Benin im Herzen
Die deutsche Ärztin Carla Grauer-Vetter reist jedes Jahr nach Afrika – in ihrer ganz eigenen Mission
Mijas – lk. Ein Shirt aus einem afrikanischen Stoff mit grellblauen Kreisen und eine Kette mit schillernden Perlen. Europäisch sieht die Kleidung von Carla GrauerVetter nicht gerade aus. Die hochgewachsene, hellhäutige Frau umweht ein Hauch von Afrika. „2006 habe ich über die Organisation Childfund die Patenschaft für den damals sechsjährigen Elie aus Benin übernommen“, erzählt die pensionierte Allgemeinmedizinerin. „Ich hatte früher eine Praxis im nordfriesischen Tating in der Nähe von Sankt Peter-Ording“, sagt die 72-Jährige. „Die Kälte hat dort jedoch seit 1992 meiner Gesundheit arg zugesetzt. Immer öfter kam es vor, dass meine Beine taub waren und sie wegknickten, wenn ich aufstehen wollte“, erzählt sie. „Da kam die Vision, dass ich in die Wärme ziehen muss, um nicht frühzeitig Invalide zu werden.“ Als sie im Jahr 1994 nach Andalusien zog, ging es ihr schlagartig besser. Sechs Jahre lang hatte sie hier eine Privatpraxis, um danach als Ärztin in einem Intensiv-Pflegeheim zu arbeiten. „Dann habe ich mich in den Unruhestand versetzt und begann damit, zu reisen.“Inzwischen sei es so, dass sie per Telefon oder WhatsApp medizinische Fernberatungen für Patienten in Benin auf Französisch vornimmt. Das erste Mal reiste Grauer-Vetter 2011 über eine Agentur mit einem Italiener zusammen nach Benin. Sie durfte ihr Patenkind nur zwei Tage lang besuchen, weshalb sie sich noch eine andere Tour überlegen musste. Die heute in der Nähe von Fuengirola lebende Ärztin fand schließlich das Krankenhaus San Juna de Dios in Tanguiéta, im Nordwesten Benins, das mit Missionen zusammenarbeitet. Dort konnte sie zunächst vier Tage lang bleiben. „Ich habe erfahren, dass diese Krankenhäuser mit den Schwestern und Fachärzten des eigenen Landes zusammenarbeitet, aber um bestimmte Operationen vorzunehmen, kommen internationale Spezialisten auf eigene Kosten“, so Carla GrauerVetter. Meist eine Woche lang operieren sie beispielsweise Kiefer-Gaumenspalten und Wasserköpfe. Im Krankenhaus bräuchten sie auch Klempner, Gärtner oder Fachkräfte, die sich mit Solarzellen auskennen, erklärt sie.
„Wenn man als Frau allein in Benin reist, beschützen einen vor allem die Frauen“, sagt die Ärztin. „Als sie erfahren haben, dass ich an sozialen Themen interessiert bin, wurde ich immer zu den entsprechenden Zentren gebracht.“So habe sie eine Frau kennengelernt, die behinderte Kinder betreut. Durch sie habe sie wiederum ein Waisenhaus kennengelernt. Dort werden viele Kinder ohne Arme oder Beine aufgenommen. Auch Zwillingskinder sind in diesem Heim untergebracht, da einige Stämme glauben, dass Zwillinge ein schlechtes Omen sind. Das schwächere Kind wird deshalb drei Tage lang an einen heiligen Baum gebunden. Wenn es überlebt, heißt es, dass es die Götter erlauben, dass das Kind leben darf. „Oft gehen die Mütter aber heimlich zu dem Kind und geben ihm Nahrung und Wasser oder aber sie nehmen das Bündel und bringen es in ein Waisenhaus“, berichtet GrauerVetter. Jedes Jahr im Februar packt sie ihre Koffer und fliegt nach Benin. Im Gepäck hat sie jedes Mal Medikamente und Nahrungsergänzungsmittel. „Von Anfang an war mein Interesse groß, mich in dem Land zu engagieren und so stellte ich im Krankenhaus Medizin her oder half Schülern im Alter von vier bis 16 Jahren bei der Alphabetisierung.“ Schnell hätten die Beniner begriffen, dass die große „Allemande“helfen kann und deshalb wurde sie zu Familien und Kindern gebracht, die sich in einer schwierigen Situation befinden. Zu diesen Kindern gehören auch der sechsjährige Sibarima Soumare und die vierjährige Yasmine Kassibou. Sibarima wurde mit einem verschlossenen Anus geboren. Sechs Jahre lang hatte er einen künstlichen Darmausgang, da das Geld für die Behandlung fehlte. Inzwischen wurde er operiert und konnte nun eingeschult werden. Doch wird er auch in Zukunft immer wieder teure Behandlungen benötigen. Yasmine wurde mit einem Down-Syndrom und einem Herzfehler geboren.
Während ihrer letzten Reise hat sie auch den Künstler Arolando aus Abomey kennengelernt. Er leitet ein Projekt, bei dem er zusammen mit Straßenkindern und Kin- dern aus armen Verhältnissen unter anderem Kunstobjekte aus Recyclingmaterial herstellt. Auch ein Mädchenheim des Salesianerordens der Don Bosco Stiftung für Straßenkinder in Cotonou an der Südküste hat sie besucht. Im Moment sind jedoch nur 60 der 120 Betten belegt, da es an Geld mangelt. „Der Arzt Dr. Jules Olaye von der Clinique la Grâce in Dassa plant, mit einer mobilen Gesundheitsstation Desinfektionstabletten zur Trinkwasseraufbereitung und Moskitonetze für Schwangere und Kleinkinder zu verteilen“, sagt Grauer-Vetter und deutet auf ein Foto, auf dem ein Mann im Arztkittel zu sehen ist, der auf eine Schautafel mit gezeichneten Kondomen und Spiralen deutet. Hier zeigt er, welche verschiedenen Verhütungsmittel es gibt.