Zurück zur Natur
Nach einem aufregenden Arbeitsleben wird Tillmann Römer im Ruhestand wieder aktiv
Wer Tillmann Römer von früher kennt, als er mit Schlips und Anzug die PR für den französischen Zuckerbäcker Lenotre in Marbella organisierte oder Kaviar aus Riofrío verkaufte, kommt aus dem Staunen nicht mehr heraus. Der mittlerweile 72-Jährige, der der Costa del Sol vor sechs Jahren den Rücken gekehrt hatte und für längere Zeit wieder in seiner früheren Heimat Berlin war, hat nicht nur sein Outfit geändert, sondern den Großstadtdschungel gegen das abgeschiedene Leben in dem kleinen Örtchen Monda eingetauscht.
Nach einer holprigen Fahrt durch die paradiesische Naturlandschaft der Sierra de las Nieves – von den Einwohnern wird das Fleckchen Erde auch Los Pechos genannt – steht der Besucher plötzlich im Paradies. Mitten in einem Olivenhain sticht das braune Hexenhäuschen hervor, in dem sich Römer vor über einem Jahr eingemietet hat, nachdem es ihm in Berlin zu eng geworden war. „Das ist mein kleines Paradies“, sagt der Sohn der bekannten Theaterschauspielerin Anneliese Römer.
Workshop mit Mario Turégano zum Bau eines Geodätischen Doms am 13. und 14. Mai
Statt Seitenscheitel hat Tillmann Römer jetzt lange Haare, die er entweder keck zum Zopf gebunden hat oder auch gerne offen trägt. Weil sein markantes Gesicht inzwischen auch ein Schnauzbart ziert, könnte man ihn glatt für einen Mongolen halten, wenn er vor seiner Jurte steht, die er als Unterkunft für Gäste aufgestellt hat, die er gelegentlich empfangen möchte. Auch ein indianisches Tipi befindet sich auf dem Gelände sowie das Material für einen Geodätischen Dom, den er am 13. und 14. Mai mit interessierten Naturfreunden im Rahmen eines Workshops aufbauen möchte.
Geodätische Kuppeln zeichnen sich durch ihre hohe Erdbebensicherheit und Windstabilität aus und sind durch ihre Rundbauweise äußerst platzsparend. Oft werden sie auch als Gewächshäuser genutzt. Geleitet wird die „Kunstveranstaltung“, wie Römer das Wochenende bezeichnet, von Mario Turégano, der schon in ganz Spa- nien Kurse zum Aufbau dieser Nomadenbehausungen durchgeführt hat.
Wenn Tillmann Römer erzählt, wie er mit Hilfe eines Wünschelrutengängers auf Wasser stieß und bis zu 100 Meter in die Tiefe bohren ließ, versteht man, warum er sich ärgerte, als ihn das Arbeitsamt in Deutschland kurz vor seiner Rente quasi „für tot erklärte“. Der Vater von fünf Kindern, zu denen auch Sänger Don Cali von der Band Culcha Candela gehört, sprüht voller Ideen. Yoga, Chi Gung, Backen im Holzofen – was könnte man bei ihm da oben in Monda nicht alles machen.
Journalist und Videofilmer
Römers Leben war immer bewegt. Während seines Volontariats bei der Bild-Zeitung deckte er einen Skandal in einem Altersheim auf und wurde nicht zuletzt wegen seiner Französischkenntnisse prompt als Korrespondent nach Paris geschickt. Als er später nach London ging, lernte er das Medium Video kennen und gehörte in diesem Metier zu den Pionieren. Da Videos in Deutschland Mitte der 1970er Jahre keinen guten Stand hatten und als Underground belächelt wurden, nahm er ein Jobangebot aus Kolumbien an, wo er Lehrvideos für die dritten Programme produzierte. Wieder zurück in Deutschland, war er mit im Team, das den kolumbianischen Pavillon für die Expo 2000 in Hannover gebaut hatte, ehe ihn ein Unternehmen, für das er später arbeitete, nach Marbella versetzte, um beim Aufbau einer Filiale des Zuckerbäckers und Luxus-Caterers Lenotre mitzuhelfen. Fast zehn Jahre war er in Marbella, bis die Krise seinen Arbeitsplatz vernichtete.
In Berlin eröffnete er mit dem argentinischen Koch Chakall ein Bistro. Doch als es zu Streitigkeiten mit den Partnern kam, hatte er nicht nur genug vom Gastro-Geschäft, sondern auch von der deutschen Überwachungsmentalität. Da er immer eher Hippie als Hipster war, ging er zurück an die Sonnenküste und scheint im Hinterland tatsächlich seine neue Bestimmung gefunden zu haben.