Mit Tinte & Tentakeln
Je kleiner, desto feiner: Nichts geht im Sommer ohne Sepia oder Kalmar
Einer der besten Leckerbissen zur Zeit ist der jugendliche Kalmar, ein kleiner Tintenfisch, der in den Sommermonaten gefangen wird. Als wäre es nicht schon genug, in Spanien zwischen Sepia, Calamar und Pulpo zu unterscheiden, führt jede dieser Tintenfischarten – je nach Region, Sprache, Größe und Zubereitungsart – noch weitere Namen. Im Falle des kleinen Kalmar kommt man auf Chipirón, Calamarcito, Pota oder Puntillita und mehr, was schon zu einigen Diskussionen geführt hat. Wie auch immer, die kleinen Chipirones – ausgewachsen können sie bis zu 20 Meter lang werden – sind ein Luxusprodukt und führen fast immer zum kulinarischen Erfolg.
Das Beste, was ihnen passieren kann, ist, in der eigenen Tinte zu sitzen; „Chipirones en su tinta“ist ein Klassiker und vor allem in den Küchen Nordspaniens zu Hause. Valencianos wiederum färben lieber ihren Reis damit und nennen ihn dann „Arroz negro“.
Liaison mit der Zwiebel
Was könnte wohl am besten zu Chipirones passen? Im Baskenland ist man auf die Zwiebel gekommen, „Chipirón encebollado“, eine hervorragende Verbindung, „a lo Pelayo“genannt, wenn der kleine Tintenfisch ebenfalls mit konfitierten Zwiebeln kokettiert, aber auch noch Tomaten und grüne Paprikaschoten mitspielen.
Die einfachste Form, Chipirones zuzubereiten, ist wohl auf der Plancha, der heißen Metallplatte, auch als sogenannte Grillpfanne mit Rillen erhältlich. Eine raffinierte und sehr beliebte Variante ist ebenfalls, den kleinen Tintenfisch mit seinen eigenen klein geschnittenen Tentakeln sowie Kräutern, Zwiebeln etc. zu füllen.
Werden Chipirones auf der Plancha gegart, sollte man sie wie ein Filet behandeln. Sehr zart sind sie bei kurzer Garzeit und hart, wenn sie zu lange auf dem Feuer bleiben. In der Sauce geschmort wiederum brauchen sie länger.
Chipirones eignen sich wunderbar für eine Paella oder eine Fideuà, die Paella mit Nudeln – da enttäuschen sie nie. Und auch in Schmorgerichten, zu Kartoffeln, Reis oder in der Suppe können sie allemal begeistern.
Vorzugsweise werden frische Tintenfische eingekauft. Chipirones sind klein, durchscheinend, mit glänzenden hervorstehenden Augen. Gute Exemplare sind feucht und fest und verströmen einen unverwechselbaren frischen Duft nach Meer.
Chipirones gibt es zudem in der Konserve, eingelegt in ihrer Tinte oder in Öl. Gute Marken führen auch gefüllte Tintenfische. Die Tinte des Kalmars findet man in kleinen Beuteln in der Tiefkühltruhe von Supermärkten.
Das Ausnehmen ist bei den kleinen Tieren etwas mühsam. Mit einer Hand den Kopf fassen, mit der anderen den Körper. Vorsichtig auseinander ziehen, die Innereien mit dem länglichen Tintenbeutel daran kommen in einem Stück heraus. Tintenbeutel mit der Schere abschneiden. Den transparenten Kiel aus dem Körperinneren herausholen und den (Papageien-) Schnabel aus dem Kopf ziehen.
Nun gibt es Leute, die verwenden so viel wie möglich und lassen Haut und Augen am Chipirón. Man kann sie aber auch genauso gut entfernen. Dann die Tinten- fischteile gut waschen und abtrocknen.
Sepia, die Zwillingsschwester
Die Sepia ist die Pummlige, Friedliche unter den Tintenfischen und war schon bei den alten Römern und Griechen sehr geschätzt. Wie alle Weichtiere, die die Füße am Kopf tragen, wird die Sepia irrtümlich als „Tintenfisch“bezeichnet. Dabei hat sie außer dem Lebensraum mit den Fischen nichts gemein. Aber die Sepia kann mit einer ganzen Reihe weiterer Kuriositäten aufwarten. Trotz ihrer acht Arme und zwei Tentakeln ist sie nämlich nah verwandt mit den Schnecken, was ihr die Bezeichnung Tintenschnecke eingebracht hat. Die innere Schale der Sepia, der so genannte Schulp, ist für Tintenschnecken charakteristisch und manchmal, nach ihrem Ableben, am Strand zu finden – oder im Käfig eines Kanarienvogels, der daran seinen Schnabel wetzt.
Verwirrend sind die vielen Arten mit ihren unterschiedlichen Namen in der Familie der Sepiidae. Sepia, Jibia oder choco – Sepia officinalis sind spanische Exemplare, die vor allem im Früh- jahr und Anfang Sommer frisch auf den Markt kommen. Angeboten werden sie „sucia“, also ungesäubert. „Limpia“, sauber, sind sie meist nur in gefrorenem Zustand erhältlich. Gefrorene oder als Konserven verarbeitete Sepien stammen aber häufig woandersher, denn sie sind in allen Meeren zu Hause.
Choquito, Sepia elegans, kommt vom Golf von Cádiz und nennt sich dort auch „Almendrita“oder „Castañita“. Die Choquitos gleichen der Sepia officinalis, sind aber kleiner. Sie kommen in Atlantik und Mittelmeer vor.
„Sepionet“wird liebevoll die Baby-Sepia auf Valenciano genannt, die in den heimischen Reisgerichten und Fideuás bestens Verwendung findet.
Gereinigt und zubereitet werden Sepien wie der Kalmar: Man zieht den Kopf mit den Tentakeln aus dem Körperbeutel, trennt ihn vom Körper. Die Innereien, die mit herausgezogen werden, wirft man weg. Mit der Hand in den Körperbeutel greifen und alles weitere Innere, auch das Chitinteil, herausholen und wegwerfen. Wenn man die Flossen entfernt, kann man gleich die lila Haut mit abziehen. Tintenfisch von innen und außen waschen. Tentakeln abschneiden.
Zum Grillen den Körperbeutel aufschneiden und über Kreuz einschneiden. Knoblauch hacken, mit Olivenöl mischen, mit Salz und Pfeffer abschmecken, den Tintenfisch, einschließlich der Tentakeln, damit bestreichen und möglichst kurz grillen.
Sepia, die Rundliche
Am Fischstand lässt sich die Sepia gut von den schmaleren CalamarTuben unterscheiden. Die Sepia ist rundlicher und flacher, was ihrer Lebensform angepasst ist. Oft liegt sie versteckt im Meeresboden eingegraben und lauert auf kleine Krebse und Fische – im Gegensatz zum Calamar, der mit seiner Stromlinienform ein idealer Jäger ist.
Mit ihrem Flossensaum bewegt sich die Sepia wellenförmig vorwärts. Sie ist gemütlicher als der Calamar. Anstatt bei Gefahr schnell Reißaus zu nehmen wie ihr nächster Verwandter, gräbt sie sich schnellstens im Meeresboden ein oder versucht sich zu tarnen. Ihre Haut kann sich vollkommen der Umgebung anpassen; manchmal – wie bei der Paarung – drückt sie mit einem besonderen „Kleid“auch ihre Stimmung aus. Wenn sie in Bedrängnis ist, bleibt ihr noch die Tinte, die sie ausstößt, um den Gegner zu verwirren und währenddessen zu flüchten. Einer ihrer größten Widersacher jedoch dürfte der Mensch sein, der sich durch ihre Tinte höchstens am Tisch beeindrucken lässt.
Sepia in Spaniens Küchen
Sepia ist besonders an den Küsten des Mittelmeers geschätzt. Die gebräuchlichste Art, den Tintenfisch zu konsumieren, ist von der Plancha. In Valencia zum Beispiel wird eine mehr oder weniger scharfe Alioli dazu serviert. An der andalusischen Costa de la Luz schmort man Sepia mit „Habas“, dicken Bohnen. In Galicien macht man selbstverständlich Pasteten mit „Choquitos“.
Wie Chipirones, die kleinen Kalmare, sind auch die kleinen Sepien, die Sepionets, die besten, und man gart sie mit ihrem Tintenbeutel, was, wenn er im Mund explodiert, schon manchen Esser überrascht hat.