Das Erbe der Costa del Sol
Immer mehr Städte unterzeichnen die „Carta de Jaén“– die Basis für eine Mitgliedschaft in der Organisation „Rotta dei Finici“
Die Costa del Sol ist voll von Fundstücken aus längst vergangenen Zeiten. Zahlreiche Ausgrabungen haben das bewiesen. Die meisten von ihnen stammen aus der Zeit der Römer und Mauren, die an der gesamten Küste siedelten. Doch einige Fundstücke sind noch viel älter wie beispielsweise Schmiedeeisen und Produkte aus Kupfer, die man in dem ehemaligen Dorf „Los Toscanos“zwischen Almayate und Torre del Mar im östlichen Teil der Provinz Málaga gefunden hat. Diese Ausgrabungsstücke wurden den Phöniziern zugeordnet, die zirka 1.000 bis 100 vor Christus an der Costa del Sol gelebt hatten. Und genau diese Ausgrabungen interessieren Manolo Domínguez.
Der Glaskünstler, der seit knapp fünf Jahren das Projekt „Ar- tesanía Axarquía“leitet und jedes Jahr in der Sommersaison einen dreimonatigen Kunsthandwerksmarkt in Torrox Costa sowie Torre del Mar organisiert, will beweisen, dass die Glaskunst in direktem Zusammenhang mit den Phöniziern steht.
„Wir stellen Glasreplikate her, so wie sie damals von den Phöniziern produziert wurden. Auf unseren Märkten in Torre del Mar und in Torrox Costa verkaufen wir diese Kunstwerke schließlich“, sagt Domínguez. „Auch kostenlose Workshops bieten wir an, durch die die Besucher sehen können, wie Glasprodukte damals mit verhältnismäßig einfachen Mitteln erstellt wurden.“
Vor zwei Jahren schloss „Artesanía Axarquía“schließlich einen Vertrag mit der KunsthandwerksKammer von Marrakesch, nachdem Archäologen bei Ausgrabungen auch dort phönizische Produk- te aus dem Jahr 500 vor Christus nachgewiesen hatten. „Seitdem unterstützen wir uns gegenseitig bei Übersetzungen von Texten und Planungen von Projekten“, erklärt Domínguez. „Dadurch, dass andalusische Städte mit dem Dorf Kinitra in Marrakesch eine gemeinsame phönizische Vergangenheit haben, kam die Idee auf, Partnerschaften zwischen den Gemeinden zu schließen.“
Mit vorbereiteten Unterlagen, die jede Menge ökonomische, geschichtlichte, geografische, kulturelle und landwirtschaftliche Informationen und Daten beinhalten, wirbt Domínguez seit bereits fast zwei Jahren bei zahlreichen Amtsträgern und öffentlichen Stellen
Manolo Domínguez will die phönizische Geschichte beleben
wie den Rathäusern an der Costa del Sol, der spanischen Botschaft und verschiedenen Konsulaten, um eine Partnerschaft der Gemeinden zu erwirken. „Unsere Unterlagen beweisen, dass zahlreiche Städte der Provinz Málaga mit der afrikanischen Gemeinde Kinitra viele Gemeinsamkeiten haben und eine Partnerschaft der Orte deshalb von großem kulturellen Vorteil für alle Beteiligten wäre“, meint Manolo Domínguez.
Außerdem setzt sich Domínguez dafür ein, dass diejenigen Gemeinden in der Provinz Málaga, die eine phönizische Vergangenheit haben, als Mitglieder in die Organisation „Rotta dei Fenici“aufgenommen werden – eine Organisation, die in Italien gegründet wurde und dem europäischen Rat sowie der Welt-Tourismus-Organisation untersteht. Die Organisation veranstaltet jedes Jahr verschiedene themenspezifische Events. Insgesamt Zahlreiche Städte aus 18 mediterranen Ländern und von drei unterschiedlichen Kontinenten gehören dieser Organisation bereits an. Städte aus Andalusien könnten folgen. „Diese würden durch die Mitgliedschaft in der Organisation ,Rotta dei Fenici‘ international bekannt werden und von europäischen Förderungen profitieren“, erklärt Domínguez. Die Voraussetzung für die Mitgliedschaft einer Gemeinde in der „Rotta dei Fenici“ist die Unterzeichnung der sogenannten „Carta de Jaén“(dt.: Karte von Jaén) durch die Vertreter der entsprechenden Gemeinden. Bei der „Carta de Jaén“handelt es sich um ein Dokument der Universität von Jaén, in das man wirtschaftliche, kulturrelle und touristische Güter für Hochschul-Forschungszwecke eintragen lassen kann. In den ver-
gangenen Monaten konnte Manolo Domínguez mit seinem Einsatz bereits große Erfolge feiern. Gespräche mit Vertretern der Gemeinde Algarrobo hatten dazu geführt, dass diese die „Carta de Jaén“binnen drei Monaten unterzeichneten. „Auch Málaga, Almuñécar und Cádiz haben das Dokument bereits abgesegnet. Als nächstes erwarten wir, dass Vélez-Málaga nachzieht“, sagt Domínguez. Auch mit Vertretern der Gemeinden Torrox und Nerja will sich der Glaskünstler unterhalten. Denn auch diese Ortschaften sind Teil der phönizischen Geschichte.
Mittlerweile habe sogar die Unesco die phönizische Route in Andalusien als hochwertiges Kulturgut anerkannt, so Domínguez. „Die Phönizier hatten sich nämlich in ganz Andalusien ausgebreitet. Sie entwickelten kunstvolle Produkte wie Tafelgeschirr, Elfenbeinschnitzereien sowie kunstreiche Metallwaren und trieben intensiv Handel damit. Eine der wichtigsten Routen der Phönizier, die Wissenschaftler vor Kurzem entdeckt haben, verlief von Cádiz über die Straße von Gibraltar und den Fluss Sebou bis in die Stadt Banasa in Marokko“, erklärt Domínguez. „Deshalb ist es auch wichtig, diese Länder in die kulturellen Bemühungen mit einzubeziehen.“ Ein aus dem Jahr 1990 geschlossenen Vertrag zwischen fünf europäischen und fünf afrikanischen Margreb-Ländern will Domínguez nun wiederbeleben. Man habe die Verträge damals unterzeichnet, um den Kultur-Tourismus aller beteiligten zehn Länder anzukurbeln, so der engagierte Glaskünstler. Jedoch seien die Dokumente anschließend in einer Schublade verschwunden und man habe nie mehr etwas gemacht. „Es ist jetzt eine gute Zeit, um diese Verträge wieder zu reaktivieren“, sagt Domínguez. „Denn das Thema über die Phönizier ist so heiß wie nie zuvor. Vereint kann man außerdem sehr viel mehr erreichen, als wenn man versucht, alles alleine auf die Beine zu stellen.“
Für die beteiligten Länder und Städte gebe es daher nur Vorteile, ist sich Domínguez sicher. Man habe die Unterstützung des Europäischen Rates, der Welt-Tourismus-Organisation und der Unesco. Die Wirtschaft der entsprechenden Gebiete könne mittel- und langfristig davon profitieren.
Außerdem setze man in einer aktuell schwierigen Zeit mit dem Problem des islamistischen Terrors ein wichtiges Zeichen. Denn der Terror entstehe durch zwischenmenschliche Probleme, die wiederum durch Unterschiedlichkeit ausgelöst werden. Beim Thema „phönizische Kultur“jedoch werden nicht die Unterschiede, sondern die Gemeinsamkeiten der Völker hervorgehoben, sagt Manolo Domínguez. Vor 3.000 Jahren besiedelten die Phönizier große Teile Andalusiens. Seit 1792 wurden besonders um die Gemeinden Algarrobo und Vélez-Málaga die Überreste zahlreicher phönizischer Handelsprodukte sowie Bau- und Kunstwerke gefunden. Richtung Cerro del Mar in Vélez Málaga haben Archäologen die phönizische Grabstätte „Necrópolis del Jardín“freigelegt. Sie gilt heute als beliebtes Ziel für Klassenfahrten von Schulgruppen. Archäologen gehen davon aus, dass auch die Provinzhauptstadt Málaga von den Phöniziern gegründet wurde. Der Name Málaga, damals als „Malaka“bezeichnet, leitet sich wahrscheinlich von dem phönizischen Wort für Salz ab, das damals in großen Mengen verwendet wurde, um geangelte Fische in der Nähe des Hafens haltbar zu machen.
Über die Meeranbindung konnten die Phönizier außerdem problemlos zahlreiche MittelmeerStädte sowie den Norden Afrikas erreichen, um ihre Handelsbeziehungen auszubauen.
Jeder kenne und spreche fast ausschließlich über die römische und maurische Geschichte Andalusiens, meint Domínguez. Niemand aber erwähne die Phönizier.
„Die phönizische Geschichte ist jedoch sehr wichtig, weil sie uns noch immer sehr unbekannt ist“, meint der Glaskünstler. „Dennoch hat sie das andalusische Leben nachhaltig geprägt. Vieles aus der Zeit der Phönizier, wie etwa das Kunsthandwerk, haben wir in unsere Kultur mit übernommen. Deshalb ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, auch über diesen Abschnitt der Geschichte zu berichten und Bescheid zu wissen.“
Über die Meeranbindung konnten die Phönizier Handelspartner erreichen