Der bittere Lohn des Wachstums
Wirtschaftskraft hat Krisen-Verluste wettgemacht – Entwicklung der Einkommen hinkt hinterher
Madrid – tl. Spaniens Wirtschaft wächst und wächst und wächst... Im zweiten Quartal waren es wieder plus 0,9 Prozent, wie das Nationale Statistikamt (INE) jüngst mitgeteilt hat. Im Jahresvergleich hat das Bruttoinlandsprodukt (BIP) bereits um 3,1 Prozent zugelegt. Dank des anhaltenden Wachstums auf hohem Niveau liegt die Wirtschaftskraft inzwischen sogar leicht über VorkrisenNiveau. Was die Regierung Rajoy natürlich als Erfolg verkauft.
Ein Erfolg ist es sicherlich. Doch dessen Väter sitzen nicht allein in Madrid. Und er hat nicht nur positive Seiten. Da wäre zum einen die Europäische Kommission. Brüssels Entgegenkommen in Sachen Haushaltsdefizit hat es der Regierung in Madrid möglich ge- macht, erhebliche Steuererleichterungen zu beschließen, die den privaten Konsum gefördert haben. Die Zins- und Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (BZE) wiederum hat dafür gesorgt, dass die Risikoprämie für spanische Staatsanleihen niedrig blieb.
Hinzu kamen wachstumsfördernde Faktoren, auf die Madrid wenig Einfluss hatte. Mit dem niedrigen Ölpreis sanken die Energiekosten für Unternehmen und Privathaushalte. Dann profitierte Spanien von der politischen Unsi- cherheit in wichtigen Urlaubsländern am Mittelmeer und erlebte einen Rekordansturm an ausländischen Touristen.
Hinzu kommt ein enormer Gewinn an Produktivität in der spanischen Wirtschaft. Rund 3,8 Millionen Arbeitsplätze gingen in der Krise verloren. 1,9 Millionen konnten bislang erst zurückgewonnen werden. Was heißt, das die aktuelle Wirtschaftskraft, die wieder auf Vorkrisen-Niveau liegt, mit 1,9 Millionen Beschäftigen weniger erzielt wird als vor 2008.
Vor der Einführung des Euro war es ein probates Mittel, die Peseta abzuwerten, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Das ging dann nicht mehr. Das einfachste Mittel, um Kosten zu senken, war nun der Abbau von Personal. Neueinstellungen wiederum erfolgten zu niedrigeren Löhnen und mit Zeitverträgen anstellen von Festanstellungen. Selbst im vergangenen Jahr sank laut INE der durchschnittliche Brutto-Lohn um 0,3 Prozent gegenüber 2015.
So liegen die Löhne in Spanien noch nicht wieder auf VorkrisenNiveau. Vor allem jüngere Leute müssen mit geringeren Vergütungen vorlieb nehmen. Die Zeitung „El País“zitiert aus eine Studie der Großbank BBVA, wonach das verfügbare Pro-Kopf-Einkommen erst in ein paar Jahren wieder Vorkrisen-Niveau erreichen wird.
Auch hat das Spitzenwachstum die Arbeitslosigkeit nicht auf den Stand der Boomjahre zu senken vermocht. Sie liegt weiterhin extrem hoch bei 17,2 Prozent. Allerdings belebt sich der Arbeitsmarkt spürbar.
Hinzu kamen wachstumsfördernde Faktoren, auf die Madrid wenig Einfluss hatte