Das große Schweigen
Nach wie vor tun sich alle politischen Parteien schwer im Umgang mit Korruption – Eine einheitliche Linie gibt es nicht
Cristina Cifuentes ist seit 2015 Ministerpräsidentin der Region Madrid. Im vergangenen Jahr bekam sie Wind von Unregelmäßigkeiten bei den öffentlichen Wasserwerken Canal Isabel II, in die ihr Vorgänger Ignacio González verwickelt zu sein schien. Cifuentes tat etwas Unerhörtes für eine PP-Politikerin: Anstatt den Mantel des Schweigens über die Angelegenheit zu breiten, schaltete sie die Staatsanwaltschaft ein. Seit Ende vergangener Woche sitzt ihr Vorgänger in U-Haft – und Cifuentes gilt vielen in der Partei als Nestbeschmutzerin.
Und wieder hat Spanien einen spektakulären Korruptionsskandal, und wieder zeigt die Öffentlichkeit auf die Volkspartei. Wie so oft in der Vergangenheit. Die Reaktion der sogenannten Parteifreunde gegenüber ihrer Landesvorsitzenden indes zeigt: Korruption wird viel- fach gar nicht als „destruktiver Akt der Verletzung des allgemeinen Interesses“– so die Definition des Politikwissenschaftlers Harold Lasswell – wahrgenommen. Noch immer gilt Korruption eher als Kavaliersdelikt.
Dass Spanien ein Problem mit Korruption hat, ist nicht von der Hand zu weisen. Ein Blick in die Statistik genügt: Allein im vergangenen Jahr wurde 659 Angeklagten aus Politik und öffentlicher Verwaltung der Prozess gemacht. Im Schnitt also fast jeden Tag zwei. 266 Angeklagte wurden schuldig gesprochen und verurteilt.
Die Summe der Angeklagten verteilte sich 2016 auf 112 größere und kleinere Verfahren, die quer durch die Instanzen vor Gerichten – vom Amtsgericht bis hin zum Obersten Gerichtshof – verhandelt wurden. Diese Statistik stammt übrigens vom Obersten Justizrat und ist die erste überhaupt, die in Sa- chen Korruption erstellt wurde. Immerhin: Die Justiz nimmt das Problem sehr ernst.
Zunehmend beunruhigt über die nicht enden wollende Abfolge von Korruptionsfällen scheint auch wieder die Bevölkerung. In der Anfang April veröffentlichen Monatsumfrage des Sozialforschungsinstituts (CIS) war für 44,8 Prozent der Befragten Korruption das größte Problem in Spanien. Das waren sieben Prozentpunkte mehr als im März. Nur Arbeitslosigkeit bereitet noch mehr Sorgen.
Auch wenn derzeit in Sachen Korruption Madrid alle Blicke auf sich zieht. Keine der 17 autonomen Regionen ist sauber, wie dem „Wörterbuch der Korruption“(Diccionario de la corrupción) zu entnehmen ist, das die Journalisten Eva Díaz und Joaquín Vidal sowie der Kommunikationsexperte Francisco J. Castañón Anfang 2016 herausgegeben haben.
Demnach hat es in Spanien seit 1978 insgesamt 175 bedeutende Fälle von politischer Korruption gegeben. Betroffen waren Rathäuser, Provinzverwaltungen, Landesregierungen und auch die Zentralregierung. Andalusien führt die Rangliste an mit 38 Korruptionsfällen. Es folgen die Balearen – allein Ex-Landesregierungschef Jaume Matas (PP) hätte eine eigene Rubrik verdient – mit 24 Fällen. Die Region Madrid kommt auf 22 Fälle. Es folgen Katalonien 20 und die Comunidad Valenciana laut „Wörterbuch der Korruption“mit 13 Fällen.
Unter den Parteien des Landes ist in der Tat die Volkspartei (PP) das schwärzeste Schaf. Die Konservativen sind seit Beginn der Demokratie in 68 Korruptionsfälle verwickelt. Aber auch die anderen Parteien haben schmutzige Westen. So waren PSOE-Politiker in 58 Fälle verstrickt. Nummer drei ist die katalanische Convergència i Unió mit neun Fällen. Die inzwischen aufgelöste Unión Mallorquina kommt auf sieben, die Verei-