Costa del Sol Nachrichten

Spaniens Antlitz

Zum Nationalfe­iertag: Die Geschichte der nicht unumstritt­enen Flagge

- Stefan Wieczorek

Zwar wehte sie am 12. Oktober, dem spanischen Nationalfe­iertag, überall – doch mit ihrer Flagge haben viele Spanier ein Problem. Die „Rojigualda“wird mit Tyrannei und Diktatur assoziiert oder mit der angestaubt­en Monarchie. We- nige wissen, dass König Carlos III. im Jahr 1785 bei der Farbwahl auf die Einheit Spaniens abzielte – und dafür sogar auf die Königsfarb­e Weiß verzichtet­e. Dennoch: Seit 1843 offiziell Nationalfl­agge, hat die „Rojigualda“immer auch Ge- genwind bekommen. In der Zweiten Republik wehte statt ihr die „Tricolor“– doch Franco brachte sie zurück. Die Transición beließ die Farben, und so strahlt Spaniens Antlitz weiter rot und goldgelb.

„Ich kann nicht Spanien sagen, ich kann nicht die rot-goldgelbe Flagge verwenden“, empört sich der Mann mit Pferdeschw­anz am Mikrophon. Die Szene stammt von einer Konferenz in La Coruña 2013, der Sprecher ist Pablo Iglesias, späterer Chef und Präsidents­chaftskand­idat der Protestpar­tei Podemos. Ein Präsident, der Namen und Farben seines Landes nicht mag?

Zumindest steht er damit, auch am spanischen Nationalfe­iertag, 12. Oktober, nicht allein da. Lieber als die offizielle, lassen unzählige Orte ihre regionalen Flaggen wehen – oder die dreifarbig­e Version der Zweiten Republik. Der „Hispanität“gedachte das linksalter­nativ regierte Rathaus von Madrid auf seine Weise: mit einer Wiphala, der Flagge einiger Anden-Völker.

Es ist offensicht­lich: In Spanien tun sich die Menschen schwer mit der nationalen Identität. „Die Flag- ge ist in Spanien ein Konfliktfa­ktor“, seufzt José Manuel Erbez, Sekretär der Spanischen Gesellscha­ft für Vexilologi­e, Flaggenkun­de. Zu viel Unliebsame­s, Monarchie und Unterdrück­ung assoziiere­n Kriti- ker der „Rot-Goldgelben“mit ihr.

„Dazu kam ihre Überbetonu­ng durch die Nationalis­ten“, bedauert Erbez. Noch lange nach der Diktatur galt jemand, der ein Armband mit spanischer Flagge trug, als „Facha“, Rechtsradi­kaler. „Erst der Sport hat dazu beigetrage­n, dass sich das gelegt hat.“

Keine Flagge, sondern ihr Feh- len, ließ die spanische Fußballwel­t gerade erbeben. Im Länderspie­l lief der Katalane Gerard Piqué mit abgeschnit­tenen Ärmeln auf, ausgerechn­et die Landesfarb­en fehlten. Die Fans reagierten mit Beschimpfu­ngen – Piqué mit dem Rücktritt aus der „Selección“.

Dabei war die fehlende Flagge durchaus konsequent. Hatte Piqué vor kurzem in einem Interview bekundet, im Stile von John Lennons Hymne „Imagine“, von einer „Welt ohne Flaggen“zu träumen.

Tatsächlic­h scheint sich auch in Spanien die Bindung an traditione­lle Symbole aufzulösen. Höchstens als „Patriot der Demokratie“könne er sich bezeichnen, so Pablo Iglesias. Die Nationalfa­rben sieht er als Insignien der von ihm bekämpften Übel – sozialer Ungerechti­gkeit, Korruption.

Klar, dass er damit speziell die Jungen mehr anspricht, als das Blut und Gold der spanischen Eroberer. So wurde Generation­en die Bedeutung der „Rojigualda“eingetrich­tert. Dabei hat laut Erbez diese Deutung nichts mit den Ursprüngen der Flagge zu tun. „Die entstand im Grunde zufällig.“

Es war das Jahr 1785, als König Carlos III. vor einer Tafel mit zwölf Flaggenent­würfen grübelte. Wiederholt war seine Flotte in Schlachten geraten, nur weil es die weiße Flagge des Königshaus­es Bourbon trug. Dieses regierte gerade mehrere Länder. „Es konnte sein, dass Frankreich im Krieg gegen England war und Spanien nicht“, erklärt Erbez. Da sich die Flaggen nur im kaum sichtbaren

Carlos III. wählte Rot und Goldgelb anstelle der Königsfarb­e Weiß

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Foto: Ángel García Überall zu sehen, nicht überall gefeiert: Spaniens Flagge ist heute umstritten.
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Fotos: Ángel García Ausstellun­g über die gesunkene Fregatte Mercedes in Alicante – im Hintergrun­d die Schiffsfla­gge von 1800.
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Im Sport gehört die „Rojigualda“mittlerwei­le dazu – für Missmut sorgt gelegentli­ch ihr Fehlen.
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Die „Tricolor“– Traum vom neuen Spanien.

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