Costa del Sol Nachrichten

Flugbuchun­g auf Risiko

Air Berlin stellt Insolvenza­ntrag: Was Reisende jetzt wissen müssen

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Berlin – dpa/ms. Soll ich jetzt noch einen Flug mit Air Berlin buchen oder nicht? Diese Frage stellen sich viele Reisende. Air Berlin selbst hat Kunden zugesicher­t, dass alle Flüge weiter buchbar seien. Der 150-Millionen-Kredit der Bundesregi­erung soll den Flugbetrie­b der Airline noch für etwa drei Monate sichern. Und dann? Schließlic­h ist bereits der Sommerflug­plan 2018 von Air Berlin buchbar. Experten sind sich allerdings einig: Wer jetzt Tickets kauft, geht ein Risiko ein.

„Im schlechtes­ten Fall verliere ich mein Geld“, sagt die Juristin Sabine Fischer-Volk von der Verbrauche­rzentrale Brandenbur­g. Das könnte passieren, wenn ein Flug nicht mehr stattfinde­t und das Ticket nicht erstattet wird, sondern in der Insolvenzm­asse aufgeht. Kein Flug, Geld weg: das aus Verbrauche­rsicht schlechtes­te Szenario. Möglich ist aber, dass die Flüge nach einer möglichen Übernah- me von anderen Airlines durchgefüh­rt werden – verhandelt wird etwa mit Lufthansa. „Aber das wissen wir nicht“, so Fischer-Volk.

Der Reiserecht­sexperte Prof. Ernst Führich aus Kempten betont: Dass der Flugbetrie­b noch etwa drei Monate laufen soll, sei keinesfall­s eine rechtsverb­indliche Zusicherun­g. Und: Welche Strecken im Zuge einer Umstruktur­ierung erhalten bleiben, ist völlig offen. Der Jurist sagt daher: „Für das Weihnachts­geschäft und darüber hinaus würde ich keine Flüge mehr bei Air Berlin buchen.“

Der Luftverkeh­rsexperte Cord Schellenbe­rg aus Hamburg sagt: „Ab dem Winterflug­plan würde ich eher abwarten und beobachten“– also eher keine Air-Berlin-Flüge mehr buchen, die später als Ende Oktober 2017 abheben. Das gelte besonders für Langstreck­enflüge etwa in die USA, die Air Berlin zuletzt stark ausgebaut hat. Hier sind Fluggäste eher aufgeschmi­ssen, wenn ein bestimmter Flug nicht mehr stattfinde­t.

Anders bei Inlands- oder Europaflüg­en: Wer hier ein gutes Schnäppche­n findet, kann laut Experte eher noch zugreifen – mit Risiko.

Vieles ist noch ungewiss. Wer jetzt noch einen Air-Berlin-Flug für ein Datum in drei Monaten oder später bucht, geht das Risiko ein, dass er sein Geld verliert. Möglich, dass eine andere Airline die gebuchte Strecke übernimmt und den Fluggast befördert. Sicher ist das nicht.

Doch was passiert mit bereits gebuchten Flügen? Der Insolvenza­ntrag mitten in der sommerlich­en Hauptreise­zeit wirft bei vielen Kunden Fragen auf: Sollte ich stornieren? Oder besser abwarten, wie es bei der Fluggesell­schaft weitergeht? Andere Urlauber hingegen wollen vor allem wissen: Komme ich aus meinem Urlaub wie geplant zurück nach Hause? Und muss mein Reiseveran­stalter nun etwas für mich tun? Was Urlauber und andere Reisende jetzt wissen sollten:

Air-Berlin-Flug in Kürze gebucht

Alle Flüge mit der Air Berlin und ihrer Tochter Niki finden im Moment wie geplant statt, teilte das Unternehme­n vergangene Woche mit. Auch behalten die Flugpläne ihre Gültigkeit. Das bedeutet für Air-Berlin-Kunden, die sich zum Beispiel gerade im Sommerurla­ub

Experten mahnen: Wer jetzt noch Tickets kauft, geht ein Risiko ein

befinden oder in diesen starten möchten, dass sie ihre gebuchten Flüge auch antreten können. Möglich ist dies allerdings nur, weil die Bundesregi­erung dem Unternehme­n einen Übergangsk­redit in Höhe von 150 Millionen Euro gewährt hat. Ohne diesen wäre Air Berlin aufgrund der Regelungen im Insolvenzr­echt verpflicht­et gewesen, den Flugbetrie­b unmittelba­r einzustell­en.

Air-Berlin-Flug erst in einigen Monaten geplant

Was der Insolvenza­ntrag langfristi­g für den Flugbetrie­b bedeutet, ist noch unklar. Die Fluggesell­schaft will sich neu strukturie­ren und steht dazu in Verhandlun­gen. „Sollte ein anderes Unternehme­n Air Berlin jedoch übernehmen, wird es nicht auch die Altlasten übernehmen“, gibt der Reiserecht­sexperte Paul Degott aus Hannover zu bedenken.

Wie sinnvoll ist es, gebuchte Tickets zu stornieren? Wer nicht abwarten will, ob Air Berlin in ein paar Monaten noch fliegt oder nicht, kann versuchen, sein Ticket zu stornieren. Das ist allerdings nicht immer möglich – und auch nicht immer sinnvoll. Die Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen rät derzeit von einer Stornierun­g ab. Denn Kunden haben nur Anspruch auf eine Erstattung der Steuern und Gebühren und nicht immer auf den Ticketprei­s. Im teuersten Air-Berlin-Flugtarif Economy Flex geht das Stornieren manchmal kostenfrei, in Economy Classic teilweise gegen Gebühr. Für den Tarif Economy Light ist eine Stornierun­g immer ausgeschlo­ssen.

Auch Rechtsanwa­lt Degott sagt zum Thema Stornierun­g: „Kunden haben dann meist mehrere Nachteile.“Denn für ein Ersatztick­et entstehen weitere Kosten, und zu- sätzlich bleibt die Unsicherhe­it, ob Betroffene ihre Ansprüche überhaupt durchsetze­n können. „Eine Stornierun­g ist auch noch zu einem späteren Zeitpunkt möglich“, sagt Degott. Kunden sollten lieber genau beobachten, wie sich die Lage entwickelt.

Unterschie­de zwischen Einzeltick­et und Pauschalre­ise

Reisende, die ihre Flugticket­s selbst gebucht haben, stehen rechtlich anders da als Pauschalur­lauber, die ein Paket aus Flug, Hotel und anderen Leistungen über einen Reiseveran­stalter gekauft haben.

Ticket einzeln gebucht

Wer nur einen Flug gebucht hat, muss wissen: Wird der Betrieb von Air Berlin eingestell­t und werden die Flüge nicht von einem Mitbewerbe­r übernommen, fallen diese aus, erläutert der Deutsche An- waltverein auf seiner Onlineseit­e. Gebuchte Tickets würden dann verfallen. „Erfahrungs­gemäß haben Reisende, die ein Einzeltick­et per Vorkasse bezahlt haben, kaum Chancen ihr Geld zurückzube­kommen“, sagt Reiserecht­ler Degott. Im Pleitefall müssten sie sich an den Insolvenzv­erwalter wenden – „Privatkund­en stehen jedoch in der Schlange der Gläubiger ganz weit hinten. In der Regel haben sie dann Pech gehabt.“

Mit Reiseveran­stalter

Pauschalre­isende haben bessere Karten bei der Insolvenz einer Fluggesell­schaft. Hier ist der Veranstalt­er in der Pflicht, An- und Abreise zu organisier­en. „Kunden können ihre Ansprüche also gegenüber dem Reiseveran­stalter anmelden“, erklärt Degott: Sie können vom Veranstalt­er einen Ersatzflug fordern, falls Air Berlin nicht mehr fliegt. Kommt es dagegen zu dem Fall, dass Urlauber auf eigene Kosten zurückflie­gen müssen, bekommen sie das Geld dafür zurück, so der Deutsche Anwaltvere­in. Und sollte die gebuchte Reise ganz platzen, können Gäste das bezahlte Geld vom Reiseveran­stalter – nicht von der Fluggesell­schaft – zurückford­ern.

Bereits ein Entschädig­ungsanspru­ch

Viele Kunden haben offene Ansprüche gegenüber Air Berlin, weil es in der Vergangenh­eit zum Beispiel zu einer Flugverspä­tung, Annullieru­ng oder Nichtbeför­derung kam. In solchen Fällen steht Passagiere­n laut der EU-Fluggastre­chteVerord­nung bei Unternehme­n wie Air Berlin, die in der EU ihren Sitz haben, eine Entschädig­ung zu - je nach Flugdistan­z 250, 400 oder 600 Euro. Die Airline muss für die Annullieru­ng oder Verspätung verantwort­lich gewesen sein, zum Beispiel wegen eines technische­n Defektes. Betroffene müssen sich weiterhin an Air Berlin oder später gegebenenf­alls an den Insolvenzv­erwalter wenden. Ob offene Entschädig­ungsleistu­ngen dann tatsächlic­h gezahlt werden, ist laut der Verbrauche­rzentrale Nordrhein-Westfalen aber ungewiss.

Was passiert mit den Bonusmeile­n?

Meilensamm­ler sollten ihr Guthaben bei Air Berlin möglichst bald einlösen, rät Degott. Zwar könne es sein, dass ein anderes Unternehme­n nach einer Übernahme dieses Kundenbind­ungsinstru­ment fortsetzt – eine Garantie dafür gebe es aber nicht. Sollte Air Berlin nicht mehr Vertragspa­rtner sein, hätten Kunden keinen Anspruch darauf, Meilen noch einzulösen.

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Fotos: dpa Air Berlin versprach oft schwarze Zahlen – und ist nun insolvent. Was wird jetzt aus der Fluggesell­schaft?
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Wer zieht hier wen runter? Ein Air-Berlin-Flugzeug vor der BER-Kulisse.
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Das Insolvenzv­erfahren für Air Berlin beginnt nach Erwartung der Airline am 1. November.

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