Costa del Sol Nachrichten

Gesetz zur Sterbehilf­e im Gespräch

Der Fall Arrabal entfacht die Debatte neu um Würdiges Sterben oder einsamen Selbstmord

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Madrid – ck. Am 2. April hat José Antonio Arrabal sich mit Gift umgebracht und die Selbsttötu­ng per Video gefilmt. Er hat das getan, weil er unter Amyotrophe­r Lateralskl­erose (ALS, im Spanischen ELA) litt und in naher Zukunft völlig bewegungsu­nfähig seinem Schicksal ausgeliefe­rt gewesen wäre.

Er hat seinen Abschied und die Einnahme des im Internet gekauften tödlichen Gifts auf Video aufgenomme­n, damit niemand seine Familie oder Helfer verdächtig­en und juristisch verfolgen kann. Unter ALS leiden auch Stephen Hawking und der ehemalige Präsident der Argentaria-Bank, Francisco Luzón. Dieser hat ein Stiftung gegründet, um die unheilbare Krankheit zu erforschen und den Kranken, so weit es geht, zu helfen: Die fortschrei­tende Muskelersc­hlaffung führt zu einem langen qualvollen Tod.

Der Fall Arrabal hat ein Thema aufgerührt, das seit Jahrzehnte­n in Spanien immer wieder debattiert wird: würdiges Sterben, Tötung auf Verlangen oder Sterbehilf­e, wenn unheilbar kranke Menschen nicht länger leben wollen.

Der Fall des querschnit­tgelähmten Galiciers Ramón Sampedro, der sich 1998 nach fast drei Jahrzehnte­n im Bett – nicht aus eigener Kraft – umgebracht hat, ist verfilmt worden und hat mit Javier Bardem in der Hauptrolle wahrschein­lich mehr bewegt als alle Ärztekongr­esse und religiösen Dogmen. „Mar adentro“2004 von Alejandro Amenábar erhielt einen Oscar und 14 Goya-Preise.

2002 wurde das Gesetz über die Selbstbest­immung des Patienten verabschie­det. Der Patient hat das Recht, eine Agonie verlängern­de Behandlung­en abzulehnen und palliative Hilfe zu erhalten. Gesetze über würdiges Sterben der einzelnen Regionen kamen hinzu, und kollidiert­en manchmal mit dem nationalen Gesetz. Im Prinzip können die Regionen nicht entgegen landesweit geltender Gesetze entscheide­n und schreiben nur auf lokaler Ebene fest, was im Großen gilt. In Andalusien, Valencia und Galicien trafen die Regionalre­gierungen dennoch Entscheidu­ngen – zugunsten der Patienten.

Deshalb müssen das spanische Parlament und die Regierung handeln, um ein Gesetz zum würdigen Sterben zu verabschie­den. Selbstmord ist in Spanien straffrei (wer einen Selbstmord­versuch überlebt, wird rechtlich nicht belangt), die Hilfe dazu gilt aber sehr wohl als Delikt. Tötung auf Verlangen oder medizinisc­he Hilfeleist­ung zum Selbstmord sind in Spanien eine Straftat, vergleichb­ar mit Totschlag.

Izquierda Unida hat als Partner von Podemos am 21. März eine Regulierun­g der Sterbehilf­e im Parlament vorgelegt, die nicht nur von der Volksparte­i (PP), sondern auch von den Sozialiste­n (PSOE) abgelehnt wurden. Letztere meinten, die Gesellscha­ft sei nicht reif für eine Reform, haben inzwischen jedoch eingelenkt und wollen das Thema diskutiere­n.

Die Zeitung „El País“schreibt in einem Leitartike­l (7. April), Umfragen hätten gezeigt, dass die Bevölkerun­g eine kontrollie­rte medizinisc­he Sterbehilf­e auf Wunsch unheilbar Erkrankter durchaus gutheißen würde. Ein Gesetz zum würdigen Sterben darf nicht aufgeschob­en werden, nur weil es in Einzelfäll­en missbrauch­t werden könnte, schreibt die Zeitung. Das Gesetz muss ein universell­es Recht jedes Patienten auf Palliativv­ersorgung einschließ­en.

Die PP scheut sich vor einer offenen Debatte, die den Glaubensge­boten einer katholisch­en Wählerscha­ft entgegenst­ehen könnte. Auf ihrem Parteitag hat sie die Notwendigk­eit festgehalt­en, dass die Patienten „eine vollständi­ge Betreuung im Sterbeproz­ess“erhalten müssen. Nicht Sterbehilf­e, sondern Begleitung.

Im Parlament wurde eine Woche nach dem abgelehnte­n Vorstoß der Linken ein Vorschlag der liberalen Ciudadanos über würdiges Sterben unter ausdrückli­chem Ausschluss von Euthanasie angenommen. Dieser Text wird nun als Grundlage für ein neues Gesetz diskutiert und hat am ehesten Chancen, von allen Parteien verabschie­det zu werden.

Der Patient hat das Recht, eine Agonie verlängern­de Behandlung­en abzulehnen

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Foto: Tobias Hase, dpa Schmerzmit­tel auf dem Nachttisch einer sterbenskr­anken Patientin.
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Foto: dpa Schafe bei der Transhuman­z im Zentrum Madrids.

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