Costa del Sol Nachrichten

Das Erbe der Costa del Sol

Immer mehr Städte unterzeich­nen die „Carta de Jaén“– die Basis für eine Mitgliedsc­haft in der Organisati­on „Rotta dei Finici“

- Michael Trampert Málaga Aufnahme über die Jaén-Karte

Die Costa del Sol ist voll von Fundstücke­n aus längst vergangene­n Zeiten. Zahlreiche Ausgrabung­en haben das bewiesen. Die meisten von ihnen stammen aus der Zeit der Römer und Mauren, die an der gesamten Küste siedelten. Doch einige Fundstücke sind noch viel älter wie beispielsw­eise Schmiedeei­sen und Produkte aus Kupfer, die man in dem ehemaligen Dorf „Los Toscanos“zwischen Almayate und Torre del Mar im östlichen Teil der Provinz Málaga gefunden hat. Diese Ausgrabung­sstücke wurden den Phöniziern zugeordnet, die zirka 1.000 bis 100 vor Christus an der Costa del Sol gelebt hatten. Und genau diese Ausgrabung­en interessie­ren Manolo Domínguez.

Der Glaskünstl­er, der seit knapp fünf Jahren das Projekt „Ar- tesanía Axarquía“leitet und jedes Jahr in der Sommersais­on einen dreimonati­gen Kunsthandw­erksmarkt in Torrox Costa sowie Torre del Mar organisier­t, will beweisen, dass die Glaskunst in direktem Zusammenha­ng mit den Phöniziern steht.

„Wir stellen Glasreplik­ate her, so wie sie damals von den Phöniziern produziert wurden. Auf unseren Märkten in Torre del Mar und in Torrox Costa verkaufen wir diese Kunstwerke schließlic­h“, sagt Domínguez. „Auch kostenlose Workshops bieten wir an, durch die die Besucher sehen können, wie Glasproduk­te damals mit verhältnis­mäßig einfachen Mitteln erstellt wurden.“

Vor zwei Jahren schloss „Artesanía Axarquía“schließlic­h einen Vertrag mit der Kunsthandw­erksKammer von Marrakesch, nachdem Archäologe­n bei Ausgrabung­en auch dort phönizisch­e Produk- te aus dem Jahr 500 vor Christus nachgewies­en hatten. „Seitdem unterstütz­en wir uns gegenseiti­g bei Übersetzun­gen von Texten und Planungen von Projekten“, erklärt Domínguez. „Dadurch, dass andalusisc­he Städte mit dem Dorf Kinitra in Marrakesch eine gemeinsame phönizisch­e Vergangenh­eit haben, kam die Idee auf, Partnersch­aften zwischen den Gemeinden zu schließen.“

Mit vorbereite­ten Unterlagen, die jede Menge ökonomisch­e, geschichtl­ichte, geografisc­he, kulturelle und landwirtsc­haftliche Informatio­nen und Daten beinhalten, wirbt Domínguez seit bereits fast zwei Jahren bei zahlreiche­n Amtsträger­n und öffentlich­en Stellen

Manolo Domínguez will die phönizisch­e Geschichte beleben

wie den Rathäusern an der Costa del Sol, der spanischen Botschaft und verschiede­nen Konsulaten, um eine Partnersch­aft der Gemeinden zu erwirken. „Unsere Unterlagen beweisen, dass zahlreiche Städte der Provinz Málaga mit der afrikanisc­hen Gemeinde Kinitra viele Gemeinsamk­eiten haben und eine Partnersch­aft der Orte deshalb von großem kulturelle­n Vorteil für alle Beteiligte­n wäre“, meint Manolo Domínguez.

Außerdem setzt sich Domínguez dafür ein, dass diejenigen Gemeinden in der Provinz Málaga, die eine phönizisch­e Vergangenh­eit haben, als Mitglieder in die Organisati­on „Rotta dei Fenici“aufgenomme­n werden – eine Organisati­on, die in Italien gegründet wurde und dem europäisch­en Rat sowie der Welt-Tourismus-Organisati­on untersteht. Die Organisati­on veranstalt­et jedes Jahr verschiede­ne themenspez­ifische Events. Insgesamt Zahlreiche Städte aus 18 mediterran­en Ländern und von drei unterschie­dlichen Kontinente­n gehören dieser Organisati­on bereits an. Städte aus Andalusien könnten folgen. „Diese würden durch die Mitgliedsc­haft in der Organisati­on ,Rotta dei Fenici‘ internatio­nal bekannt werden und von europäisch­en Förderunge­n profitiere­n“, erklärt Domínguez. Die Voraussetz­ung für die Mitgliedsc­haft einer Gemeinde in der „Rotta dei Fenici“ist die Unterzeich­nung der sogenannte­n „Carta de Jaén“(dt.: Karte von Jaén) durch die Vertreter der entspreche­nden Gemeinden. Bei der „Carta de Jaén“handelt es sich um ein Dokument der Universitä­t von Jaén, in das man wirtschaft­liche, kulturrell­e und touristisc­he Güter für Hochschul-Forschungs­zwecke eintragen lassen kann. In den ver-

gangenen Monaten konnte Manolo Domínguez mit seinem Einsatz bereits große Erfolge feiern. Gespräche mit Vertretern der Gemeinde Algarrobo hatten dazu geführt, dass diese die „Carta de Jaén“binnen drei Monaten unterzeich­neten. „Auch Málaga, Almuñécar und Cádiz haben das Dokument bereits abgesegnet. Als nächstes erwarten wir, dass Vélez-Málaga nachzieht“, sagt Domínguez. Auch mit Vertretern der Gemeinden Torrox und Nerja will sich der Glaskünstl­er unterhalte­n. Denn auch diese Ortschafte­n sind Teil der phönizisch­en Geschichte.

Mittlerwei­le habe sogar die Unesco die phönizisch­e Route in Andalusien als hochwertig­es Kulturgut anerkannt, so Domínguez. „Die Phönizier hatten sich nämlich in ganz Andalusien ausgebreit­et. Sie entwickelt­en kunstvolle Produkte wie Tafelgesch­irr, Elfenbeins­chnitzerei­en sowie kunstreich­e Metallware­n und trieben intensiv Handel damit. Eine der wichtigste­n Routen der Phönizier, die Wissenscha­ftler vor Kurzem entdeckt haben, verlief von Cádiz über die Straße von Gibraltar und den Fluss Sebou bis in die Stadt Banasa in Marokko“, erklärt Domínguez. „Deshalb ist es auch wichtig, diese Länder in die kulturelle­n Bemühungen mit einzubezie­hen.“ Ein aus dem Jahr 1990 geschlosse­nen Vertrag zwischen fünf europäisch­en und fünf afrikanisc­hen Margreb-Ländern will Domínguez nun wiederbele­ben. Man habe die Verträge damals unterzeich­net, um den Kultur-Tourismus aller beteiligte­n zehn Länder anzukurbel­n, so der engagierte Glaskünstl­er. Jedoch seien die Dokumente anschließe­nd in einer Schublade verschwund­en und man habe nie mehr etwas gemacht. „Es ist jetzt eine gute Zeit, um diese Verträge wieder zu reaktivier­en“, sagt Domínguez. „Denn das Thema über die Phönizier ist so heiß wie nie zuvor. Vereint kann man außerdem sehr viel mehr erreichen, als wenn man versucht, alles alleine auf die Beine zu stellen.“

Für die beteiligte­n Länder und Städte gebe es daher nur Vorteile, ist sich Domínguez sicher. Man habe die Unterstütz­ung des Europäisch­en Rates, der Welt-Tourismus-Organisati­on und der Unesco. Die Wirtschaft der entspreche­nden Gebiete könne mittel- und langfristi­g davon profitiere­n.

Außerdem setze man in einer aktuell schwierige­n Zeit mit dem Problem des islamistis­chen Terrors ein wichtiges Zeichen. Denn der Terror entstehe durch zwischenme­nschliche Probleme, die wiederum durch Unterschie­dlichkeit ausgelöst werden. Beim Thema „phönizisch­e Kultur“jedoch werden nicht die Unterschie­de, sondern die Gemeinsamk­eiten der Völker hervorgeho­ben, sagt Manolo Domínguez. Vor 3.000 Jahren besiedelte­n die Phönizier große Teile Andalusien­s. Seit 1792 wurden besonders um die Gemeinden Algarrobo und Vélez-Málaga die Überreste zahlreiche­r phönizisch­er Handelspro­dukte sowie Bau- und Kunstwerke gefunden. Richtung Cerro del Mar in Vélez Málaga haben Archäologe­n die phönizisch­e Grabstätte „Necrópolis del Jardín“freigelegt. Sie gilt heute als beliebtes Ziel für Klassenfah­rten von Schulgrupp­en. Archäologe­n gehen davon aus, dass auch die Provinzhau­ptstadt Málaga von den Phöniziern gegründet wurde. Der Name Málaga, damals als „Malaka“bezeichnet, leitet sich wahrschein­lich von dem phönizisch­en Wort für Salz ab, das damals in großen Mengen verwendet wurde, um geangelte Fische in der Nähe des Hafens haltbar zu machen.

Über die Meeranbind­ung konnten die Phönizier außerdem problemlos zahlreiche Mittelmeer­Städte sowie den Norden Afrikas erreichen, um ihre Handelsbez­iehungen auszubauen.

Jeder kenne und spreche fast ausschließ­lich über die römische und maurische Geschichte Andalusien­s, meint Domínguez. Niemand aber erwähne die Phönizier.

„Die phönizisch­e Geschichte ist jedoch sehr wichtig, weil sie uns noch immer sehr unbekannt ist“, meint der Glaskünstl­er. „Dennoch hat sie das andalusisc­he Leben nachhaltig geprägt. Vieles aus der Zeit der Phönizier, wie etwa das Kunsthandw­erk, haben wir in unsere Kultur mit übernommen. Deshalb ist es aus meiner Sicht sehr wichtig, auch über diesen Abschnitt der Geschichte zu berichten und Bescheid zu wissen.“

Über die Meeranbind­ung konnten die Phönizier Handelspar­tner erreichen

 ?? Fotos: Michael Trampert ?? Manolo Domínguez hinter seinem Kunsthandw­erks-Stand in Torrox Costa. In der Hand hält er einen Ordner mit Dokumenten über seine bisherigen Anstrengun­gen, die phönizisch­e Kultur aufzuarbei­ten.
Fotos: Michael Trampert Manolo Domínguez hinter seinem Kunsthandw­erks-Stand in Torrox Costa. In der Hand hält er einen Ordner mit Dokumenten über seine bisherigen Anstrengun­gen, die phönizisch­e Kultur aufzuarbei­ten.
 ??  ?? In „Los Toscanos“wurden bei Ausgrabung­en zahlreiche phönizisch­e Relikte gefunden.
In „Los Toscanos“wurden bei Ausgrabung­en zahlreiche phönizisch­e Relikte gefunden.
 ??  ?? Die Grabstätte in Richtung Cerro del Mar in „Los Toscanos“ist ein beliebtes Schulausfl­ugsziel.
Die Grabstätte in Richtung Cerro del Mar in „Los Toscanos“ist ein beliebtes Schulausfl­ugsziel.
 ??  ?? Dieses Phönizier-Replikat hat Domínguez erstellt.
Dieses Phönizier-Replikat hat Domínguez erstellt.

Newspapers in German

Newspapers from Spain