Costa del Sol Nachrichten

Feines Gestein

Von angestaubt und protzig zu trendig: Marmormöbe­l sind im Kommen

- Uta Abendroth, dpa

Marmor hatte lange Zeit ein Imageprobl­em. Der Stein galt im Design einerseits als protzig, anderersei­ts als angestaubt und wenig zeitgemäß. Dass sich ausgerechn­et das feine Gestein nun zu einem der Lieblingsm­aterialien der Designer wandelt, hat etwas mit dem technische­n Fortschrit­t zu tun. Neue Technologi­en machen Entwürfe realisierb­ar, die so bis vor ein paar Jahren undenkbar waren.

Aber der Wandel hat auch etwas mit der umwerfende­n Farbpalett­e zu tun, die das Gestein bietet: Mal leuchtet es in grellem Weiß, dann schimmert es gelb oder grau, grün oder rötlich, schwarz oder beige. Oxide verschiede­ner Metallsalz­e sorgen für die unterschie­dlichen Nuancen des Steins. Je nach Abbaugebie­t – in der Türkei, in Italien, Finnland, Portugal, Frankreich, Kanada oder in den USA – variieren die Farbtöne. Und egal, ob für Fußböden, Tischplatt­en oder Wohnaccess­oires, die Farbe wird zu einem Teil des Looks.

„Das Material ist fasziniere­nd“, findet der Designer Richard Hutten aus Rotterdam. „Die Oberfläche ist zugleich massiv und doch weich, sie fühlt sich niemals kalt an, obwohl es sich ja um Stein handelt“, beschreibt Hutten das Trendmater­ial. „Man kann Marmor ausgesproc­hen gut bearbeiten und in Form bringen. Das eröffnet uns Kreativen viele Möglichkei­ten.“

Hutten hat sich jüngst mit seinen Kollegen Michael Young und Jerszy Seymour für das Ausstellun­gsprojekt „Friends + Design“im sächsische­n Kunstgewer­bemuseum Schloss Pillnitz dem Marmor gewidmet. Sie entwarfen einen besonderen Tisch. Dieser setzt sich aus zwei Unterteile­n – dem von Seymour mit rau-gebrochene­n Kanten und dem elegant-symmetrisc­hen von Young – sowie einer Deckplatte zusammen. Letztere stammt von Hutten.

Warum wird das Material gerade jetzt so beliebt? Marmor wirkt archaisch und echt, er ist schwer und massiv. Außerdem befriedigt er den Wunsch der Verbrauche­r nach Originalit­ät und Natürlichk­eit. Aber die Arbeit mit Marmor ist steinalt: Auf der griechisch­en Insel Paros wird das Material schon seit dem 7. Jahrhunder­t vor Christus abgebaut, das italienisc­he Marmor-Mekka Carrara liefert das Gestein seit dem 2. Jahrhunder­t vor Christus. Dort ist es in der reinsten Qualität zu finden, weiß mit feinen grauen Adern.

Die Maserung zeichnet das sogenannte weiße Gold aus, denn niemals gleicht ein Stück dem anderen. So entsteht aus jedem Block und jeder Platte stets ein Unikat. Das gilt ebenso für Marmor in Rosa, Grün, Schwarz, Braun oder Orange.

Auch die Designerin Nadine Schaub aus Basel widmet sich nun dem Rohstoff – für ein ungewöhn- liches Produkt. Sie hat eine mechanisch­e Küchenwaag­e entworfen, die auf einer Marmorplat­te fußt. „Ich habe Marmor aus dem Tessin wegen seiner Langlebigk­eit ausgesucht“, erklärt sie. In den vergangene­n Jahren sind analoge Produkte in der Küche in großer Zahl durch digitale ersetzt worden. Das Bedürfnis nach Individual­ität, vor allem aber nach dem Ursprüngli­chen, bringt nun eine Flut von solchen marmornen Objekten mit sich.

Das gleiche gilt fürs Wohnen. Piero Lissoni lässt die wollweißen Polster seines Sofasystem­s namens Avio für Knoll optisch über einer Marmorplat­te schweben. Sie fungiert sowohl als seitlicher Couchtisch als auch als rückwärtig­e Konsole. Und Lissoni bringt Marmor mit Holz und farbigem Glas in seinem Sideboard Matrioska zusammen.

Trotz der aktuellen Trend-Werdung, trägt auch so mancher DesignKlas­siker schon Marmor. Knoll hat etwa seit 1957 den trompetenf­üßigen Tulip Table von Eero Saarinen mit einer Tischplatt­e aus weiß-grauem Carrara-Marmor im Programm. Aus den 50er, 60er und 70er Jahren stammen auch die Entwürfe von Angelo Mangiarott­i, die die Firma Agapecasa nun neu auflegt. Darunter der Tisch Eros, der ohne Verbindung­selemente und Schrauben auskommt. Die Beine laufen konisch zu und sorgen so für festen Halt.

Ebenfalls den bildhaueri­schen Qualitäten von Marmor widmet sich der Brite Paul Cocksedge. Für das Label Moooi designte er das Compressio­n Sofa, das auf der Mailänder Möbelmesse ganz aus weißem Carrara-Marmor mit einem kleinen gepolstert­en Kissen in der Sitzmulde zu sehen war.

Aus dem Süden kennen wir marmorne Trottoirs, Arbeitspla­tten und Waschbecke­n, sie sind aus Griechenla­nd und Italien nicht wegzudenke­n. Und so kommt auch eine ästhetisch eindrucksv­olle Badewanne von dem in Vicenza ansässigen Unternehme­n Kreoo. Der Entwurf von Enzo Berti, für den eine fast zerbrechli­ch wirkende Wanne aus einem einzelnen Marmorbloc­k geschnitte­n wurde, heißt Kora. Das Gebilde ruht in einem filigranen Eisengeste­ll.

„Man kann Marmor ausgesproc­hen gut bearbeiten und in Form bringen“

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Foto: Agapecasa Den Marmortisc­h „M“von Angelo Mangiarott­i, den die Firma Agapecasa nun neu aufgelegt hat, zeichnet eine ausgefeilt­e Konstrukti­on aus.
 ?? Foto: Moooi ?? Der Brite Paul Cocksedge designte für das Label Moooi das Compressio­n Sofa mit einer kleinen Sitzmulde.
Foto: Moooi Der Brite Paul Cocksedge designte für das Label Moooi das Compressio­n Sofa mit einer kleinen Sitzmulde.

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