Stinkende Strände
Residenten sind darüber entsetzt, dass die Strände Nerjas bis jetzt nicht geschlossen wurden
Wegen eines Rohrbruchs werden an Nerjas Stränden seit Wochen Fäkalien angespült
Nerja – mit. Was hat sich in den letzten Tagen nicht alles getan in Nerja. Da wurden für über 68.500 Euro Reinigungsfahrzeuge angeschafft, die die Straßen künftig von herumliegenden Müll und Rebschnitten befreien sollen. Zusätzlich hat man an wichtigen Knotenpunkten in der Stadt Mülleimer aufgestellt und Nerja als „Zona de gran afluencia turistica“(dt.: ein Bereich von großem touristischen Interesse) bezeichnet. Und in der Tat ist Nerja ein wirklich schönes Fleckchen Erde, wenn da nicht dieser strenge Geruch und das „azul-braune“Wasser wäre.
„Ich habe mir vor zirka zwei Wochen ein Paddel-Surfboard geliehen und wollte damit vom Burriana-Strand nach Maro paddeln“, sagt Dorothea Senger. Die ausgebildete Bühnenbildnerin kommt jedes Jahr für zwei Monate nach Nerja, um sich zu entspannen und die Akkus wieder aufzuladen. „Wenn ich draußen auf dem Meer bin, kann ich die Ruhe genießen, den Fischschwärmen zusehen und mir neue Inspirationen für meine Arbeit holen“, schwärmt die Düsseldorferin. „Doch bei meinem letzten Wasser-Ausflug traf mich fast der Schlag. Je weiter ich mich vom Strand entfernte, desto brauner wurde das Wasser. Die Fische waren nicht mehr zu sehen. Dafür kamen mir Plastiktüten, Müll und übelriechende Kotreste entgegen.“
Leck entdeckt
Vor zwei Wochen entdeckte ein Anwohner Nerjas während einer Bootstour 300 Meter vom Burriana-Strand entfernt eine sprudelnde Quelle mitten im Wasser. Doch aus dieser Quelle strömte kein Gas aus dem Erdinneren, was man vielleicht in einer aktiven Erdbebenzone erwarten würde, sondern ungefilterte Fäkalien. Der Mann nahm sein Mobiltelefon aus der Tasche, filmte die braune Quelle und stellte das Videomaterial anschließend auf Youtube.
Bereits am Folgetag bezog Nerjas Infrastrukturstadtrat José María Rivas (PSOE) Stellung zu diesem Vorfall und erklärte, dass es sich ersten Untersuchungen nach um ein 20 mal 20 Zentimeter großes Loch in einem vier Meter unter der Wasseroberfläche liegenden Abwasserrohr handelt.
Bei diesem Rohr handele es sich um eine Installation aus dem Jahr 1970, die seit fast 50 Jahren tadellos funktioniert und keinerlei Probleme verursacht habe, wird der Stadtrat auf der GemeindeWebseite unter <www.nerja.es> zitiert. Julia Bengler, die mit ihrer Familie einen zweiwöchigen Kurzurlaub in Nerja macht, kann darüber nur den Kopf schütteln.
„Dass man überrascht ist, dass ein Metallrohr bei derart krassen Bedingungen wie Salz und Strömungen nach 50 Jahren plötzlich leckt, kann ich nicht verstehen. Die Gemeinde hätte dieses Rohr bereits vor 20 Jahren untersuchen lassen müssen. Dann wären erste große Verschleißerscheinungen mit Sicherheit schon aufgefallen“, erklärt die Kölnerin.
Dieser Aussage stimmt auch Dorothea Senger zu. „Ich bin einfach nur entsetzt, wie man so verantwortungslos sein kann und die Menschen ins Wasser gehen lässt, obwohl die Fäkalien nur wenige hundert Meter entfernt weiterhin ungefiltert ins Wasser laufen“, sagt die Bühnenbildnerin.
Weiteres Loch entdeckt
Infrastrukturstadtrat Rivas hatte indes angekündigt, dass sich die dafür zuständige Firma Aguas de Narixa S.A. bereits um die Reperatur dieses Lecks kümmere. Allerdings ist diese Aussage schon zwei Wochen her. Aktuelle Informationen zu diesem Vorfall von Seiten der Gemeindeverwaltung sickern nur sehr langsam oder überhaupt nicht durch.
Dafür haben spanische Medien vor ein paar Tagen darüber berichtet, dass neben dem bereits bekannten Leck ein weiterer Schaden am selben Rohr knapp 100 Meter weiter entdeckt worden sei. Dieses jedoch sei in seiner Dimension noch größer als das bisher entdeckte Loch. José María Rivas erklärte, dass sich bereits das andalusische Küsten- und Gesundheitsministerium eingeschaltet habe und die Wasserqualität nun untersuche. Die Gemeindeverwaltung Nerja habe bis jetzt noch keine Resultate vorliegen. Deshalb habe man auch die Strände bisher noch nicht gesperrt.
Klärwerk muss her
Die Langzeit-Urlauber, die regelmäßig an den Strandpromenaden von Nerja spazieren gehen, sind sich einig. Das Problem liege an der nicht funktionierenden Kläranlage, sagte Britta Maurer stellvertretend für eine fünfköpfige deutsche in einem Restaurant neben dem Balcón de Europa sitzende Gruppe. Die deutsche Auswanderin verfolgt die Geschichte rund um das Klärwerk schon seit langer Zeit. „Jahrelang steht die Anlage bereits unbenutzt herum“, schimpft die Mannheimerin. „Nichts passiert. Stattdessen werden die Abwässer nur grob gefiltert und anschließend weit draußen ins Meer geleitet.“
Herbert Pfauling ergänzt die Aussage von Britta Maurer. „Die braunen Schlieren reichen manchmal sogar bis an den beliebten Ferrara-Strand in Torrox Costa. Da überlegen meine Frau und ich uns sehr gut, ob wir hier noch einmal herkommen“, so der Leipziger.
Anfang vergangenen Jahres wurde bekannt, dass die Kläranlage aufgrund diverser Baumängel nicht ans Netz gehen kann. Die Abwasserrohre seien zu klein und das verwendete Baumaterial minderwertig, hieß es in einer öffentlichen Stellungnahme der Gemeinderegierung. Damit ist Nerja eine von insgesamt 17 Städten in Spanien, die keine funktionierende Kläranlage haben. Dafür forderte der europäische Gerichtshof Ende vergangenen Jahres 46,5 Millionen Euro Strafe sowie eine tägliche Geldbuße von 171.000 Euro.
50-Jahre altes Abwasserrohr wurde noch nie restauriert
Die Folgen für Nerja
„Wenn das die Runde macht, dass Nerja kein Klärwerk besitzt und seine Fäkalien ins Meer leitet, könnte es mit dem angepriesenen Tourismusboom für die Gemeinde schnell vorbei sein“, sagt Thomas Dorfler. Er wohnt halbjährig in Nerja und erkannte vor allem in den letzten Wochen einen Rückgang der Badegäste. „Nächste Woche beginnt die Semana Santa. Da startet im Grunde die Tourismussaison. Schmutzige Strände könnten dann einen immensen Imageschaden für Nerja verursachen.“