Höhepunkt einer Generation
„Historischer Tag“– Real gelingt Champions-League-Sieg für die Geschichtsbücher
Madrid – dpa/tl. Der neu frisierte Cristiano Ronaldo warf den über 100.000 Real-Fans unzählige Küsse zu, Toni Kroos verzückte mit einer ergreifenden Liebeserklärung. Nach einem Triumph für die Ewigkeit genossen die Weltstars von Real Madrid eine rauschende 24-Stunden-Fiesta mit großen Emotionen. Die erstmalige Titelverteidigung in der Champions League ist eine weitere Krönung für Weltfußballer Ronaldo und Weltmeister Kroos, sie ist der Höhepunkt für eine goldene Generation beim Rekordsieger Europas. „Wahnsinn“, sagte der ergriffene Kroos.
Drei Triumphe in den vergangenen vier Spielzeiten und nun die Titelverteidigung unter Trainer Zinedine Zidane dokumentieren eine Ausnahmestellung, die es seit Gründung dieser Königsklasse vor 25 Jahren noch nie gab. „Das ist einer der besten Momente in meiner Karriere. Und ich habe die Möglichkeit, das jedes Jahr zu sagen“, schwärmte der nun viermalige Henkelpottgewinner Ronaldo nach dem 4:1 gegen Juventus Turin in Cardiff am Samstag. Zwei Tore vom Rekordmann, dazu Treffer von Casemiro und Marco Asensio sorgten für den nächsten schmerzhaften Final-K.O. für Juve um Sami Khedira und Torwart-Legende Gigi Buffon.
Bei der Real-Feier vor 100.000 Fans allein am Cibeles-Brunnen im Zentrum der Hauptstadt, wo es von Stars auch Küsschen für die mit Schal und Fahne dekorierte Statue gab, und vor 83.000 Anhängern beim Party-Ausklang mit Lichtshow und Feuerwerk im Bernabéu-Stadion stimmte Supermann Ronaldo nur zu gerne in die Sprechchöre ein. Die Fans wollen den aktuellen Gewinner des Ballon d’Or auch als neuen Sieger sehen. Der 32-Jährige klopfte sich voller Genuss aufs Herz, rief voller Inbrunst seinen Weltfußballer-Schrei.
Alle huldigten dem Mann mit den 600 Toren als Profi, der sich sein eigenes sportliches Denkmal errichtete. Zur großen Überraschung präsentierte sich der Schönling den Fans ohne die gegelte Haarpracht, sondern mit kurz geschorenem Haupt. Fünf Tore im Viertelfinale gegen Bayern, drei im Halbfinale gegen Atlético und jetzt zwei gegen Juve in seinem wohl besten Finale.
Real-Ikone Ronaldo hat etwas vollbracht, was selbst den Galaktischen nach dem Jahr 2000 mit Luis Figo oder Zinedine Zidane nicht vergönnt war. „Wir haben sehr gut gespielt in dieser Champions-League-Saison. Aber am Ende brauchst du einen, der die Tore macht. Wie er uns rausgeschossen hat, das ist schon Wahnsinn“, sagte Kroos über den Torjäger aus Portugal.
Auch der deutsche Weltmeister hat einen großen Anteil am Erfolg des Ensembles. Kroos reihte sich bei den großen Bayern-Legenden um Franz Beckenbauer und Gerd Müller ein, die ebenfalls dreimal den Landesmeistercup gewannen. Der Nationalspieler ist jetzt schon einer der größten deutschen Fußballer – mit gerade mal 27 Jahren. Mit den Bayern feierte er als verletzter Spieler 2013, beim Finale 2016 erlebte er Verlängerung und Elfmeterschießen von der Bank. Diesmal übernahm er eine Hauptrolle, wurde frenetisch bei seiner späten Auswechslung gefeiert.
„Es ist etwas ganz Besonderes, diesen Titel zu verteidigen, den wirklich jede Mannschaft in Europa gerne haben will“, sagte Kroos in der magischen Real-Nacht. Dabei kümmerte sich der Mittelfeldstratege so intensiv um den dreijährigen Sohn Leon, dass er sogar den Besuch von Ex-König Juan Carlos nicht mitbekam.
Der gerührte Zidane rief den Fans Dank zu. „Das war ein spektakuläres Jahr. Das haben wir auch Euch zu verdanken. Ihr habt immer an uns geglaubt“, sagte der Franzose – und wurde von seinen Stars in die Luft geworfen. Der frühere Co-Trainer von Carlo An- celotti war im Januar 2016 eher aus der Not heraus zum Nachfolger von Rafael Benítez berufen worden. Die große Kritik am Fußball-Genie zum Anfang seiner Schaffensphase als Coach mutet längst seltsam an. Zwei der sechs Titel in der Champions League gehen auf sein Trainerkonto, insgesamt steht Real bei zwölf Triumphen im Meistercup.
„Der Club meines Herzens“
Vereinsboss Florentino Pérez soll Zidane im Überschwang einen unbefristeten Vertrag angeboten haben, doch die Extreme des Business waren dem mit „Zizou“-Sprechchören gefeierten Mann immer fremd. „Es ist der Club meines Herzens, das müssen wir jetzt genießen“, sagte der 44-Jährige bei der Feier seiner Stars mit Ehefrauen und Kindern. „Heute ist ein historischer Tag für die ganze Madrid-Familie.“
Zidane hat es nicht nur geschafft, die Kräfte der Weltklassestars mit ihren Eitelkeiten in einer Mannschaft zu bündeln und die Rotation für mehr Power im Saisonendspurt durchzudrücken. Auch der Stil ist facettenreicher geworden. Atemberaubend bleiben das Umschaltspiel und die Siegermentalität. Auch das sechste Endspiel in der Champions League wurde gewonnen. Wer Ronaldo kennt, weiß, dass ihm das noch lange nicht genug ist.
Auch das sechste Endspiel in der Champions League wurde gewonnen