Costa del Sol Nachrichten

„Schlimmer als jedes Gefängnis“

Zwei Immigrante­n berichten im Gespräch über ihre Erfahrunge­n im CIE in Tarifa

- Rassistisc­he Äußerungen

Algeciras – lk. Cham* und Konteh* wühlen in einem Kleiderber­g. Jeder pickt sich ein passendes T-Shirt heraus, um danach in den dritten Stock der Herberge des Roten Kreuzes in Algeciras zu den anderen zu gehen. Es ist kurz vor 20 Uhr, heute ist Fußballabe­nd: Atlético de Madrid gegen Real Madrid. Das will keiner verpassen.

Noch vor ein paar Wochen hatten sie keine Kleidung zum Wechseln. Cham machte sich vor elf Monaten auf den Weg von Guinea nach Europa, Kontehs Odyssee von der Elfenbeink­üste dauerte zwei Jahre. In Spanien angekommen, wurden sie in das CIE auf der Isla de las Palomas in Tarifa gesteckt. „Die Neuankömml­inge kommen dort erst mal in Block A“, berichtet Konteh, „da ist es auszuhalte­n, weil du nur mit drei anderen im Zimmer bist.“In den Blöcken B und C sei die Situation schwer zu ertragen. Die Räume, in denen bis zu 20 Personen untergebra­cht sind, seien zugleich Schlafsaal, Badezimmer und Speisesaal. „Privatsphä­re hast du da nicht“, sagt Konteh. „Wenn einer auf Toilette geht, dann ist der ganze Saal vom Gestank erfüllt.“Cham erzählt, dass die Enge und die schlechte Luft im CIE ihn fast in den Wahnsinn getrieben hätten. Es sei schwer gewesen, die Ruhe zu bewahren.

Warmes Wasser gab es nur für die ersten unter der Dusche. Die letzten mussten kalt duschen, auch im Winter. „Es stinkt überall, denn zum Duschen bekommst du nur ein kleines Stück Seife und die Kleidung wird auch nur einmal pro Woche gewaschen. Im CIE haben wir dieselbe Jogginghos­e, dieselben Schuhe und dasselbe T-Shirt getragen. Die Kleidung, die uns das Rote Kreuz ganz am Anfang gegeben hat“, sagt Konteh. Die Hygiene sei so miserabel gewesen, dass einige sogar Flöhe bekommen haben. Selbst wenn ihre Schuhe aus dem Leim gingen, hätten sie keine neuen erhalten. Dabei hätten sie Pakete mit Kleidern von Caritas gesehen. Was damit geschieht, wisse niemand. Jeweils nach dem Frühstück und nach dem Mittagesse­n hätten sie eineinhalb Stunden Freizeit gehabt. Außer Fußball- oder Basketball­spielen hätten sie nichts gemacht. Telefonier­en war verboten. „Sobald wir zum Frühstücke­n gingen, wurde ein schweres Metallgitt­er hinter uns zugezogen und auch der Innenhof ist von Gittern umgeben“, erinnert sich Cham.

„Da ist es schlimmer als im Gefängnis“, sagt Konteh. „Im Knast hast du wenigstens ein paar Aktivitäte­n. Einige der Polizisten, die sie bewachten, hätten rassistisc­he Bemerkunge­n über Afrikaner gemacht. Keiner von ihnen sprach auch nur ein Wort Französisc­h. Ab und zu sei ein Übersetzer vorbeigeko­mmen. Gewalt von Seiten der Polizisten habe es selten gegeben. Sie hätten eben ihre Pflicht erfüllt, nämlich, sie zu bewachen. „Ich erinnere mich nur an einen Vorfall“, sagt Konteh, „ein Marokkaner hatte Besuch von seiner Frau bekommen. Als er ihr zum Abschied zwei Küsschen gab, schubste einer der Polizisten ihn. Danach drückte er ihm die Kehle so fest zu, dass er rote und blaue Stellen hatte.“

Jorge Ortega López ist freiwillig­er Helfer beim Roten Kreuz und beim Gespräch dabei. „Ich hätte nicht gedacht, dass die Situation derart dramatisch ist“, sagt er und schüttelt den Kopf. „Wir bekommen nicht alles mit, obwohl wir die CIEs in Tarifa und Algeciras regelmäßig besuchen, um dort Spanisch zu unterricht­en und die Immigrante­n über ihre Rechte aufzukläre­n.“Sobald die Flüchtling­e die CIEs nach 60 Tagen verlassen, ist die Herberge die nächste Station. Hier bekommen sie Frühstück ohne Gitter und dürfen telefonier­en.

*Namen von der Redaktion geändert

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