Zu viel des Guten
Proteste gegen Massentourismus – Wirtschaftszweig wird hinterfragt
Die Touristenzahlen könnten kaum besser sein, schon wieder verzeichnet Spanien einen Besucherrekord – und trotzdem hat das Urlaubsland ein Problem. Menschenmassen an den Stränden, unflätiges Benehmen und steigende Mietpreise treiben die Einheimischen in den Touristenmetropolen zur Weißglut. In Barcelona und Palma werden die „Tourist go home“-Rufe lauter, die Städte erleben mili- tante Protestaktionen. Zudem steigt die Zahl illegaler Ferienunterkünfte. Spaniens wichtigster Wirtschaftszweig wird auf einmal hinterfragt.
Vier vermummte junge Leute stoppen in Barcelona einen Bus voll mit Touristen, zerstechen die Reifen, besprühen die Windschutzscheibe – und plötzlich erhält der Protest gegen den Massentourismus eine neue Dimension: Spaniens wichtigster und erfolgreichster Wirtschaftszweig wird auf einmal hinterfragt. Obwohl das Urlaubsland wieder aus allen Nähten platzt, spricht die Zeitung „El País“von der „Krise im Tourismus“und ergänzt: „Was soll man mit Spaniens größter Industrie machen?“
Auch die meisten andere Medien nahmen die erste militante Aktion gegen den Massentourismus zum Anlass, ein Phänomen aufzugreifen, das mit dem Begriff „Tourismusphobie“umschrieben wird. „Die Proteste gegen den Tourismus werden immer heißer“, stellte der Radiosender Cadena Ser fest. Zu der Aktion in Barcelona unweit des Stadi- ons Camp Nou, der Heimstatt des FC Barcelona, bekannte sich die der linksradikalen katalanischen Partei CUP nahestehende Jugendorganisation Arran. Das Motiv der jungen Leute leuchtete orangerot von der Windschutz- scheibe des Busses: „Der Tourismus tötet die Stadtviertel.“Eine weitere Aktion folgte im Hafen von Palma.
Den Protest aber lediglich einer radikalen Minderheit zuzuschreiben, wie es nun vielfach getan wird, das geht am Kern des Problems vorbei. Es sind vornehmlich besorgte und betroffene Bürger, die gegen den Massentourismus aufbegehren. Sie haben schlichtweg die Nase voll von diesem Massenansturm, der das Land auch in diesem Sommer wieder an den Rand des Kollaps bringt. So wie die Bürgerinitiative „Ciutat per qui l’habita“(Die Stadt für die Bewohner) in Palma auf Mallorca, die unlängst bei einer ihrer Aktionen das Tourismusministerium in der Inselhauptstadt symbolisch für geschlossen erklärte.
Und der Protest ist auch nicht neu: Im vergangenen Jahr hatte man erstmals eine Stimmung wahrnehmen können, die auf den ersten Blick so gar nicht zu dem Bild eines gastfreundlichen Landes passen wollte. „Tourist go home“, forderten Graffitis unmissverständlich auf – in Barcelona, in Palma, auf Ibiza. In diesem Jahr wiederholen sich die Parolen: „Tourism kills the Ci- ty“, „Stop Airbnb“oder „Tourists = Terrorists“.
In anderen Städten artikuliert sich nun ebenfalls Unbehagen: València, San Sebastián oder Santiago de Compostela. Selbst im beschaulichen Oviedo in Asturien werden Touristen per Graffiti zur Heimkehr aufgefordert. Ein Flächenbrand ist es zwar noch nicht, doch der Widerstand wächst gegen die Entwicklung, die der Tourismus in den vergangenen Jahren genommen hat. Die Spannungen wachsen.
Gerade Barcelona steht für Massentourismus und dessen zwei Seiten: Rund 13 Millionen Besucher fielen im vergangenen Jahr über die Katalanen-Metropole her. Keine andere Stadt in Spanien kommt an diese Zahlen heran. Seit den Olympischen Spielen von 1992 – dem 25-JahrJubiläum wurde gerade ausführlich gedacht – ist die Stadt in. Vor allem bei jungen Leuten. 15 Prozent beträgt der Anteil des Tourismus an der städtischen