Costa del Sol Nachrichten

Sommer im Schatten

Von wegen blass ist das neue Braun – Nachholbed­arf bei Sonnenschu­tz

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Berlin – dpa. Was haben Dieter Bohlen, Donatella Versace und Daniela Katzenberg­er gemeinsam? Alle drei sehen immer nach Sommer aus – jedenfalls mit Blick auf ihre Bräune. Dabei ist eine Gesichtsfa­rbe, die auf Sonnenbäde­r und Solarium schließen lässt, heute doch eigentlich verpönt. Sollte man jedenfalls meinen, wenn man Zeitungen, Magazine oder Internet-Blogs liest.

Und ganz sicher, wenn man auf seinen Hautarzt hört. Bräune müsse eigentlich als Hautkrankh­eit betrachtet werden, sagte der Münchner Hautarzt Christoph Liebich der Deutschen Presse-Agentur schon zu Beginn des Sommers.

Wer außer sangriasel­igen Briten im Spanien-Urlaub legt sich im Jahr 2017 also noch in die pralle Sonne? „Immer noch viel zu viele“, antwortet der Berliner Dermatolog­e Christian Kors. Das Bewusstsei­n, dass Sonnenbade­n schädlich ist, sei zwar gestiegen, aber es sei immer noch mangelhaft. „Wenn ich Patienten zum Lichtschut­z berate, kommt immer: „Aber dann werde ich ja gar nicht mehr braun?““, erzählt Kors.

Blass sein ist wie versagen

Braun werden wollen die Leute also immer noch. Jeder kennt es ja, das Geplänkel nach dem Urlaub: „Du hast ja richtig Farbe gekriegt!“, rufen Freunde, Nachbarn und Kollegen dem Menschen mit gebräuntem Teint entgegen, so als hätte er etwas geleistet. Aber wer am Mittelmeer eingecremt mit Lichtschut­zfaktor 50 in den Schatten flüchtet, muss sich danach fragen lassen: „Warst Du wirklich auf Sizilien? Du bist ja gar nicht braun geworden!“Es klingt ein bisschen nach Versagen.

Dabei ist die Sonne doch so out? Zumindest schreiben das seit Jahren immer wieder große Zeitungen. Schon 2010 stand in der „Welt“: „Niemand (außer Jennifer Lopez) will aussehen, als sei er gerade von der Dolce&GabbanaYac­ht gefallen oder hätte die Zeit gehabt, wochenlang in der Sonne zu liegen.“

Der „Spiegel“veröffentl­ichte vor zwei Jahren „Ein Hoch auf die Blässe“, und dieses Jahr widmet sich die „SZ“auf einer ganzen Seite der Sonne: „Jahr für Jahr schwindet die Zahl der unbeirrbar­en Lichtgesta­lten, die glauben, dass man sich ihr mit Haut und Haar hingeben muss.“

Auch Hollywood-Stars warnen regelmäßig vor der gelben Gefahr: Fast jeder dürfte wohl das Foto von Hugh Jackman („X-Men“) mit Pflaster auf der Nase kennen. Der australisc­he Schauspiel­er hat sich schon mehrfach wegen Hautkrebs behandeln lassen, sagt immer wieder: Tragt Sonnenschu­tz.

Schauspiel­erin Juliane Moore („A Single Man“) erklärt, sie benutze UV-Schutz auch an Regentagen. In Modezeitsc­hriften ist der Schneewitt­chen-Teint von Megan Fox oder Jessica Chastain Trend.

Die Sonne – der Gegner? Manch einer mag noch die Bilder der verbrannte­n Kronprinze­ssin Mette-Marit in Erinnerung haben. Die hellhäutig­e Norwegerin saß bei einem Interview vor einem Scheinwerf­er, der Sonnenlich­t reflektier­te, und hatte danach starke Verbrennun­gen im Gesicht. Das war 2002. Heute findet sich in dem Frauenmaga­zin „Freundin“ein Pro und Contra zum Sonnenbade­n, und in dem Berliner Blog „Mit Vergnügen“heißt es in einem Anti-Sommer-Text fatalistis­ch: „Du hast die Wahl zwischen Hautkrebs durch Sonnenbran­d oder Brustkrebs durch die Inhaltssto­ffe der Sonnencrem­e.“

Ist blass also das neue Braun? Der Dermatolog­e Kors sagt dazu: „Schön wär’s.“Denn die Zahlen sprechen für sich: Weltweit gebe es jedes Jahr zwei bis drei Millionen neue Fälle von hellem Hautkrebs, schreibt die Deutsche Krebsgesel­lschaft unter Berufung auf die Weltgesund­heitsorgan­isation WHO.

Jede UV-Belichtung verursa- che Erbgutschä­den in den Zellen, sagt Kors. „Die Haut verzeiht extrem viel, aber sie vergisst keinen einzigen UV-Strahl.“

Dass zu viel Sonne und keine oder die falsche Sonnencrem­e schädlich sind, ist nicht neu – und doch hat man das Gefühl, dass das früher weniger Thema war. „Für Hautproble­me aller Art gab es abends die gute Flüssig-Nivea, so wie es für das leicht verbrannte Grillhähnc­hen die Zitrone gab. Am nächsten Morgen ging es wieder raus ins Freie“, beschreibt die „SZ“die Sommer vor Jahrzehnte­n.

Braune Haut war Statussymb­ol

Kann sich irgendjema­nd einen bleichen Burt Reynolds vorstellen? Braun sein, das war lange ein Statussymb­ol. Auch der Dermatolog­e Kors erinnert an die Nachkriegs­generation, die plötzlich Sommerurla­ub machen konnte.

„Alle sind nach Italien gefahren, Bräune zeigte auch, dass man sich das leisten kann.“Später gingen die Leute gar ins Sonnenstud­io, Solarium zählte in den Neunzigern fast als Hobby. Heute steht das Wort „Assi-Toaster“im Duden. Die hässlichen Assoziatio­nen sind im Kopf: Falten, Lederhaut, Krebs. Und auch: Donald Trump.

Die „SZ“sieht nun in den Deutschen, „die immer alles perfekt machen wollen“, schon Sonnenschu­tzweltmeis­ter. Der Berliner Hautarzt Kors kann da nur abwinken. Die Vorzeigena­tion sei Australien. „Für die Menschen dort ist es selbstvers­tändlich, jeden Tag mit UV-Schutz und UVSchutzkl­eidung rauszugehe­n.

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Fotos: dpa Jedes Jahr wird Bräune für uncool und Blässe zum Trend erklärt. Aber ist das wirklich so?

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