Ein Wunderkind wird erwachsen
Marc Márquez nutzt die Gunst der Stunde und krönt sich vorzeitig zum MotoGP-Weltmeister
Motegi – dpa/tl. Jubelgesänge, Goldhelm und Weltmeister-Shirt: Marc Márquez hat seinen zu diesem Zeitpunkt völlig unverhofften fünften Motorrad-Weltmeister-Titel gebührend gefeiert. Bereits am Sonntag krönte sich der Spanier auf der hauseigenen Honda-Strecke im japanischen Motegi vorzeitig zum MotoGP-Champion. Der Honda-Pilot machte den Triumph mit dem 55. Grand-Prix-Sieg seiner noch jungen Laufbahn perfekt.
„Erst bekam ich das Zeichen: Rossi out, dann auch noch Lorenzo out. Da ging es in meinem Kopf drunter und drüber. Ich habe in der Runde gleich vier oder fünf Fehler eingebaut“, schwärmte der 23-Jährige, nachdem er mit seinem Team Freudentänze vollführt hatte. Bereits auf der Auslaufrunde hatte ihn sein jüngerer Bruder Alex gestoppt und ihm das vorbereitete Weltmeister-Shirt mit der Aufschrift „Give me five“sowie den Goldhelm übergeben. Erst da realisierte Márquez wirklich, dass in den drei übrigen Saisonrennen nichts mehr schief gehen kann.
Zu verdanken hat dies der Weltmeister in erster Linie seiner Konstanz. In dieser Saison sammelte er fünf Siege und sechs weitere Podestplätze. Ausfälle wie seine ärgsten Konkurrenten Valentino Rossi (Italien/4) und Titelverteidi- ger Jorge Lorenzo aus Spanien (3) leistete er sich keine. Und dass sein fahrerisches Potenzial ohnehin über jeden Zweifel erhaben ist, zeigt seine Erfolgsbilanz in nur neun Jahren Grand-Prix-Teilnahme. Die fünf Titel – 2010 wurde er 125-Kubik-Weltmeister, 2012 Moto2-Champion sowie 2013, 2014 und nun auch 2016 MotoGP-Triumphator – sprechen für sich.
Der diesjährige Titel ist aber ein besonderer für den nur 59 Kilogramm schweren und 1,68 Meter kleinen Spanier. Er wirkt reifer, kontrollierter, erwachsener. Sein zuvor oftmals mit ihm durchgehendes Temperament hat er im Griff.
Sicher auch wegen der durchwachsenen Vorsaison. Als alle schon glaubten, Márquez würde die MotoGP über Jahre hinweg un- aufhaltsam dominieren können, gab es Rückschläge. Nicht nur, dass seine Honda nicht so funktionierte, wie er es gern gehabt hätte. Auch Stürze konnte das hochgehandelte Wunderkind nicht vermeiden. Und er zeigte sich dünnhäutig, was in den Scharmützeln mit seinem bis dahin väterlichen Freund-Rivalen Rossi und dem Zerwürfnis endete. Erst im Lauf dieser Saison, als sich Márquez durchaus geläutert gab, reichten sich die beiden Streithähne wieder die Hand.
In Motegi geschah das fernab der Fernsehkameras in der Box, denn Rossi vergab seine letzte Chance auf den zehnten Titel schon frühzeitig im Kies des Twin-Ringes und machte damit den Weg für Márquez frei.
Sein zuvor oftmals mit ihm durchgehendes Temperament hat er im Griff