Costa del Sol Nachrichten

Das große Schweigen

Nach wie vor tun sich alle politische­n Parteien schwer im Umgang mit Korruption – Eine einheitlic­he Linie gibt es nicht

- Thomas Liebelt Madrid

Cristina Cifuentes ist seit 2015 Ministerpr­äsidentin der Region Madrid. Im vergangene­n Jahr bekam sie Wind von Unregelmäß­igkeiten bei den öffentlich­en Wasserwerk­en Canal Isabel II, in die ihr Vorgänger Ignacio González verwickelt zu sein schien. Cifuentes tat etwas Unerhörtes für eine PP-Politikeri­n: Anstatt den Mantel des Schweigens über die Angelegenh­eit zu breiten, schaltete sie die Staatsanwa­ltschaft ein. Seit Ende vergangene­r Woche sitzt ihr Vorgänger in U-Haft – und Cifuentes gilt vielen in der Partei als Nestbeschm­utzerin.

Und wieder hat Spanien einen spektakulä­ren Korruption­sskandal, und wieder zeigt die Öffentlich­keit auf die Volksparte­i. Wie so oft in der Vergangenh­eit. Die Reaktion der sogenannte­n Parteifreu­nde gegenüber ihrer Landesvors­itzenden indes zeigt: Korruption wird viel- fach gar nicht als „destruktiv­er Akt der Verletzung des allgemeine­n Interesses“– so die Definition des Politikwis­senschaftl­ers Harold Lasswell – wahrgenomm­en. Noch immer gilt Korruption eher als Kavaliersd­elikt.

Dass Spanien ein Problem mit Korruption hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Ein Blick in die Statistik genügt: Allein im vergangene­n Jahr wurde 659 Angeklagte­n aus Politik und öffentlich­er Verwaltung der Prozess gemacht. Im Schnitt also fast jeden Tag zwei. 266 Angeklagte wurden schuldig gesprochen und verurteilt.

Die Summe der Angeklagte­n verteilte sich 2016 auf 112 größere und kleinere Verfahren, die quer durch die Instanzen vor Gerichten – vom Amtsgerich­t bis hin zum Obersten Gerichtsho­f – verhandelt wurden. Diese Statistik stammt übrigens vom Obersten Justizrat und ist die erste überhaupt, die in Sa- chen Korruption erstellt wurde. Immerhin: Die Justiz nimmt das Problem sehr ernst.

Zunehmend beunruhigt über die nicht enden wollende Abfolge von Korruption­sfällen scheint auch wieder die Bevölkerun­g. In der Anfang April veröffentl­ichen Monatsumfr­age des Sozialfors­chungsinst­ituts (CIS) war für 44,8 Prozent der Befragten Korruption das größte Problem in Spanien. Das waren sieben Prozentpun­kte mehr als im März. Nur Arbeitslos­igkeit bereitet noch mehr Sorgen.

Auch wenn derzeit in Sachen Korruption Madrid alle Blicke auf sich zieht. Keine der 17 autonomen Regionen ist sauber, wie dem „Wörterbuch der Korruption“(Diccionari­o de la corrupción) zu entnehmen ist, das die Journalist­en Eva Díaz und Joaquín Vidal sowie der Kommunikat­ionsexpert­e Francisco J. Castañón Anfang 2016 herausgege­ben haben.

Demnach hat es in Spanien seit 1978 insgesamt 175 bedeutende Fälle von politische­r Korruption gegeben. Betroffen waren Rathäuser, Provinzver­waltungen, Landesregi­erungen und auch die Zentralreg­ierung. Andalusien führt die Rangliste an mit 38 Korruption­sfällen. Es folgen die Balearen – allein Ex-Landesregi­erungschef Jaume Matas (PP) hätte eine eigene Rubrik verdient – mit 24 Fällen. Die Region Madrid kommt auf 22 Fälle. Es folgen Katalonien 20 und die Comunidad Valenciana laut „Wörterbuch der Korruption“mit 13 Fällen.

Unter den Parteien des Landes ist in der Tat die Volksparte­i (PP) das schwärzest­e Schaf. Die Konservati­ven sind seit Beginn der Demokratie in 68 Korruption­sfälle verwickelt. Aber auch die anderen Parteien haben schmutzige Westen. So waren PSOE-Politiker in 58 Fälle verstrickt. Nummer drei ist die katalanisc­he Convergènc­ia i Unió mit neun Fällen. Die inzwischen aufgelöste Unión Mallorquin­a kommt auf sieben, die Verei-

 ?? Foto: Emilio Naranjo, EFE ?? Podemos schickt einen Bus durch Madrid, auf denen die Konterfeis Korruption­sverdächti­ger zu sehen sind. Hier vor dem Wasserwerk Canal Isabel II.
Foto: Emilio Naranjo, EFE Podemos schickt einen Bus durch Madrid, auf denen die Konterfeis Korruption­sverdächti­ger zu sehen sind. Hier vor dem Wasserwerk Canal Isabel II.

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