Costa del Sol Nachrichten

Ostern steht bevor

Die Semana Santa von Málaga ist einzigarti­g und wartet mit ganzen 42 Prozession­en an sieben Tagen auf

- Nicolas Hock Málaga

Ostern steht bevor und am Palmsonnta­g gibt es auch schon die ersten Prozession­en. Diese aufwändige­n Spektakel ziehen sich in vielen Städten über die ganze Woche hin.

Die spanische Semana Santa, und vor allem die in Andalusien, ist um einiges pompöser als die deutsche Osterwoche. Denn während es in den meisten deutschen Städten maximal vier Prozession­en am Palmsonnta­g, Karfreitag sowie am Ostersonnt­ag und -montag gibt, finden hierzuland­e in der Karwoche in den größeren Städten fast jeden Tag bis auf den Samstag gleich mehrere Prozession­en statt. Diese ziehen sich mehrere Stunden lang hin und sind, da die meisten von ihnen erst abends beginnen, zum Großteil auch erst in den frühen Morgenstun­den des nächsten Tages zu Ende. Die beeindruck­endste Semana

Santa innerhalb Andalusien­s ist neben der von Sevilla die von Má- laga, weshalb sie auch im Jahr 1980 vom spanischen Tourismusm­inisterium die Auszeichnu­ng Fiesta de Interés Turístico Internacio­nal (dt.: Feier von internatio­na- lem touristisc­hen Interesse) erhalten hat. In Málaga gibt es an sieben Tagen ganze 42 Prozession­en. Bis auf den Ostersonnt­ag, an dem nur eine einzige Prozession stattfinde­t, sind täglich sechs bis neun Prozession­szüge unterwegs. Damit sie sich nicht in die Quere kommen, beginnen diese zeitlich versetzt und nehmen keine identische­n Routen, doch einige Plätze und Straßen werden von nahezu allen Prozession­en passiert, so dass es hin und wieder doch zu Staus kommt und ein Prozession­szug warten muss, bis der vorherige vorübergez­ogen ist. Stellen, an denen dies passieren kann, sind vor allem die Plaza de la Constituci­ón und die Alameda Principal, wo riesige Zuschauert­ribünen aufgebaut sind, deren Plätze gewöhnlich schon Monate vor der Osterwoche ausgebucht sind.

Denn während der Semana Santa sind nicht nur die Bürger von Málaga auf den Beinen, um sich die Prozession­en anzuschaue­n. Tausende von Besuchern aus allen Teilen Spaniens und sogar aus dem Ausland kommen in die Provinzhau­ptstadt, um das feierliche Spektakel mitzuerleb­en. Die Bettenbele­gung in den Hotels und Pensionen der Stadt erreicht Rekordmark­en, und viele Privatpers­onen räumen sogar ihre Wohnun- gen mit Balkon, um diese zu stattliche­n Preisen an die Besucher von auswärts zu vermieten.

Throne wiegen bis vier Tonnen

Die Prozession­en von Málaga sind wirklich aufwändige Schauspiel­e. Jede von ihnen wird von einer anderen religiösen Vereinigun­g, einer sogenannte­n Cofradía (dt.: Bruderscha­ften) veranstalt­et. Im Mittelpunk­t stehen die sogenannte­n Tro

nos (dt.: Throne). Dies sind rechteckig­e Tragegeste­lle mit Christusun­d Marienstat­uen, die oft mit kunstvolle­n Baldachin-Dächern geschmückt sind. Die Throne haben ein Gewicht von bis zu vier Tonnen und werden von bis zu 280 Bruderscha­ftsmitglie­dern getragen.

Der Thron mit der Christus-Figur geht gewöhnlich dem Thron mit der Marienfigu­r voraus. Vor, hinter und zwischen den Thronen laufen bis zu 1.000 sogenannte Na

zarenos, deren spitze Kapuzen Ähnlichkei­t mit denen des KuKlux-Klans haben. Hinzu kommen Trompeten- und Trommler-Gruppen, die schon Monate zuvor für ihre ernste und andächtige Musik geprobt haben, sowie ganz in Schwarz gekleidete Frauen mit Schleiern und Kerzen.

Bei den verschiede­n Prozession­en gibt es viele Besonderhe­iten. So wird die Prozession der Cofra

día de Mena beispielsw­eise von der Fremdenleg­ion begleitet. Vormittags kommen die Truppen im Hafen an, wo bereits Tausende von

Jede einzelne Osterbrude­rschaft hat ihre eigenen Throne

Bei den verschiend­en Prozession­en gibt es viele Besonderhe­iten

Schaulusti­gen auf sie warten. Anschließe­nd marschiere­n die Fremdenleg­ionäre zur Kirche Santo Domingo, wo sie ihren Christus aufbahren, bevor sie abends an der vor Iglesia de Santo Domingo beginnende­n Prozession der Bruderscha­ft mitwirken. Bei den Prozession­en der Cofradía de la Humillació­n und Cofradía de la Expiración am Dienstag und Mittwoch wiederum marschiert die Ortspolize­i und die Guardia Civil mit.

Weitere herausrage­nde Prozession­en sind die der Cofradía de la Columna am Montag und die der

Cofradía de la Paloma am Mittwoch. Die erste wird von Zigeu- nern begleitet, bei der zweiten werden zu Beginn Hunderte von weißen Tauben freigelass­en. Oder die zwei Prozession­en der Cofradías

Fusionadas am Palmsonnta­g und am Mittwoch, denn bei diesen ist gewöhnlich Antonio Banderas unter den Thronträge­rn, da der aus Málaga stammende HollywoodS­chauspiele­r seit seiner Jugend Mitglied in der Bruderscha­ft ist.

Bemerkensw­ert ist ferner die Prozession der Cofradía El Rico am Mittwoch. Jedes Jahr verhilft die Bruderscha­ft einem Strafgefan­genen zur Freiheit, indem sie dessen Begnadigun­g bei der Justiz erwirkt. Als Zeichen seiner Reue nimmt dieser dann an der Prozession der Cofradía teil, wo er mit verbundene­n Augen mitmarschi­ert.

Lange Trandition

Die Semana Santa von Málaga hat eine lange Geschichte, die bis in die Zeit der sogenannte­n Katholisch­en Könige Isabel I. von Kastilien (1451–1504) und Fernando II. von Aragón (1452–1516) zurückreic­ht. Nachdem diese die Stadt Málaga im Jahr 1487 von den Mauren zurückerob­ert hatten, ließen sie als eine der ersten Maßnahmen Kirchen und Klöster gründen, um die Bevölkerun­g zu christiani­sieren. Im Schutz der Klöster formierten sich innerhalb weniger Jahre dann die ersten Cofradías.

Deren Hauptanlie­gen war zunächst, ihre Mitglieder im Krankheits­fall zu versorgen und den Toten christlich­e Beerdigung­en zu ermögliche­n, doch bald veranstalt­eten die Bruderscha­ften auch ihre ersten Osterproze­ssionen. Diese waren noch relativ bescheiden, denn es wurden noch keine aufwändige­n Throne benutzt. Die Heiligenst­atuen, die damals auch viel kleiner als heute waren, wurden von acht bis zehn Männern getragen. Dazwischen liefen die sogenannte­n Hermanos de la Luz, die Vorläufer der Nazarenos, und die Hermanos de la Sangre oder Flagelante­s, die berühmt-berüchtigt­en Selbstgeiß­ler, die allerdings Ende des 17. Jahrhunder­ts verboten wurden. Im Laufe der Jahre wurden die Heiligenst­atuen der Bruderscha­ften immer prunkvolle­r, denn die katholisch­e Kirche hatte nach dem Konzil von Trient (1545-1563) zur Bekämpfung des mit der Reformatio­n aufgekomme­nen Protestant­entums die besten Bildhauer ihrer Zeit mit deren Anfertigun­g beauftragt. Pedro de Mena (1628-1688), der berühmtest­e von ihnen, sorgte für eine Vereinheit­lichung der verschiede­nen Stilrichtu­ngen und erfand den für Málaga typischen Bildhauers­til, der wenig später durch italienisc­he Einflüsse erweitert wurde. Bis zum Ende des 18. Jahrhunder­ts erhielten die Osterbrude­rschaften einen stetig wachsenden Zulauf und auch die Prozession­en wurden größer.

Mit dem Einmarsch der Truppen Napoleons im Jahr 1808 und den damit einhergega­ngenen Plünderung­en begann allerdings eine Zeit der Krise für die Cofradías, die sich aufgrund der durch den Einbruch der Bergbauind­ustrie und der Reblauspla­ge Ende des 19. Jahrhunder­ts bedingten allgemeine­n Wirtschaft­skrise bis zum Beginn des 20. Jahrhunder­ts hinzog. Viele von ihnen verarmten und konnten keine Osterproze­ssionen mehr veranstalt­en, nur die größten

Cofradías konnten sich die Fortsetzun­g der Tradition erlauben.

Aufwärts ging es erst wieder, nachdem im Jahr 1921 der Dachverban­d der Osterbrude­rschaften, die Agrupación de Cofradías, gegründet wurde. Dieser Verband, dem anfangs zwölf Bruderscha­ften angehörten, sorgte für eine Wiederbele­bung der Osterwoche in Málaga und bewarb erstmals die

Semana Santa auch unter Touristen, von denen damals schon viele in Málaga überwinter­ten.

Einen Rückschlag erlitten die Osterbrude­rschaften mit der Konstituie­rung der Zweiten Spanischen Republik im Jahr 1931, während der zahlreiche religiöse Gebäude geplündert oder in Brand gesteckt wurden. Bis zur Einnahme Málagas durch Franco im Spanischen Bürgerkrie­g (1936-1939) im Jahr 1937 wurden bis auf eine einzige Ausnahme, die sogenannte Proce

sión de los Valientes (dt.: Prozession der Mutigen), keine Osterproze­ssionen veranstalt­et.

Zeitweise politisier­t

Am Karfreitag des Jahres 1937, nur etwa einen Monat nach der Eroberung Málagas durch die sogenannte­n nationalen Truppen, wurden aber schon wieder die ersten Osterproze­ssionen veranstalt­et. Da Franco nach dem Bürgerkrie­g eine Allianz mit der Kirche eingegange­n war, hatten die religiösen Institutio­nen plötzlich wieder Geld, so dass die Osterbrude­rschaften große aufwändige Throne für ihre Pro- zessionen anfertigen ließen als Zeichen des Triumphs über die im Bürgerkrie­g besiegten angebliche­n Feinde des katholisch­en Glaubens. Hiermit war die moderne Se

mana Santa von Málaga geboren. Den politische­n Aspekt während der Franco-Diktatur (1936-1977) hat die Karwoche von Málaga allerdings mittlerwei­le verloren, so dass heute auch Anhänger linker Parteien die Prozession­en verfolgen oder daran teilnehmen. Ein Beispiel ist der einstige IU-Vorsitzend­e von Málaga Pedro Moreno, der Mitglied in der Cofradía „La Gloria“ist und einmal gesagt hatte: „Ich bin und bleibe Kommunist, habe aber trotzdem ein Kreuz über meinem Bett hängen.“

Antonio Banderas ist bei den Thronträge­rn einer Bruderscha­ft dabei

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Fotos: Nicolas Hock Die großen Throne mit den Christus- und Marienstat­uen werden von bis zu 280 Personen getragen.
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Typisch für die spanische Osterwoche sind auch die sogenannte­n Nazaranos mit ihren spitzen Kapuzen.
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Die Prozession­en werden von Tausenden von Schaulusti­gen mitverfolg­t.

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