Einsam und idyllisch
Zwei Mittelmeerinseln trotzen dem Massentourismus: Columbretes vor Castellón und Tabarca vor Alicante
Mallorca und Ibiza kennt fast jeder. Die Kanarischen Inseln auch. Doch bei Columbretes und Tabarca kommen selbst einige Spanier ins Grübeln. Dabei haben die beiden recht unbekannten Mittelmeerinseln vor Castellón und Alicante einiges zu bieten.
Einsame Strände und unberührte Natur? An der spanischen Costa del Azahar zwischen Peñíscola und Valencia ist das kaum zu finden. Doch es gibt eine Chance, dem Trubel auf dem Festland zu entkommen: Man mietet sich einen Katamaran oder reserviert sich einen Platz auf einem Ausflugsoder Tauchboot. Denn 50 Kilometer vor der valencianischen Küste liegt eine kleine Inselgruppe namens Columbretes, auf der es weder nervige Souvenirverkäufer noch Hotels oder Restaurants gibt.
„Dafür gibt es hier viel Ruhe und eine Menge spektakuläre Natur“, versichert Parkwächter Vicente Ferrís. Er hätte es nicht sagen brauchen. Schon bei der Anfahrt kann sich jeder denken, warum diese Inselgruppe zwischen Castellón und Mallorca oftmals auch als „spanische Galapagos-Inseln“bezeichnet werden. Die Abgeschiedenheit haben die Illes Columbretes zu einem wahren Tierparadies gemacht.
Bei den meisten der knapp 20 Inselchen handelt es sich eigentlich eher um Felsen, die aus dem Meer auftauchen und Heimat unzähliger Vogelarten sind. Eleonorenfalken kleben in den steilen Felswänden. Riesige Kolonien von Gelbschnabel-Sturmtauchern, Silber-, Korallen- und Mittelmeermöwen, Krähenscharben und Kormorane nisten im rissigen Gestein der Inseln.
Es gibt vier größere Inseln – La Ferrera, La Foradada, El Carallot und Illa Grossa, die Hauptinsel. Dass die Inseln vulkanischen Ursprungs sind, zeigt sich schon, wenn das Boot in den ehemaligen kreisrunden Vulkankrater von Illa Grossa einläuft, der zu einer Seite offen ist.
Bis zu 67 Meter hebt sich die Insel in Hufeisenform aus dem Meer. Segelboote liegen im kristallklaren Wasser vor Anker. „Die meisten sind auf dem Weg nach Mallorca, aber es ist hier so idyllisch und einsam, dass die wenigsten weiterfahren und die meisten einfach hier bleiben“, versichert Antonio Civantos. Er ist mit einer kleinen Taucher-Gruppe aus Alcossebre gekommen, die vor dem Abtauchen einen Landgang machen möchte. Er setzt sie an einer rutschigen, in den Felsen geschlagenen Treppe ab, wo Parkwächter Vicente Ferrís die Gäste empfängt.
Die Illes Columbretes sind seit 1988 Naturpark und seit 1990 auch ein Meeresreservat, weshalb Ferrís den Besuchern zunächst eine lange Verbotsliste mitzuteilen hat, bevor es auf einem schmalen Weg hinauf zum Leuchtturm geht. „Erst einmal darf man den Weg nicht verlassen“, stellt er klar. Man darf keine Pflanzen pflücken oder auf sie treten. Man darf keine Steine mit- nehmen, keine Tiere fangen und sie auch nicht füttern. Man darf hier nicht rauchen, Müll wegschmeißen oder einfach so sein Geschäft erledigen. „Sie dürfen aber so viele Fotos machen, wie sie möchten und die Inseln in vollen Zügen genießen“, sagt Ferrís mit einem Lachen.
Zuflucht für Schmuggler
Der Schutz dieses einzigartigen Ökosystems ist sehr wichtig. „Wir Menschen sind nicht immer so freundlich mit den ColumbretesInseln, ihren Pflanzen und Tieren umgegangen. Ganz im Gegenteil“, erzählt der Parkwächter. Bis vor 30 Jahren hat die spanische Armee, aber auch die amerikanische Luftwaffe die Inseln für Schussübungen und Bomben-Manöver genutzt. Die gigantischen Einschusslöcher sind auf einigen Eilanden aus weiter Entfernung zu sehen.
Davor waren die Inseln lange Zufluchtsort für mallorquinische Schmuggler. Auch Piraten aus Nordafrika versteckten sich hier im 15. und 16. Jahrhundert. Kurzzeitig diente die Hauptinsel als Straf- kolonie. 1856 wurde mit dem Bau des Leuchtturms begonnen. Dabei fackelten die Arbeiter die ganze Insel ab, um die Unmengen von giftigen Schlangen zu töten. Nicht umsonst heißen die Inseln Columbretes. Der Name stammt von Colubraria, Schlange, wie die Römer die Inselgruppe tauften. „Die Vegetation wurde damals größtenteils vernichtet. Aber wie Sie sehen, hat sich die Natur wieder erholt“, erklärt Ferrís und weist auf einige endemische Pflanzenarten hin.
Der Zutritt auf Columbretes ist streng begrenzt. Es dürfen sich immer nur drei Gruppen von je 20 Personen gleichzeitig auf der Insel aufhalten. Maximal sind pro Tag 120 Besucher im 19 Hektar großen Naturpark zugelassen – auch wenn die Ausflugsboote aus Alcossebre, Peñiscola, Oropesa del Mar, Castellón und anderen Küstenorten kommen. Der Ansturm hält sich also in Grenzen. Zwischen Oktober und April könne es auf Columbretes sogar richtig einsam werden, meint Ferrís. Im vergangenen Jahr haben nur knapp 5.000 Touristen die Inseln besucht.
Bis vor 30 Jahren hat die US-Luftwaffe die Inseln für Schussübungen genutzt
Nur 60 Personen leben im Winter auf Tabarca, im Sommer sind es 300
Außerhalb der Hochsaison kommen nur selten kleinere Gruppen. „Die bekommen dann das lange VIP-Programm. Wir sind hier nur vier Parkwächter, seit der Leuchtturm automatisiert wurde und die beiden Leuchtturmwärter und ihre Familien wegzogen. Es wird irgendwann langweilig, immer nur die gleichen Gesichter zu sehen. Also halten wir die Besucher so lange hier wie möglich“, sagt Ferrís. Mit seinem grauen Bart und dem zerfurchten Gesicht könnte er Hemingways Roman „Der alte Mann und das Meer“entstammen.
Er zeigt den Gästen im Faro Fotos vom Alltagsleben der Leuchtturmwärter. Es gibt auch einen kleinen Friedhof, der sich aber auf dem Teil der Insel befindet, der nicht besucht werden darf. Es geht zurück zum Boot. Schließlich kommen die Besucher ja eigentlich zum Tauchen her. „Die Columbretes-Inseln sind mit Sicherheit die schönsten Tauchgebiete in der gesamten Region Valencia. Die vulkanische Felslandschaft ist abwechslungsreich, es gibt Höhlen, Seegraswiesen und wir haben Sichtweiten bis zu 40 Metern“, meint Antonio Civantos. Er unterhält in Alcossebre sein Barracuda-Tauchzentrum. Immer wenn es das Wetter zulässt, fährt er die Inseln an.
Eineinhalb bis zwei Stunden dauert die Überfahrt. Doch der Weg lohnt sich, versichert Volker Clasen, zumal das Boot immer wieder von Delfinschwärmen begleitet wird. Der Autohaus-Besitzer aus dem norddeutschen Ritterhude ist begeistert: „Das Wasser ist hier draußen glasklar. Wir haben riesige Zackenbarsche, Goldbrassen, Muränen und große Barrakuda-Schwärme gesehen.“
In den Höhlen verstecken sich Kraken und riesige Langusten. Da es sich um ein Meeresreservat handelt, ist die Zahl der zugelassenen Taucher sehr begrenzt. Anfänger dürfen gar nicht abtauchen. Doch auch das Schnorcheln im Kraterkessel ist ein Erlebnis für sich.
Wer etwas weiter südlich in der Provinz Alicante auf der Flucht vor den Sonnenschirmansammlungen der Costa Blanca ist, wird auf Tabarca fündig. Das Eiland liegt nur knapp vier Kilometer vor dem Kap von Santa Pola. Zugegeben: In der Hochsaison zieht es viele spanische Familien aus der Region nach Tabarca. Die Paella-Restaurants der Insel platzen dann auch aus allen Nähten. Doch Massenaufläufe und schreiende Menschen, die auf Kunststoffbananen übers Meer gezogen werden, gibt es noch nicht. Autos und große Hotels sind Fehlanzeige. In dem einzigen Dorf gibt es lediglich kleine Pensionen.
Vor allem in der Nebensaison findet man auf Tabarca noch stille Ecken und Badebuchten. Die Insel ist nicht groß. Vom Hafen aus gelangt man in wenigen Minuten zur Inselmitte, wo der klotzige Wachturm Torre de San José thront, mit dem sich die Inselbewohner früher vor Piraten schützten. Wenige 100 Meter weiter gelangt man über die baumlose Ebene mit ihren prachtvollen Agaven zum Leuchtturm und einem Friedhof genuesischer Fischerfamilien.
König Karl III. befreite die Genuesen 1768 aus der Gefangenschaft in der tunesischen Stadt Tabarka und siedelte sie auf der Insel an, damit sie hier wohnen und das Eiland zum Schutz vor nordafrikanischen Schmugglern und Piraten befestigten. Deshalb heißt die Insel heute offiziell auch „Nueva Tabarca“, das Neue Tabarca. Hinter der alten, von den Genuesen erbauten Stadtmauer wartet auf die Besucher ein Gewirr aus kleinen Gassen. Geranien schmücken die Fenster der weiß gekalkten Fassaden. Rund um den Dorfplatz liegen ein paar kleine Restaurants. Es riecht nach Olivenöl, Knoblauch und schwarzem Tintenfischreis mit Meeresfrüchten. Gerade einmal 70 Personen leben hier noch im Winter. Im Sommer sind es knapp 300.
Wer Tabarca richtig genießen möchte, sollte auf jeden Fall hier übernachten. Sobald im Sommer die Tagesgäste die letzte Fähre zurück zum Festland genommen haben, erobern die wenigen Dorfbewohner am Abend wieder die Gassen. Ruhe kehrt ein. Der Sonnenuntergang gehört einem am Strand nun fast alleine.