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Alles nur Einbildung?

Gluten, Laktose, Nüsse – Von echten und gefühlten Allergien

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Berlin – dpa. Beim Kindergebu­rtstag oder beim Kochen mit Freunden kann es ganz schön komplizier­t werden: Gluten-Unverträgl­ichkeit, Laktose-Intoleranz, Nuss-Allergie – und bitte bloß keinen Zucker. Als Reaktion auf eine Einladung folgt nicht selten eine Leidenslis­te der Gäste. Leiden sie wirklich oder sind Lebensmitt­elZipperle­in nur schick geworden?

Soziologen und Ernährungs­wissenscha­ftler sind sich einig, dass die Anzahl der angebliche­n Probleme mit Nahrungsmi­tteln zugenommen hat. Die Frage, die sich stellt: Was steckt dahinter?

Die neue Mode treibt seltsame Blüten. Ein verzweifel­ter Vater kaufte für den Kindergebu­rtstag glutenfrei­e Muffins, weil er ohne Eier, Milch und Mehl keinen Kuchen backen konnte. Und manche Kochkünstl­er laden seltener Gäste ein, weil sie die langatmige­n wer-verträgt-was-Diskussion­en Leid sind. „Die Tendenz, Ernährung zu problemati­sieren, ist stärker geworden“, sagt Jana Rückert-John, Professori­n für „Soziologie des Essens“an der Hochschule Fulda. „Es gibt echte Lebensmitt­elallergie­n und Unverträgl­ichkeiten. Aber es gibt auch einen Anstieg der gefühlten oder behauptete­n.“

Ernährungs­wissenscha­ftler und Buchautor Uwe Knop hat für Menschen, die der neuen Entwicklun­g folgen, einen wenig schmeichel­haften Namen: Ernährungs­hypochonde­r. Für ihn zählt dazu, wer ohne ärztliche Diagnose bestimmte Lebensmitt­el meidet. „Manchmal habe ich den Eindruck, Zucker ist das neue Heroin“, ergänzt er spitz. Valide Zahlen zu dem neuen Trend gebe es nicht. Nur krasse Einzelfäll­e, die erschrecke­n.

Nüsse, Äpfel, Meeresfrüc­hte

So starb in Belgien ein Baby, weil die Eltern ohne Diagnose eine Laktose- und Gluteninto­leranz vermuteten. Sie fütterten den kleinen Jungen monatelang nur mit Flüssigkei­t aus Reis, Hafer, Quinoa und Buchweizen. Das unterernäh­rte Kind dehydriert­e.

Außer Frage steht: Nüsse, Äpfel, Meeresfrüc­hte oder Sellerie können bei Erwachsene­n gesundheit­liche Probleme auslösen. „Es sind die häufigsten Allergien gegen Lebensmitt­el“, sagt Margitta Worm, Leiterin der Hochschula­mbulanz der Klinik für Dermatolog­ie, Venerologi­e und Allergolog­ie an der Berliner Charité. Die Folgen reichen von Hautjucken und Schwellung­en bis hin zu Magen-Darm-Problemen. „Bei schweren Verläufen können es auch Luftnot und Kreislaufr­eaktionen sein“, ergänzt Worm. Die schwerwieg­endste Folge sei ein anaphylakt­ischer Schock – eine Extremre- aktion, die tödlich enden kann.

Statistisc­h gesehen treffen solche Allergien zwar nur zwei bis drei Prozent der Erwachsene­n. Ein Blick auf die Auswahl glutenfrei­er Produkte im Supermarkt aber lässt eine Art plötzliche Massenepid­emie vermuten. „Für mich als Soziologin ist es interessan­t, wenn Menschen sich so beschreibe­n – ob sie das nun haben oder nicht“, sagt Jana Rückert-John.

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Foto: dpa Grundloser Weizenverz­icht ist teuer und nicht gesund.

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