Gegen das Vergessen
Holocaust-Überlebender berichtet bei Seminar zu Nürnberger Prozessen von seinen Erlebnissen in den Konzentrationslagern
Betroffenes Schweigen erfüllt den Saal. Victor Pérahia, ehemaliger Häftling im Konzentrationslager Bergen-Belsen, erhebt sich von seinem Stuhl und zeigt den 150 anwesenden Studenten und Professoren der Universität Alicante den gelben Stern mit dem hebräischen Wort für Jude, welchen er während seiner Gefangenschaft tragen musste.
Sein Auftritt bildet den emotionalen und denkwürdigen Abschluss des zweitägigen Seminars La Shoa y los Juicios de Núremberg: víctimas, verdugos, mediadoras y mediadores (Die Shoa und die Nürnberger Prozesse: Opfer, Peiniger, Vermittlerinnen und Vermittler), welches die Fakultät für Philosophie und Geisteswissenschaften der Universität von Alicante veranstaltet.
Lange Zeit konnte der Franzose Pérahia nicht über das sprechen, was er vor 70 Jahre erleiden musste. Erst durch seine Kinder sei ihm klar geworden, dass er seine Erinnerungen teilen müsse, um eines der grausamsten Kapitel der Menschheitsgeschichte nicht in Vergessenheit geraten zu lassen.
Neue Übersetzungstechnik
Aus einer ähnlichen Motivation heraus wurde die Ausstellung Intérpretes en Núremberg (Dolmetscher in Nürnberg) organisiert, die anlässlich des Seminars zu den Nürnberger Prozessen an der Universität von Alicante gezeigt wird. Insgesamt 14 Tafeln berichten von der Vorgeschichte und vom Verlauf der Gerichtsprozesse gegen die Kriegsverbrecher des HitlerRegimes. Im Mittelpunkt stehen jedoch weder die Angeklagten noch die Denunzianten, sondern jene, die in den Geschichtsbüchern der Neuzeit kaum Erwähnung finden: die Dolmetscher
Die Professorin für Übersetzungswissenschaften an der Uni- versität Hildesheim, Conchita Otero Moreno, gehört dieser Berufsgruppe an. Sie hält die Nürnberger Prozesse für eine Revolution hinsichtlich der verwendeten Methoden und Materialien. Neben den Hauptsprachen Deutsch, Englisch, Russisch und Französisch hatten die Übersetzer es während der Prozesse auch mit Polnisch, Tschechisch und Italienisch zu tun. Um dieser Sprachenvielfalt möglichst effizient zu begegnen, wurde erstmals die sogenannte Simultantech- nik angewandt, die bis heute zum Einsatz kommt. Diese ermöglicht die fast zeitgleiche Übersetzung des Gesagten. So konnten die Alliierten die Berge an Anklagematerial gegen die führenden Nazis und ihre Handlanger in kaum mehr als drei Jahren bewältigen.
Initiator dieser fortschrittlichen Verfahrensweise war der amerikanische Sprachgelehrte und Colonel Léon Dostert. Eigens konzipierte Kopfhörersysteme und jeweils zwölf Dolmetscher in drei verschiedenen Teams verhalfen seiner Idee zum Erfolg. Schnell hielt diese Methode Einzug in internationalen Organisationen wie den Vereinten Nationen und ist dort heute nicht mehr wegzudenken.
Aufwendige Recherche
„Damit wurde das Dolmetschen salonfähig“, meint Otero, die als eine von drei Kuratoren maßgeblich zur Realisierung der Ausstellung über die Nürnberger Prozesse beigetragen hat. Landesweit hatte