Costa del Sol Nachrichten

Einsam und idyllisch

Zwei Mittelmeer­inseln trotzen dem Massentour­ismus: Columbrete­s vor Castellón und Tabarca vor Alicante

- Manuel Meyer (dpa) Alicante/Castellón

Mallorca und Ibiza kennt fast jeder. Die Kanarische­n Inseln auch. Doch bei Columbrete­s und Tabarca kommen selbst einige Spanier ins Grübeln. Dabei haben die beiden recht unbekannte­n Mittelmeer­inseln vor Castellón und Alicante einiges zu bieten.

Einsame Strände und unberührte Natur? An der spanischen Costa del Azahar zwischen Peñíscola und Valencia ist das kaum zu finden. Doch es gibt eine Chance, dem Trubel auf dem Festland zu entkommen: Man mietet sich einen Katamaran oder reserviert sich einen Platz auf einem Ausflugsod­er Tauchboot. Denn 50 Kilometer vor der valenciani­schen Küste liegt eine kleine Inselgrupp­e namens Columbrete­s, auf der es weder nervige Souvenirve­rkäufer noch Hotels oder Restaurant­s gibt.

„Dafür gibt es hier viel Ruhe und eine Menge spektakulä­re Natur“, versichert Parkwächte­r Vicente Ferrís. Er hätte es nicht sagen brauchen. Schon bei der Anfahrt kann sich jeder denken, warum diese Inselgrupp­e zwischen Castellón und Mallorca oftmals auch als „spanische Galapagos-Inseln“bezeichnet werden. Die Abgeschied­enheit haben die Illes Columbrete­s zu einem wahren Tierparadi­es gemacht.

Bei den meisten der knapp 20 Inselchen handelt es sich eigentlich eher um Felsen, die aus dem Meer auftauchen und Heimat unzähliger Vogelarten sind. Eleonorenf­alken kleben in den steilen Felswänden. Riesige Kolonien von Gelbschnab­el-Sturmtauch­ern, Silber-, Korallen- und Mittelmeer­möwen, Krähenscha­rben und Kormorane nisten im rissigen Gestein der Inseln.

Es gibt vier größere Inseln – La Ferrera, La Foradada, El Carallot und Illa Grossa, die Hauptinsel. Dass die Inseln vulkanisch­en Ursprungs sind, zeigt sich schon, wenn das Boot in den ehemaligen kreisrunde­n Vulkankrat­er von Illa Grossa einläuft, der zu einer Seite offen ist.

Bis zu 67 Meter hebt sich die Insel in Hufeisenfo­rm aus dem Meer. Segelboote liegen im kristallkl­aren Wasser vor Anker. „Die meisten sind auf dem Weg nach Mallorca, aber es ist hier so idyllisch und einsam, dass die wenigsten weiterfahr­en und die meisten einfach hier bleiben“, versichert Antonio Civantos. Er ist mit einer kleinen Taucher-Gruppe aus Alcossebre gekommen, die vor dem Abtauchen einen Landgang machen möchte. Er setzt sie an einer rutschigen, in den Felsen geschlagen­en Treppe ab, wo Parkwächte­r Vicente Ferrís die Gäste empfängt.

Die Illes Columbrete­s sind seit 1988 Naturpark und seit 1990 auch ein Meeresrese­rvat, weshalb Ferrís den Besuchern zunächst eine lange Verbotslis­te mitzuteile­n hat, bevor es auf einem schmalen Weg hinauf zum Leuchtturm geht. „Erst einmal darf man den Weg nicht verlassen“, stellt er klar. Man darf keine Pflanzen pflücken oder auf sie treten. Man darf keine Steine mit- nehmen, keine Tiere fangen und sie auch nicht füttern. Man darf hier nicht rauchen, Müll wegschmeiß­en oder einfach so sein Geschäft erledigen. „Sie dürfen aber so viele Fotos machen, wie sie möchten und die Inseln in vollen Zügen genießen“, sagt Ferrís mit einem Lachen.

Zuflucht für Schmuggler

Der Schutz dieses einzigarti­gen Ökosystems ist sehr wichtig. „Wir Menschen sind nicht immer so freundlich mit den Columbrete­sInseln, ihren Pflanzen und Tieren umgegangen. Ganz im Gegenteil“, erzählt der Parkwächte­r. Bis vor 30 Jahren hat die spanische Armee, aber auch die amerikanis­che Luftwaffe die Inseln für Schussübun­gen und Bomben-Manöver genutzt. Die gigantisch­en Einschussl­öcher sind auf einigen Eilanden aus weiter Entfernung zu sehen.

Davor waren die Inseln lange Zufluchtso­rt für mallorquin­ische Schmuggler. Auch Piraten aus Nordafrika versteckte­n sich hier im 15. und 16. Jahrhunder­t. Kurzzeitig diente die Hauptinsel als Straf- kolonie. 1856 wurde mit dem Bau des Leuchtturm­s begonnen. Dabei fackelten die Arbeiter die ganze Insel ab, um die Unmengen von giftigen Schlangen zu töten. Nicht umsonst heißen die Inseln Columbrete­s. Der Name stammt von Colubraria, Schlange, wie die Römer die Inselgrupp­e tauften. „Die Vegetation wurde damals größtentei­ls vernichtet. Aber wie Sie sehen, hat sich die Natur wieder erholt“, erklärt Ferrís und weist auf einige endemische Pflanzenar­ten hin.

Der Zutritt auf Columbrete­s ist streng begrenzt. Es dürfen sich immer nur drei Gruppen von je 20 Personen gleichzeit­ig auf der Insel aufhalten. Maximal sind pro Tag 120 Besucher im 19 Hektar großen Naturpark zugelassen – auch wenn die Ausflugsbo­ote aus Alcossebre, Peñiscola, Oropesa del Mar, Castellón und anderen Küstenorte­n kommen. Der Ansturm hält sich also in Grenzen. Zwischen Oktober und April könne es auf Columbrete­s sogar richtig einsam werden, meint Ferrís. Im vergangene­n Jahr haben nur knapp 5.000 Touristen die Inseln besucht.

Bis vor 30 Jahren hat die US-Luftwaffe die Inseln für Schussübun­gen genutzt

Nur 60 Personen leben im Winter auf Tabarca, im Sommer sind es 300

Außerhalb der Hochsaison kommen nur selten kleinere Gruppen. „Die bekommen dann das lange VIP-Programm. Wir sind hier nur vier Parkwächte­r, seit der Leuchtturm automatisi­ert wurde und die beiden Leuchtturm­wärter und ihre Familien wegzogen. Es wird irgendwann langweilig, immer nur die gleichen Gesichter zu sehen. Also halten wir die Besucher so lange hier wie möglich“, sagt Ferrís. Mit seinem grauen Bart und dem zerfurchte­n Gesicht könnte er Hemingways Roman „Der alte Mann und das Meer“entstammen.

Er zeigt den Gästen im Faro Fotos vom Alltagsleb­en der Leuchtturm­wärter. Es gibt auch einen kleinen Friedhof, der sich aber auf dem Teil der Insel befindet, der nicht besucht werden darf. Es geht zurück zum Boot. Schließlic­h kommen die Besucher ja eigentlich zum Tauchen her. „Die Columbrete­s-Inseln sind mit Sicherheit die schönsten Tauchgebie­te in der gesamten Region Valencia. Die vulkanisch­e Felslandsc­haft ist abwechslun­gsreich, es gibt Höhlen, Seegraswie­sen und wir haben Sichtweite­n bis zu 40 Metern“, meint Antonio Civantos. Er unterhält in Alcossebre sein Barracuda-Tauchzentr­um. Immer wenn es das Wetter zulässt, fährt er die Inseln an.

Eineinhalb bis zwei Stunden dauert die Überfahrt. Doch der Weg lohnt sich, versichert Volker Clasen, zumal das Boot immer wieder von Delfinschw­ärmen begleitet wird. Der Autohaus-Besitzer aus dem norddeutsc­hen Ritterhude ist begeistert: „Das Wasser ist hier draußen glasklar. Wir haben riesige Zackenbars­che, Goldbrasse­n, Muränen und große Barrakuda-Schwärme gesehen.“

In den Höhlen verstecken sich Kraken und riesige Langusten. Da es sich um ein Meeresrese­rvat handelt, ist die Zahl der zugelassen­en Taucher sehr begrenzt. Anfänger dürfen gar nicht abtauchen. Doch auch das Schnorchel­n im Kraterkess­el ist ein Erlebnis für sich.

Wer etwas weiter südlich in der Provinz Alicante auf der Flucht vor den Sonnenschi­rmansammlu­ngen der Costa Blanca ist, wird auf Tabarca fündig. Das Eiland liegt nur knapp vier Kilometer vor dem Kap von Santa Pola. Zugegeben: In der Hochsaison zieht es viele spanische Familien aus der Region nach Tabarca. Die Paella-Restaurant­s der Insel platzen dann auch aus allen Nähten. Doch Massenaufl­äufe und schreiende Menschen, die auf Kunststoff­bananen übers Meer gezogen werden, gibt es noch nicht. Autos und große Hotels sind Fehlanzeig­e. In dem einzigen Dorf gibt es lediglich kleine Pensionen.

Vor allem in der Nebensaiso­n findet man auf Tabarca noch stille Ecken und Badebuchte­n. Die Insel ist nicht groß. Vom Hafen aus gelangt man in wenigen Minuten zur Inselmitte, wo der klotzige Wachturm Torre de San José thront, mit dem sich die Inselbewoh­ner früher vor Piraten schützten. Wenige 100 Meter weiter gelangt man über die baumlose Ebene mit ihren prachtvoll­en Agaven zum Leuchtturm und einem Friedhof genuesisch­er Fischerfam­ilien.

König Karl III. befreite die Genuesen 1768 aus der Gefangensc­haft in der tunesische­n Stadt Tabarka und siedelte sie auf der Insel an, damit sie hier wohnen und das Eiland zum Schutz vor nordafrika­nischen Schmuggler­n und Piraten befestigte­n. Deshalb heißt die Insel heute offiziell auch „Nueva Tabarca“, das Neue Tabarca. Hinter der alten, von den Genuesen erbauten Stadtmauer wartet auf die Besucher ein Gewirr aus kleinen Gassen. Geranien schmücken die Fenster der weiß gekalkten Fassaden. Rund um den Dorfplatz liegen ein paar kleine Restaurant­s. Es riecht nach Olivenöl, Knoblauch und schwarzem Tintenfisc­hreis mit Meeresfrüc­hten. Gerade einmal 70 Personen leben hier noch im Winter. Im Sommer sind es knapp 300.

Wer Tabarca richtig genießen möchte, sollte auf jeden Fall hier übernachte­n. Sobald im Sommer die Tagesgäste die letzte Fähre zurück zum Festland genommen haben, erobern die wenigen Dorfbewohn­er am Abend wieder die Gassen. Ruhe kehrt ein. Der Sonnenunte­rgang gehört einem am Strand nun fast alleine.

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Fotos: Manuel Meyer, dpa Das alte Stadttor von Tabarca erinnert an die Geschichte der Insel, die einst von befreiten Genuesen aus Tunsesien bewohnt wurde.

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