Totgesagte leben länger
Der spanische Vereinsfußball dominiert weiter in Europa – Nur das Geld in England gefährdet die Dominanz
Wenn es so etwas gibt wie Wahnsinn im Fußball, dann steht dafür der Name eines Verein: Real Madrid. Am Samstag schafften die „Königlichen“um den Weltfußballer Cristiano Ronaldo und den deutschen Weltmeister Toni Kroos mit dem 4:1 über Juventus Turin in Cardiff etwas Historisches. Zum ersten Mal gelang es einem Team, den Titel in der Champions League zu verteidigen.
Doch nicht nur das: Auch das sechste Endspiel in der Champions League, das erreicht wurde, konnte Real gewinnen. Zählt man den früheren Europapokal der Landesmeister hinzu, kommt Spaniens Rekordmeister – vor kurzem erst wurde der 33. Ligatitel eingefahren – inzwischen auf zwölf „Henkelpötte“, wie die silberglänzenden Trophäen im höchsten europäischen Club-Wettbewerb salopp genannt werden. Kein anderer Verein kann da mithalten.
Die herausragende Stellung von Real Madrid und der aktuelle Triumph lassen allerdings ein Phänomen in den Hintergrund geraten: Fans erleben derzeit die Ära des spanischen Club-Fußballs. Die vergangenen vier Champions-League-Titel gingen an spanische Vereine. Dreimal Real Madrid, einmal FC Barcelona. 2016 gab es sogar ein rein spanisches Finale: Real gegen Atlético de Madrid. Im gleichen Jahr gewann der FC Sevilla die Europa League. In diesem Jahr musste Real auf dem Weg ins Endspiel erneut Atlético im Halbfinale aus dem Weg räumen, um nach Cardiff zu gelangen. Ledig- lich Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre besaßen englische Clubs eine ähnliche Dominanz.
Die aktuelle Fünfjahreswertung der Europäischen Fußball-Union (Uefa) auf Clubebene spricht denn auch für sich: Mit dem erneuten Gewinn der Champions League durch Real überspringt Spanien die 100-Punkte-Mauer. Der Abstand zur zweitplatzierten Bundesliga beträgt schon 25 Punkte. Auch England und Italien sind abgeschlagen. Der Vorsprung der spanischen Ver- eine ist so groß, dass die Führung auch in den kommenden Jahren wohl kaum in Gefahr gerät.
Dabei ist es keine zehn Jahre her, dass den spanischen Vereinen der Absturz aus der Eliteklasse des europäischen Club-Fußball prophezeit wurde. Gerade erst hatte sich Real Madrid für 94 Millionen Euro den Superstar Cristiano Ronaldo geangelt und der FC Barcelona für 66 Millionen den schwedischen Stürmer Zlatan Ibrahimovic, da entlarvte ein Professor für Finanzwirtschaft und Buchhaltung aus Barcelona, wie es tatsächlich um den Profi-Fußball bestellt war.
In der 2009 veröffentlichten Studie „Fútbol y finanzas“beschrieb Prof. José María Gay de Liébana, mit welch astronomischen Summen die Vereine, bei Banken, beim Staat und sogar bei den eigenen Spielern in der Kreide standen. Hinter der glänzenden Fassade war die Substanz offenbar marode.
In einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“im gleichen Jahr nannte Gay de Liébana – ein bekennender Espanyol-Fan übrigens – Zahlen: „Meinen Studien zufolge lagen die Schulden 2007 bei 2,7 Milliarden. Ein Jahr später beliefen sie sich auf 3,5 Milliarden. Mehr als 700 Millionen Zuwachs in einem Jahr.“Und der Ausblick für 2009? „Die Vier-MilliardenGrenze wird wohl übertroffen.“ Der spanische Profi-Fußball von damals war gewissermaßen ein Spiegelbild der Wirtschaftslage. In den Vorständen der Proficlubs dominierten die Bau- und Immobilienmagnaten, deren Geschäftsgebahren letztendlich zu der Spekulationsblase geführt hatte. Mit der gleichen Philosophie wurden die Vereine geführt: üppige Ausgaben statt langfristiger Planung.
Doch im Gegensatz zum Immobilienmarkt platzte die Fußballblase nicht. Der Staat kam den Vereinen entgegen, Steuern und Sozialversicherungsbeiträge wurden gestundet. „Viele Vereine sind in einer heiklen Lage, und wir tun alles Mögliche, damit sie diese Phase überstehen“, sagte der damalige Sportstaatssekretär Miguel Cardenal. Auch die Vereine selbst verordneten sich ein Sparprogramm. Spaniens Transfermarkt