Ostern steht bevor
Die Semana Santa von Málaga ist einzigartig und wartet mit ganzen 42 Prozessionen an sieben Tagen auf
Ostern steht bevor und am Palmsonntag gibt es auch schon die ersten Prozessionen. Diese aufwändigen Spektakel ziehen sich in vielen Städten über die ganze Woche hin.
Die spanische Semana Santa, und vor allem die in Andalusien, ist um einiges pompöser als die deutsche Osterwoche. Denn während es in den meisten deutschen Städten maximal vier Prozessionen am Palmsonntag, Karfreitag sowie am Ostersonntag und -montag gibt, finden hierzulande in der Karwoche in den größeren Städten fast jeden Tag bis auf den Samstag gleich mehrere Prozessionen statt. Diese ziehen sich mehrere Stunden lang hin und sind, da die meisten von ihnen erst abends beginnen, zum Großteil auch erst in den frühen Morgenstunden des nächsten Tages zu Ende. Die beeindruckendste Semana
Santa innerhalb Andalusiens ist neben der von Sevilla die von Má- laga, weshalb sie auch im Jahr 1980 vom spanischen Tourismusministerium die Auszeichnung Fiesta de Interés Turístico Internacional (dt.: Feier von internationa- lem touristischen Interesse) erhalten hat. In Málaga gibt es an sieben Tagen ganze 42 Prozessionen. Bis auf den Ostersonntag, an dem nur eine einzige Prozession stattfindet, sind täglich sechs bis neun Prozessionszüge unterwegs. Damit sie sich nicht in die Quere kommen, beginnen diese zeitlich versetzt und nehmen keine identischen Routen, doch einige Plätze und Straßen werden von nahezu allen Prozessionen passiert, so dass es hin und wieder doch zu Staus kommt und ein Prozessionszug warten muss, bis der vorherige vorübergezogen ist. Stellen, an denen dies passieren kann, sind vor allem die Plaza de la Constitución und die Alameda Principal, wo riesige Zuschauertribünen aufgebaut sind, deren Plätze gewöhnlich schon Monate vor der Osterwoche ausgebucht sind.
Denn während der Semana Santa sind nicht nur die Bürger von Málaga auf den Beinen, um sich die Prozessionen anzuschauen. Tausende von Besuchern aus allen Teilen Spaniens und sogar aus dem Ausland kommen in die Provinzhauptstadt, um das feierliche Spektakel mitzuerleben. Die Bettenbelegung in den Hotels und Pensionen der Stadt erreicht Rekordmarken, und viele Privatpersonen räumen sogar ihre Wohnun- gen mit Balkon, um diese zu stattlichen Preisen an die Besucher von auswärts zu vermieten.
Throne wiegen bis vier Tonnen
Die Prozessionen von Málaga sind wirklich aufwändige Schauspiele. Jede von ihnen wird von einer anderen religiösen Vereinigung, einer sogenannten Cofradía (dt.: Bruderschaften) veranstaltet. Im Mittelpunkt stehen die sogenannten Tro
nos (dt.: Throne). Dies sind rechteckige Tragegestelle mit Christusund Marienstatuen, die oft mit kunstvollen Baldachin-Dächern geschmückt sind. Die Throne haben ein Gewicht von bis zu vier Tonnen und werden von bis zu 280 Bruderschaftsmitgliedern getragen.
Der Thron mit der Christus-Figur geht gewöhnlich dem Thron mit der Marienfigur voraus. Vor, hinter und zwischen den Thronen laufen bis zu 1.000 sogenannte Na
zarenos, deren spitze Kapuzen Ähnlichkeit mit denen des KuKlux-Klans haben. Hinzu kommen Trompeten- und Trommler-Gruppen, die schon Monate zuvor für ihre ernste und andächtige Musik geprobt haben, sowie ganz in Schwarz gekleidete Frauen mit Schleiern und Kerzen.
Bei den verschieden Prozessionen gibt es viele Besonderheiten. So wird die Prozession der Cofra
día de Mena beispielsweise von der Fremdenlegion begleitet. Vormittags kommen die Truppen im Hafen an, wo bereits Tausende von
Jede einzelne Osterbruderschaft hat ihre eigenen Throne
Bei den verschienden Prozessionen gibt es viele Besonderheiten
Schaulustigen auf sie warten. Anschließend marschieren die Fremdenlegionäre zur Kirche Santo Domingo, wo sie ihren Christus aufbahren, bevor sie abends an der vor Iglesia de Santo Domingo beginnenden Prozession der Bruderschaft mitwirken. Bei den Prozessionen der Cofradía de la Humillación und Cofradía de la Expiración am Dienstag und Mittwoch wiederum marschiert die Ortspolizei und die Guardia Civil mit.
Weitere herausragende Prozessionen sind die der Cofradía de la Columna am Montag und die der
Cofradía de la Paloma am Mittwoch. Die erste wird von Zigeu- nern begleitet, bei der zweiten werden zu Beginn Hunderte von weißen Tauben freigelassen. Oder die zwei Prozessionen der Cofradías
Fusionadas am Palmsonntag und am Mittwoch, denn bei diesen ist gewöhnlich Antonio Banderas unter den Thronträgern, da der aus Málaga stammende HollywoodSchauspieler seit seiner Jugend Mitglied in der Bruderschaft ist.
Bemerkenswert ist ferner die Prozession der Cofradía El Rico am Mittwoch. Jedes Jahr verhilft die Bruderschaft einem Strafgefangenen zur Freiheit, indem sie dessen Begnadigung bei der Justiz erwirkt. Als Zeichen seiner Reue nimmt dieser dann an der Prozession der Cofradía teil, wo er mit verbundenen Augen mitmarschiert.
Lange Trandition
Die Semana Santa von Málaga hat eine lange Geschichte, die bis in die Zeit der sogenannten Katholischen Könige Isabel I. von Kastilien (1451–1504) und Fernando II. von Aragón (1452–1516) zurückreicht. Nachdem diese die Stadt Málaga im Jahr 1487 von den Mauren zurückerobert hatten, ließen sie als eine der ersten Maßnahmen Kirchen und Klöster gründen, um die Bevölkerung zu christianisieren. Im Schutz der Klöster formierten sich innerhalb weniger Jahre dann die ersten Cofradías.
Deren Hauptanliegen war zunächst, ihre Mitglieder im Krankheitsfall zu versorgen und den Toten christliche Beerdigungen zu ermöglichen, doch bald veranstalteten die Bruderschaften auch ihre ersten Osterprozessionen. Diese waren noch relativ bescheiden, denn es wurden noch keine aufwändigen Throne benutzt. Die Heiligenstatuen, die damals auch viel kleiner als heute waren, wurden von acht bis zehn Männern getragen. Dazwischen liefen die sogenannten Hermanos de la Luz, die Vorläufer der Nazarenos, und die Hermanos de la Sangre oder Flagelantes, die berühmt-berüchtigten Selbstgeißler, die allerdings Ende des 17. Jahrhunderts verboten wurden. Im Laufe der Jahre wurden die Heiligenstatuen der Bruderschaften immer prunkvoller, denn die katholische Kirche hatte nach dem Konzil von Trient (1545-1563) zur Bekämpfung des mit der Reformation aufgekommenen Protestantentums die besten Bildhauer ihrer Zeit mit deren Anfertigung beauftragt. Pedro de Mena (1628-1688), der berühmteste von ihnen, sorgte für eine Vereinheitlichung der verschiedenen Stilrichtungen und erfand den für Málaga typischen Bildhauerstil, der wenig später durch italienische Einflüsse erweitert wurde. Bis zum Ende des 18. Jahrhunderts erhielten die Osterbruderschaften einen stetig wachsenden Zulauf und auch die Prozessionen wurden größer.
Mit dem Einmarsch der Truppen Napoleons im Jahr 1808 und den damit einhergegangenen Plünderungen begann allerdings eine Zeit der Krise für die Cofradías, die sich aufgrund der durch den Einbruch der Bergbauindustrie und der Reblausplage Ende des 19. Jahrhunderts bedingten allgemeinen Wirtschaftskrise bis zum Beginn des 20. Jahrhunderts hinzog. Viele von ihnen verarmten und konnten keine Osterprozessionen mehr veranstalten, nur die größten
Cofradías konnten sich die Fortsetzung der Tradition erlauben.
Aufwärts ging es erst wieder, nachdem im Jahr 1921 der Dachverband der Osterbruderschaften, die Agrupación de Cofradías, gegründet wurde. Dieser Verband, dem anfangs zwölf Bruderschaften angehörten, sorgte für eine Wiederbelebung der Osterwoche in Málaga und bewarb erstmals die
Semana Santa auch unter Touristen, von denen damals schon viele in Málaga überwinterten.
Einen Rückschlag erlitten die Osterbruderschaften mit der Konstituierung der Zweiten Spanischen Republik im Jahr 1931, während der zahlreiche religiöse Gebäude geplündert oder in Brand gesteckt wurden. Bis zur Einnahme Málagas durch Franco im Spanischen Bürgerkrieg (1936-1939) im Jahr 1937 wurden bis auf eine einzige Ausnahme, die sogenannte Proce
sión de los Valientes (dt.: Prozession der Mutigen), keine Osterprozessionen veranstaltet.
Zeitweise politisiert
Am Karfreitag des Jahres 1937, nur etwa einen Monat nach der Eroberung Málagas durch die sogenannten nationalen Truppen, wurden aber schon wieder die ersten Osterprozessionen veranstaltet. Da Franco nach dem Bürgerkrieg eine Allianz mit der Kirche eingegangen war, hatten die religiösen Institutionen plötzlich wieder Geld, so dass die Osterbruderschaften große aufwändige Throne für ihre Pro- zessionen anfertigen ließen als Zeichen des Triumphs über die im Bürgerkrieg besiegten angeblichen Feinde des katholischen Glaubens. Hiermit war die moderne Se
mana Santa von Málaga geboren. Den politischen Aspekt während der Franco-Diktatur (1936-1977) hat die Karwoche von Málaga allerdings mittlerweile verloren, so dass heute auch Anhänger linker Parteien die Prozessionen verfolgen oder daran teilnehmen. Ein Beispiel ist der einstige IU-Vorsitzende von Málaga Pedro Moreno, der Mitglied in der Cofradía „La Gloria“ist und einmal gesagt hatte: „Ich bin und bleibe Kommunist, habe aber trotzdem ein Kreuz über meinem Bett hängen.“
Antonio Banderas ist bei den Thronträgern einer Bruderschaft dabei