Grandiose Grenzgänge
Wenn ich mal wieder völlig gestresst bin, dann wienere ich mein Cabrio und setze nach Marokko über, denn in Nordafrika kann ich komplett abtauchen. Schon wenn ich im Hafen von Tarifa am Spiegelglas-Kabuff der Guardia Civil vorbeidüse, die bei der Ausreise nichts von einem wissen wollen, sich aber garantiert fragen, ob ich in Marokko nicht doch eine Ladung Haschisch abholen will, kriege ich gute Laune. Dass ich kein Schisser bin, das wissen sie, seitdem ich bei meiner ersten Rückkehr aus Marokko zwischen den beiden geschlossenen Schranken durchgerollt und mit exzellenter Präzision direkt vor ihren blankgeputzten Militärstiefeln zum Stehen kam. Wozu mich, das sei angemerkt, einer von ihnen wortlos und mit minimalen Gesten aufgefordert hatte. Der Wolf wollte seine Beute erlegen. Auch die Jungs von der Nationalpolizei, die seit einigen Monaten über eine App zu verfügen scheinen, mit der sie auf ihren Handys biometrische Daten ausspionieren können, zeigen gesteigertes Interesse an mir und meinem Pass. Was man ihnen nicht verdenken kann, denn das, was in den vergangenen neun Jahren auf dessen Chip gespeichert wurde, könnte in Zeiten des Terrorismus durchaus Anlass zur Verdächtigung geben. Haufenweise Indien-Visa mit biometrischen Fotos und Daten, sozusagen Pässen im Pass, Flügen immer von Deutschland statt von Spanien, immer mit arabischen Airlines, immer Stationen in Dubai oder Katar. Dazu haben sich, seitdem ich in Andalusien lebe, etliche MarokkoStempel gesellt. Und all das in einem in Deutschland ausgestellten Pass, ob- wohl ich, darüber wundern sie sich bestimmt auch, einen in Spanien ausgestellten haben müsste. Schließlich war ich schon 1986 – vor EU & Co – im Besitz eines dieser purpurfarbenen Ausweisdokumente für Ausländer, auf dem in goldenen Lettern „Reino de España“prangte. Die Anekdote über meinen Pass hätte ich der versammelten Mannschaft fast schon bei meinem vorletzten Trip nach Tanger verraten. Da hockten nämlich sechs Grenzpolizisten, fünf nationale und ein Guardia Civil, scheinbar völlig gelangweilt an der Passkontrolle, einige tippten begeistert auf ihren Handys rum und einer sagte laut: „Debe ser uno de estos pasaportes alemanes modernos …“Dass er mich gemeint hatte, war klar, denn ansonsten wuselten in meiner umgebung nur einige wenige Marokkaner herum. Aber wer nicht direkt fragt, der bekommt auch keine Auskunft. Vor allem nicht, wenn kurz vorher einer von ihnen aus dem Büro geschossen kommt, mir im Wartesaal ständig an den Hacken klebt und so tut, als würde er einen aufregenden Whatsapp-Chat mit seiner Liebsten genießen. Vielleicht hätte ich meinem total abgegrabbelten Super-Duper-Pass doch lieber gleich zu Beginn – wie es die Cracks vom Chaos Computer Club bereits 2006 bei einem StrafverteidigerMeeting in Hamburg empfahlen – , eine kurze Behandlung in der Mikrowelle oder mit dem Hämmerchen gönnen sollen? Seltsam, dass sich kein spanischer Grenzpolizist vorstellen kann, dass man in Marokko auch als Frau wunderbar alleine reisen und viel Spaß haben kann. Ganz ohne irgendwelche konspirativen Absichten. (ws)