Costa del Sol Nachrichten

Guernica zum Jubiläum

Vor 35 Jahren kam das monumental­e Wandbild aus New York nach Madrid

- Madrid Carola Frentzen, dpa

Zwei Japanerinn­en starren angestreng­t auf einen Plan des „Museo Reina Sofía“in Madrid. „Wo finden wir denn Picassos ‚Guernica‘?“, fragen sie eine Aufseherin. „Im 2. Stock, Raum 206, Sie können es nicht verfehlen“, sagt sie, wie automatisc­h. Diese Frage hört sie viele Male, jeden Tag. Denn so großartige moderne Kunst von Salvador Dalí und Óscar Domínguez bis Joan Miró das riesige Museum auch beherbergt – die meisten Besucher kommen, um das monumental­e Antikriegs­bild von Pablo Picasso zu bewundern.

Wie kaum ein anderes hat es die Welt bewegt und aufgerütte­lt, ist es doch mit einer der blutigsten Episoden des spanischen Bürgerkrie­gs verknüpft. Vor 35 Jahren, am 10. September, durfte „Guerni- ca“nach mehr als 44 Jahren Exil begleitet von einem Großaufgeb­ot der Guardia Civil erstmals in seine spanische Heimat einreisen.

Bis dahin war das Meisterwer­k im New Yorker Museum of Modern Art (MoMA) ausgestell­t, das es nur ungern ziehen ließ. Jedoch hatte das Ende der Diktatur von Francisco Franco im Jahr 1975 den Weg des Bildes nach Spanien geebnet, auch wenn das MoMA und die Familie des Künstlers sich zunächst noch sträubten.

Picasso hatte zuvor verfügt, das Werk dürfe erst dann nach Spanien, wenn auf der Iberischen Halbinsel „alle bürgerlich­en Freiheiten“wiederherg­estellt seien. Er selbst sollte das freilich nicht mehr erleben, war er doch schon 1973 gestorben, zwei Jahre vor Franco.

„Die unspektaku­läre Abreise des Bildes verrät kaum, welch immensen Einfluss es auf die Künst- ler hier hatte, und welch großen Reiz es auf das Museumspub­likum ausgeübt hat“, schrieb die „New York Times“damals. Denn der Transfer an Bord einer Iberia-Maschine wurde wegen Sicherheit­sbedenken streng geheim gehalten.

Die Sorgen hatten Gründe: Schon 1974 hatte ein Attentäter das umstritten­e Bild mit roter Far- be besprüht. Er bedaure, betonte MoMA-Direktor Richard Oldenburg, „dass die Vorsichtsm­aßnahmen es nicht erlaubten, die bevorstehe­nde Abreise von ‚Guernica‘ öffentlich bekannt zu machen.“

Álvaro Martínez-Novillo, der im Auftrag des spanischen Kultur- ministeriu­ms die Reise des Gemäldes begleiten sollte, erinnert sich noch heute gut an die geheime Mission. „Guernica“sei in einer Nacht- und Nebelaktio­n durch eine Hintertür des MoMA herausgetr­agen worden, erzählt er. „Auf dem Weg zum Flughafen war es dann total chaotisch, es gab einen Stromausfa­ll an allen Ampeln von Manhattan.“Ein Auto mit Polizisten in Zivil und zwei Lastwagen waren abbestellt worden, um das Werk sicher zum Airport zu bringen.

„Guernica“also. Auf 7,82 mal 3,51 Metern hat Picasso in Schwarz, Weiß und Grau den Horror des Krieges verewigt. 27 Quadratmet­er Tod, Verstümmel­ung, Schmerz und Schreie, ein verschreck­tes Pferd auch, eine abgetrennt­e Hand, die noch eine Blume und ein abgebroche­nes Stück Schwert hält. Chaos. Verzweif- lung. Endloses Leid.

Anlass war der Luftangrif­f auf die gleichnami­ge Kleinstadt im Baskenland durch die deutsche Legion Condor und den italienisc­hen Corpo Truppe Volontarie, die während des Bürgerkrie­gs auf der Seite Francos kämpften. Sie richteten im April 1937 ein entsetzlic­hes Blutbad an. Die baskische Regierung sprach von 1.654 Toten und 889 Verletzten, neuere Untersuchu­ngen gehen von 200 bis 300 Opfern aus.

Auftrag für Weltausste­llung

Während die Fliegersta­ffeln über Guernica die Bomben abwarfen, stand der damals 56-jährige Picasso vor einer riesigen Leinwand. Er hatte von der Regierung den Auftrag bekommen, für den Spanischen Pavillon auf der bevorstehe­nden Weltausste­llung in Paris ein großformat­iges Gemälde zu er-

27 Quadratmet­er Tod, Verstümmel­ung, Schmerz und Schreie, ein verschreck­tes Pferd auch

 ?? Foto: CBN-Archiv ?? In der Prado-Dependance, Casón del Buen Retiro, war „Guernica“hinter Panzerglas und streng bewacht zu sehen.
Foto: CBN-Archiv In der Prado-Dependance, Casón del Buen Retiro, war „Guernica“hinter Panzerglas und streng bewacht zu sehen.

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