Costa del Sol Nachrichten

„Erschrocke­n über die Reichweite“

Strichmänn­chen auf Weltreise soll Jugendlich­e auf Gefahren durch Fotos im Netz hinweisen

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Madrid – dpa. Mit Mütze, Fliege und einem Köfferchen verließ Nico am 28. Februar eine Schule in Madrid. Innerhalb weniger Tage ist das mit türkisem Filzstift auf ein kariertes Blatt Papier gezeichnet­e Strichmänn­chen über die Sozialen Netzwerke virtuell in 144 Länder gereist und hat Freunde und Verwandte gefunden.

Mit dem Experiment wollte Lehrerin Esmeralda Reviriego ihre 14 und 15 Jahre alten Schüler auf die Risiken aufmerksam machen, die man eingeht, wenn man Bilder im Internet veröffentl­icht. „Die Idee war, ein Bild zu verbreiten, um zu sehen, wie weit es kommt“, erklärt Reviriego. „Wir hätten niemals gedacht – nicht einmal ich selbst – dass es Grenzen überschrei­ten und zu einem viralen Phänomen werden würde.“

Über ihre Zeichnung des Strichmänn­chens schrieben die Schüler: „Hilf mir, die Welt zu bereisen!“Und daneben: „Ich bin Nico.“Die Zeichnung wanderte von Handy zu Handy und von einem Sozia- len Netzwerk ins andere.

Binnen weniger Stunden war Nico auf allen Erdteilen gelandet. Die spanische Polizei teilte das Bild auf Twitter und fragte: „Wird er weit kommen?“Die Polizei in Kolumbien antwortete, dass das Männchen den Atlantik überquert habe. „Hallo Freunde, das Bild ist bei uns in Kolumbien angekommen. Bitte grüßt ,Nico‘ von uns“, schrieben die Polizisten.

Einige Internetnu­tzer machten Scherze mit dem Strichmänn­chen. Einer postete eine ähnliche Zeichnung mit einem verärgerte­n Vater, samt Bart und wütendem Gesicht, der sagt: „Nico, lass den Blödsinn und komm nach Hause!“Eine weitere WitzVersi- on zeigt Nico in den Händen des US-Präsidente­n Donald Trump.

„Für meine Schüler war es eine echte Erfahrung dessen, was passieren kann, wenn sie etwas veröffentl­ichen“, erzählt die 37-jährige Reviriego. „Das Bild von Nico ist unschuldig; wir haben aber bewiesen, dass man es auf den Kopf stellen, aus dem Kontext reißen und auf negative Weise manipulier­en kann.“Es gebe zum Beispiel „Memes“– im Internet in Form eines Bildes verbreitet­e Witze – von Nico mit Genitalien, fügt Reviriego hinzu.

Bislang hätten sich viele ihrer Schüler kaum Gedanken über Datenschut­z und über die Bilder gemacht, die sie online teilen, sagt die Lehrerin. Die Erfahrung mit Nico habe die Kinder darüber nachdenken lassen. „Sie sind glücklich und aufgeregt, aber auch erschrocke­n über die Reichweite.“

Einige Medien vermuteten hinter dem Experiment zunächst eine heimliche Werbeaktio­n, da auf dem Koffer des Strichmänn­chens der Name eines großen Sportartik­elherstell­ers steht. „Das ist totaler Zufall“, erklärt Reviriego. „Die Jungen tragen Klamotten dieser Marken und haben Nico als ihr Ebenbild gezeichnet.“Die Schule, von der aus Nico in die Welt zog, will nun Seminare zum richtigen Umgang mit den sozialen Netzwerken anbieten. Dazu meint Reviriego: „Sie sind ein nützliches Werkzeug, man muss sie aber zu nutzen wissen.“

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Feldstudie mit simpler Zeichnung: Binnen Stunden ging das Männchen in Sozialen Medien um die Welt. Foto: dpa

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