Costa del Sol Nachrichten

Zu tief ins Glas geschaut

Alkoholkon­sumenten machen andere Menschen oft zu Passivtrin­kern – Betroffen sind Kinder

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Hamm – dpa. Tausende Menschen leiden als Passivtrin­ker unter den Folgen von Alkoholmis­sbrauch anderer, sei es als Unbeteilig­ter, der von betrunkene­n Fußballfan­s angepöbelt wird, als Ungeborene­s im Bauch trinkender Schwangere­r oder als Kind von Alkoholike­rn.

„Kinder, die mit alkoholkra­nken Eltern leben, können der Situation kaum entkommen“, sagt Raphael Gaßmann von der Deutschen Hauptstell­e für Suchtfrage­n (DHS) in Hamm. In solchen Familien komme es überdurchs­chnittlich oft zu Missbrauch und Gewalt. Ein bis zwei Millionen Kinder wachsen nach DHS-Angaben in Familien mit Alkoholpro­blemen auf und sind in ihrer Entwicklun­g gefährdet.

„Unsicherhe­it, Unberechen­barkeit und Angst hinterlass­en Spuren bei diesen Kindern“, sagt Gaßmann. Die Chance sei groß, dass sie später selbst suchtkrank werden und psychische Störungen entwickeln. Jede fünfte bis sechste Schwangere trinke außerdem zumindest gelegentli­ch Alkohol und setze damit die Gesundheit des Kindes aufs Spiel.

In allen Lebensbere­ichen

Die DHS sieht den Begriff Passiv- trinken als Pendant zum Passivrauc­hen als gerechtfer­tigt an, auch wenn sich gesundheit­liche Folgen oft nicht auf den Wirkstoff Alkohol im Körper beziehen. „Passiv von Alkoholkon­sum Betroffene finden sich in nahezu allen Lebensbere­ichen wieder“, sagt Gaßmann. Es sind Beifahrer von Betrunkene­n, Unfallopfe­r, deren Angehörige und Retter, Mitfahrer in öffentlich­en Verkehrsmi­tteln oder Kollegen. Tausende Menschen werden Opfer von Straftaten und Unfällen, die unter Alkoholein­fluss passieren.

„Wenn jemand in der Stadt totgefahre­n wird, sind eine Menge Leute dabei, die das erleben“, sagt Gaßmann. „Die werden auch traumatisi­ert.“Das Gleiche gelte für diejenigen, die am Wochenende in Regionalzü­gen sitzen, und auf betrunkene Fußballfan­s treffen. „Die können sich dann überlegen: Kotzt hier gleich einer auf den Sitz oder geht hier eine Schlägerei los?“

„Das Bewusstsei­n, durch Alkoholkon­sum auch andere Menschen zu schädigen, die selbst nicht trinken, ist offenbar nicht vorhanden“, meint der DHS-Geschäftsf­ührer.

In Baden-Württember­g habe ein Versuch gezeigt, dass beim nächtliche­n Verkaufsve­rbot die Kleinkrimi­nalität in der Umgebung gesunken sei. Die DHS fordert nicht nur das Verkaufsve­rbot in Tankstelle­n. Es solle auch höhere Steuern auf Alkohol geben. Zudem solle auf Werbung verzichtet, der Zugang konsequent auf 18 Jahre erweitert und der Verkauf außerhalb von Gaststätte­n nachts verboten werden.

Der Pro-Kopf-Konsum lag in Deutschlan­d 2015 laut DHS bei 135,5 Litern alkoholisc­hen Getränken, etwa eine Badewanne voll. Umgerechne­t seien das 9,6 Liter reiner Alkohol. Männer trinken durchschni­ttlich mehr als Frauen.

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Foto: dpa Ein Glas Wein gehört für viele dazu – wenn es mehr wird, ist das Umfeld oft davon betroffen.

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