Nichts Unheimliches
Andreas Streit erklärt, warum Fledermäuse so erhaltenswert sind
Murcia – sg. Andreas Streit leitet seit 18 Jahren das Sekretariat der Vereinten Nationen zur Erhaltung der europäischen Fledermausarten, Eurobats. Es ist ein Traumjob, sagt der Deutsche. Er ist für die Kontakte zu den Regierungen zuständig, die dem Abkommen beigetreten sind oder als neue Mitglieder gewonnen werden sollen. Die CSN sprach mit dem Fledermaus-Experten. Das ist von Art zu Art unterschiedlich. Einige gelten als vom Aussterben bedroht, andere befinden auf dem Weg der Besserung. Aber alle europäischen Fledermausarten stehen unter strengem Schutz.
Wer ist ihr größter Feind?
Der Mensch. Ab und zu gelingt es einer Katze, die so schlau ist, sich vor einen Höhlenausgang zu setzen, eine Fledermaus zu krallen. In seltenen Fällen schafft es eine Eule. Aber normalerweise sind Fledermäuse zu schnell und zu wendig. Die echten Probleme sind vom Menschen gemacht.
Zum Beispiel?
Eine zu intensive Forstwirtschaft vernichtet Quartiere. Ein gesunder Wald braucht einen gewissen Prozentsatz an alten und abgestorbenen Bäumen, die nicht nur von Fledermäusen bewohnt werden. Die modernen Häuser sind so gut isoliert, dass es kaum Unterschlupf-Möglichkeiten gibt. In alten Gebäuden nutzen die Fledermäuse Mauerritzen und Zugänge zu den Dachstühlen. Der Einsatz von Pestiziden reduziert das Vorkommen von Insekten, die Nahrungsquelle für Fledermäuse. Ein weiteres großes Problem stellen die Windkraftanlagen dar. Nach neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen nehmen sie die Windanlagen fälschlicherweise als abgestorbene Bäume wahr. Neugierig geworden wollen sie sich das mögliche Quartier aus der Nähe ansehen und kollidieren mit den Rotorblättern. Aus der Entfernung sieht es aus, als ob sich die Blätter nur langsam drehen, aber an den Spitzen wirken enorme Geschwindigkeiten. Zu schnell und nicht vorhersehbar für die Fledermäuse. Ein zweites Problem sind die großen Luftdruckunterschiede unmittelbar vor und hinter einem Windrad. Das hat zur Folge, dass die kleine zierliche Fledermaus quasi innerlich explodiert. Die Organe, vor allem die Lunge, werden zerrissen. Schätzungen zufolge kommen in Deutschland jedes Jahr etwa 250.000 Fledermäuse durch Windkraftanlagen zu Tode.
Was wird dagegen getan?
Experten haben Richtlinien ausgearbeitet für die Planung und den Bau von Windkraftanlagen, um die negativen Auswirkungen wenigstens zu minimieren. So sollten zum Beispiel keine Anlagen auf den Wanderrouten von Fledermäusen gebaut werden.
Haben Sie schon einmal eine Fledermaus angefasst?
Ja, in Begleitung eines Wissenschaftlers, der Fledermäuse fing, um sie zu untersuchen. Normalerweise begegnet man ihnen nicht. Sie fliegen so schnell und lassen sich mit der Hand nicht fangen. Die Tiere sind sehr flauschig und haben ein wunderschönes Fell.
Dennoch umgibt sie etwas Unheimliches.
Das sind subtile Vorurteile, die noch aus dem Mittelalter stammen. Fledermäuse waren suspekt, weil sie nachtaktiv sind, man sie eigentlich nie aus der Nähe sieht und nicht weiß, was sie genau machen. Man sieht sie nur am Abendhimmel herumschwirren. Im Mittelalter wurden sie sogar als Boten des Teufels betrachtet. In warmen Sommernächten bei geöffneten Fenstern kann sich schon mal eine Fledermaus in ein Zimmer verirren. Da braucht man keine Angst zu haben, einfach das Fenster weit öffnen und Licht ausschalten, dann findet die Fledermaus wieder hinaus. Wenn sie sich im Vorhang verheddert hat und es selbst nicht mehr schaffen sollte, kann man sie vorsichtig mit einem Tuch anfassen, losmachen und wieder raussetzen. Einzelne Fledermäuse können den Tollwuterreger in sich tragen, ohne krank zu werden. Aber es ist extrem unwahrscheinlich, dass ein Mensch von einer Fledermaus gebissen wird. Sie greifen nie jemanden an, weder Mensch noch Tier. Außerdem müssen die europäischen Arten es erst einmal schaffen, durch menschliche Haut zu beißen. Dennoch wird geraten, eine verletzte oder verirrte Fledermaus vorsichtshalber nur mit Handschuhen oder einem Tuch anzufassen.