Service wird ganz groß geschrieben
Der Teufel ist ein Eichhörnchen. Will heißen, Probleme können oft dort auftauchen, wo man sie nicht unbedingt vermuten würde. Vom Wahrheitsgehalt dieser Volksweisheit durfte ich mich neulich einmal mehr überzeugen. Eine indische Freundin, die gerade in Irland studiert, ist zu Besuch, und am Abend vor ihrem Abflug stellt sie fest, dass sie vergessen hat, ihren Boarding-Pass auszudrucken. Als Nichtmitglied der EU reicht es nämlich nicht, nur das Smartphone zu zücken. Am nächsten Morgen steht also die Suche nach einem Drucker an. Im Zeitungsladen in Coín weiß man nichts. Aber nach zwei Autorunden durchs Zentrum entdecke ich ein Schild, dessen Pfeil in einen dunklen Innenhof weist und Hoffnung verspricht. Ich parke nah und schlecht, rase los und schaue auf das Schild am Laden: „Fotokopien“prangt an der Tür. Noch besser drauf bin ich, als ich die Öffnungszeiten sehe: „Samstags von 10 bis 14 Uhr.“Es ist fünf vor zehn. Um 10.15 Uhr frage ich in der Bar nebenan, ob der Laden schon in Konkurs gegangen ist. „Nein, aber der Chef kommt meist erst gegen 10.30 oder 11 Uhr“, sagt der Kellner. Er lacht freundlich und ich frage mich, warum da 10 Uhr steht, wenn allgemein bekannt ist, dass nicht vor 11 Uhr geöffnet wird. Ich flitze zu meinem Auto, um dem Strafzettel zu entgehen – und zurück. Das tue ich immer mal wieder bis zwei Minuten vor elf. Das PDF mit dem Boarding-Pass habe ich auf dem Stick. Und weil ich das Kompatibilitäts-Theater zwischen MAC und PC aus unserem Büro kenne, hab ich meine Freundin – in weiser Voraussicht – natürlich gebeten, erreichbar zu sein, falls es denn nicht klappen sollte. Und genauso ist es. Ich lasse mir die E-Mail-Adresse des Ladens geben und versuche vergeblich meine Freundin anzurufen. „Du musst rausgehen in den Innenhof“, sagt der Boss, „hier im Laden hast du schlechten Empfang“. „Es ist kalt“, scherzt er. Humor ist, wenn man trotzdem lacht! Ich gehe raus und kann telefonieren. Nach 20 Minuten ist die EMail immer noch nicht eingetrudelt. „Das passiert oft, manchmal schicken Um 12.15 Uhr halte ich stolz den Ausdruck in Händen. Und ich weiß, dass es schlecht ankommen wird, trotzdem zwitschere ich gaaanz freundlich: „Sag mal, warum schreibst du, du öffnest um zehn, wenn du doch erst um elf kommst? Das hat meine Geduld wirklich ein wenig strapaziert.“Doch statt so etwas wie „sorry“zu antworten, blökt der Boss: „Das ist mir total egal, ich hab das alles für 15 Cent gemacht.“Wenn er Recht hat, hat er Recht. Wir sind offensichtlich alle Opfer einer unsäglichen Technologie- und Telefonanbieterwelt. Da kann selbst der Servicegedanke etwas leiden. (ws)