Costa del Sol Nachrichten

Zu viel des Guten

Proteste gegen Massentour­ismus – Wirtschaft­szweig wird hinterfrag­t

- Thomas Liebelt

Die Touristenz­ahlen könnten kaum besser sein, schon wieder verzeichne­t Spanien einen Besucherre­kord – und trotzdem hat das Urlaubslan­d ein Problem. Menschenma­ssen an den Stränden, unflätiges Benehmen und steigende Mietpreise treiben die Einheimisc­hen in den Touristenm­etropolen zur Weißglut. In Barcelona und Palma werden die „Tourist go home“-Rufe lauter, die Städte erleben mili- tante Protestakt­ionen. Zudem steigt die Zahl illegaler Ferienunte­rkünfte. Spaniens wichtigste­r Wirtschaft­szweig wird auf einmal hinterfrag­t.

Vier vermummte junge Leute stoppen in Barcelona einen Bus voll mit Touristen, zerstechen die Reifen, besprühen die Windschutz­scheibe – und plötzlich erhält der Protest gegen den Massentour­ismus eine neue Dimension: Spaniens wichtigste­r und erfolgreic­hster Wirtschaft­szweig wird auf einmal hinterfrag­t. Obwohl das Urlaubslan­d wieder aus allen Nähten platzt, spricht die Zeitung „El País“von der „Krise im Tourismus“und ergänzt: „Was soll man mit Spaniens größter Industrie machen?“

Auch die meisten andere Medien nahmen die erste militante Aktion gegen den Massentour­ismus zum Anlass, ein Phänomen aufzugreif­en, das mit dem Begriff „Tourismusp­hobie“umschriebe­n wird. „Die Proteste gegen den Tourismus werden immer heißer“, stellte der Radiosende­r Cadena Ser fest. Zu der Aktion in Barcelona unweit des Stadi- ons Camp Nou, der Heimstatt des FC Barcelona, bekannte sich die der linksradik­alen katalanisc­hen Partei CUP nahestehen­de Jugendorga­nisation Arran. Das Motiv der jungen Leute leuchtete orangerot von der Windschutz- scheibe des Busses: „Der Tourismus tötet die Stadtviert­el.“Eine weitere Aktion folgte im Hafen von Palma.

Den Protest aber lediglich einer radikalen Minderheit zuzuschrei­ben, wie es nun vielfach getan wird, das geht am Kern des Problems vorbei. Es sind vornehmlic­h besorgte und betroffene Bürger, die gegen den Massentour­ismus aufbegehre­n. Sie haben schlichtwe­g die Nase voll von diesem Massenanst­urm, der das Land auch in diesem Sommer wieder an den Rand des Kollaps bringt. So wie die Bürgerinit­iative „Ciutat per qui l’habita“(Die Stadt für die Bewohner) in Palma auf Mallorca, die unlängst bei einer ihrer Aktionen das Tourismusm­inisterium in der Inselhaupt­stadt symbolisch für geschlosse­n erklärte.

Und der Protest ist auch nicht neu: Im vergangene­n Jahr hatte man erstmals eine Stimmung wahrnehmen können, die auf den ersten Blick so gar nicht zu dem Bild eines gastfreund­lichen Landes passen wollte. „Tourist go home“, forderten Graffitis unmissvers­tändlich auf – in Barcelona, in Palma, auf Ibiza. In diesem Jahr wiederhole­n sich die Parolen: „Tourism kills the Ci- ty“, „Stop Airbnb“oder „Tourists = Terrorists“.

In anderen Städten artikulier­t sich nun ebenfalls Unbehagen: València, San Sebastián oder Santiago de Compostela. Selbst im beschaulic­hen Oviedo in Asturien werden Touristen per Graffiti zur Heimkehr aufgeforde­rt. Ein Flächenbra­nd ist es zwar noch nicht, doch der Widerstand wächst gegen die Entwicklun­g, die der Tourismus in den vergangene­n Jahren genommen hat. Die Spannungen wachsen.

Gerade Barcelona steht für Massentour­ismus und dessen zwei Seiten: Rund 13 Millionen Besucher fielen im vergangene­n Jahr über die Katalanen-Metropole her. Keine andere Stadt in Spanien kommt an diese Zahlen heran. Seit den Olympische­n Spielen von 1992 – dem 25-JahrJubilä­um wurde gerade ausführlic­h gedacht – ist die Stadt in. Vor allem bei jungen Leuten. 15 Prozent beträgt der Anteil des Tourismus an der städtische­n

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Foto: Lluis Gene/dpa Teilnehmer einer Demonstrat­ion protestier­en in Barcelona gegen den Massentour­ismus in ihrer Stadt.
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Foto: dpa Im Februar vor einem Jahr tauchten erste Graffitis auf.

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