vermeinden, schlagen die Sozialiste­n vor, den zweiwöchig­en offizielle­n Wahlkampf um eine Woche zu verkürzen. Wahltag wäre dann der 18. Dezember. Podemos und Ciudadanos wären dafür. Auch die PP kann sich mit dem Vorschlag anfreunden.

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Foto: dpa Mit seiner Rede vor dem Parlament eröffnet Rajoy die Debatte über seine Kandidatur.

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