Ein Volk von Schnäppchenjägern
Im Einzelhandel jagt eine Rabattaktion die nächste – Doch die Rechnung geht nicht immer auf
Madrid – tl. Halloween, Black Friday, Cyber Monday, Weihnachtspromotion, Winter-Rebajas, Valentinstag und so weiter. Seit es in Spanien keine festen Zeiten mehr für Schlussverkäufe gibt, ergeht sich der Einzelhandel in einer unendlichen Abfolge von Sonderpreisaktionen. Ob ihm das auf Dauer guttut, wird immer häufiger gefragt. Und auch, ob man sich mit diesen Daueraktionen nicht ein Volk von Schnäppchenjägern heranzieht.
„Wir haben die Probe aufs Exempel gemacht“, erzählt Eduardo Zamácola, Generaldirektor von Neck & Neck und Präsident des Dachverbands der Textilhändler, gegenüber der Zeitung „El País“. „Wir haben den Endpreis von einigen Produkten ohne Ankündigung gesenkt. Der Kunde hat nicht reagiert. Wir haben die gleichen Produkte mit einem höheren Preis an- geboten, aber mit einem Rabattschild versehen, und schon wurde gekauft.“Es habe sich eine Philosophie breitgemacht, dass der Kunde, wenn er in einen Laden geht, unbedingt „ein gutes Geschäft“machen will. Auch wenn er letztendlich mehr zahlt, hat er das Gefühl „super eingekauft zu haben“.
Wie auch immer: Der Konsum ist abhängig geworden von Rabattaktionen. „Wir Händler machen das, weil es die Kunden so wollen“, heißt es beim Dachverband des städtischen Einzelhandels. In gewisser Weise wird man die Geister nicht mehr los, die man ge- rufen hat. „Um in der Krise überleben zu können, hat sich der Sektor auf Rabattaktionen gestürzt und den Verbraucher damit aber verzogen“, sagt Cristian de Angelis von Modaes, eine Fachpublikation für Modehändler. Das Resultat: Nach einer Erhebung werden inzwischen 70 Prozent aller Textilien nur noch mit Rabatt verkauft. Vor zwei Jahren waren es 50 Prozent.
Marketing-Professor Gerard Costa von der Hochschule Esade in Barcelona spricht von zwei Typen von Verbrauchern. Der eine Typ will sich nicht lange mit dem Einkauf aufhalten, glaubt nicht an Rabattaktionen, erwartet aber „ständig billige Preise, so wie es zum Beispiel Mercadona macht“. Der andere Typ sei der Schnäppchenjäger, der sich Zeit nehme und gezielt nach Rabattaktionen Ausschau halte.
Während der Kunde im Prinzip von dem fortwährenden Preiskrieg im Einzelhandel profitiert, geht die Rechnung für die Unternehmen nicht unbedingt auf. So will die Consultingfirma Simon-Kucher herausgefunden haben, dass drei von vier Rabattaktionen eher „einen negativen Effekt für die Einzelhändler haben“. Der zwanghafte Drang, den Umsatz zu steigern und Marktanteile zu sichern, führe dazu, „dass viele Unternehmen in Aktionen investieren, die sich als nicht rentabel herausstellen“.
Noch eine Gefahr besteht. Leisten können sich die ständige Abfolge von Rabattaktionen nur die Großen. Der kleine Einzelhandel gehe vor die Hunde, warnt der Dachverband des städtischen Einzelhandels. Und empfiehlt der Regierung, die Liberalisierung des Schlussverkaufs zu überdenken.
Drei von vier Rabattaktionen haben eher „einen negativen Effekt für Einzelhändler“