Rollendes Schlafzimmer am Abgrund
Ein rollendes Schlafzimmer ist praktisch, vor allem, wenn man bei einem indischen Abend mit Bauchtanz, Basmatireis und Naan ein paar Gläser Wein trinkt und danach noch bei einer Freundin einkehren will. Eine reizende Idee. Die Gastgeberin versicherte vollmundig: „Mit dem Wohnmobil kommt ihr locker zu meiner Finca. Ist alles betoniert.“Dass das Hymergefährt der Marke Hymer aber 37 Jahre auf dem Buckel und noch dazu Vorderrandantrieb hat, das vergaß sie in ihrem Eifer vollkommen. Guter Dinge, beschwingt durch Currygewürz und orientalem Zauber gings also gen Finca. Nach etwa 200 Metern ging der bestens betonierte Weg jedoch in eine gefährliche Schlammbahn über und das Hymermobil ächzte und schnaufte, bis es seitlich vom Wege abtrieb und in einem Apfelbaum hängenblieb. Wir blendeten das Malheur geschickt aus, kehrten bei der Freundin ein und legten uns drei Stunden später ins Wohnmobil am Abgrund. Allerdings in Schräglage, sodass wir uns am Morgen das gegen die Scheibe gequetschte Gesicht glätten und die Wirbel wieder in Reih und Glied schieben mussten. Hungrig und optimistisch setzten wir uns ins Mobil, doch es rutschte immer noch weiter Richtung Hang. Es stank nach Gummi und Getriebe, Erde spritzte in die Luft. Die Reifen wühlten sich immer tiefer in den schlammigen Boden. Wir holten Latten, Steine und Pappe, legten sie unter die Reifen, schoben und drückten, zerrten am Wohnmobil und fluchten, was das Zeug hielt, doch nichts half. Der Baum, in dem sich das betagte Wohnmobil verheddert hatte, war längst abgesägt. Von den anderen Gästen weit und breit keine Spur, sie träumten noch immer ihren orientalischen Traum. Als letzte Lösung blieb nur der Grúa-Mann. Es war heiß, die Lage aussichtslos. Unsere Mägen knurrten. Nach einer Stunde des Wartens kam der rettende Abschlepp-Mann. Sein Blick verriet Wir atmeten auf. Mein Freund wendete und fuhr auf die Ladefläche des Abschleppwagens. Wir ließen uns vor das Restaurant karren, in dem wir am Abend zuvor Indisch gegessen hatten – nur um den Kreis zu schließen und uns nach dem Schrecken erst einmal zu stärken. Sollte uns irgendjemand mit den Worten beruhigen wollen: „Ist alles betoniert“, werden wir ihn ignorieren und das Wohnmobil auf einer flachen, baumfreien Ebene parken. (lk)