Costa del Sol Nachrichten

Unverständ­liche Rechtslage

Pflegesach­leistungen aus Deutschlan­d in Spanien? – Export derzeit nicht möglich

- Dr. Rainer Fuchs

Das Pflegegeld, von dem in den letzten Wochen die Rede war, ist eine frei verfügbare Leistung, die der Pflegebedü­rftige grundsätzl­ich verwenden kann, wie er es möchte. Allerdings prüft die Pflegekass­e regelmäßig, ob der Pflegebedü­rftige auch die nötige Pflege erhält.

Bei notwendige­r häuslicher Pflege gibt es als Alternativ­e zum Pflegegeld einen Anspruch des Pflegebedü­rftigen gegenüber der Pflegekass­e auf Erbringung einer Dienstleis­tung. Das sind die sogenannte­n Sachleistu­ngen. Ihre Pflegekass­e hat dazu Verträge mit Einzelpers­onen und den bekannten Trägern ambulanter Pflegedien­ste geschlosse­n. Der Pflegebedü­rftige kann in besonderen Fällen auch selbst eine Fachkraft einstellen und erhält dann die Kosten im Rahmen seiner Pflegestuf­e erstattet. Bei notwendige­r stationäre­r Pflege gelten höhere Sätze, die von der Pflegekass­e unmittelba­r mit der Pflegeeinr­ichtung abgerechne­t werden.

In der Regel werden mit der Leistung die Kosten nur teilweise abgedeckt; den Differenzb­etrag muss der Pflegebedü­rftige selbst tragen. Oft werden die unterhalts­pflichtige­n Angehörige­n oder das Sozialamt aushelfen müssen. Die Pflegevers­icherung ist leider keine Vollversic­herung!

Seit Januar 2017 gelten folgende monatliche Pflegesach­leistungen: Häusliche ambulante Pflege: Pflegegrad 1: entfällt. Pflegegrad 2: 689 Euro. Pflegegrad 3: 1.289 Euro. Pflegegrad 4: 1.612 Euro. Pflegegrad 5: 1.995 Euro. Vollstatio­näre Pflege: Pflegegrad 1: 125 Euro. Pflegegrad 2: 770 Euro. Pflegegrad 3: 1.262 Euro. Pflegegrad 4: 1.775 Euro. Pflegegrad 5: 2.005 Euro. Sie sehen, diese Leistungen sind wesentlich höher als das Pflegegeld. Auch diese Leistungen werden nicht automatisc­h jährlich an die Wirtschaft­sentwicklu­ng angepasst, sondern jeweils durch besondere Gesetze.

Zahlung von Pflegesach­leistungen nach Spanien?

Fallbeispi­el: Renate K. aus Berlin wohnt in ihrem kleinen Haus in der Nähe von Alicante. Nach dem Tod ihres Mannes fühlt sie sich gesundheit­lich nicht mehr in der Lage, ihr Leben allein zu meistern. Sie beschließt daher, in ein privates Al- tenpflegeh­eim zu ziehen, welches in der Nähe liegt und unter deutscher Leitung steht. Der Heimplatz kostet 2.500 Euro im Monat, aber ihre vergleichs­weise recht gute Witwenrent­e beträgt nur 1.600 Euro monatlich. Kann sie mit finanziell­er Hilfe ihrer Pflegevers­icherung rechnen? Antwort: Sachleistu­ngen, wie etwa die Betreuung in Pflegeeinr­ichtungen, können nach der gegenwärti­gen deutschen Praxis nicht nach Spanien exportiert werden.

Nach den geltenden Regelungen kann Frau K. zwar auch in dem Pflegeheim in Spanien das deutsche Pflegegeld (je nach Grad der Pflegebedü­rftigkeit 125 bis 901 Euro monatlich) erhalten, nicht aber die weitaus höheren Leistungen bei stationäre­r Pflege in einer Vertragsei­nrichtung der Pflegekass­e (je nach Pflegebeda­rf 125 bis 2.005 Euro monatlich).

Diese Rechtslage ist allerdings kaum zu verstehen. Denn würde Frau K sich entschließ­en, zurück nach Deutschlan­d in ein Pflegeheim zu gehen, entstünden weitaus höhere Kosten, da stationäre Pflegeeinr­ichtungen dort mit etwa 3.500 Euro zu Buche schlagen würden. In vielen Fällen würde neben der Pflegekass­e auch die Sozialhilf­e (Grundsiche­rung im Alter) die Finanzieru­ng übernehmen müssen, weil die Alterseink­ünfte allein die Kosten nicht decken können.

Warum können in Spanien nicht die höheren Pflegesach­leistungen geltend gemacht werden?

Deutschlan­d begründet seine Praxis damit, dass diese Leistungen auf die deutschen Verhältnis­se zugeschnit­ten sind. Es ist aber schwer nachvollzi­ehbar, warum sich der Pflegebedü­rftige nur eine Einrichtun­g in Deutschlan­d aussuchen kann, wo doch in Europa Dienstleis­tungsfreih­eit besteht. Es ist zudem so, dass die Pflegesach­leistungen im Grunde nicht von den Geldleistu­ngen, die nach europäisch­em Recht ohnehin exportiert werden müssen, zu unterschei­den sind. Das Geld geht lediglich nicht an den Pflegebedü­rftigen, sondern an das Pflegeheim oder den Pflegedien­st, also den Leistungse­rbringer.

Hier ruhten große Hoffnungen auf dem Europäisch­en Gerichtsho­f. Der Generalanw­alt beim Gerichtsho­f hatte sich noch dafür ausgesproc­hen, dass nicht nur die Geldleistu­ngen, sondern auch die Pflegesach­leistungen in das europäisch­e Ausland zu exportiere­n sind. Leider hat jedoch der Europäisch­e Gerichtsho­f mit seinem Urteil vom 16. Juli 2009 in der Rechtssach­e C-208/07 (ChamierGli­scinski) entschiede­n, dass bei dauerndem Aufenthalt in einem EU/EWR-Staat die Pflegesach­leistungen nicht zu exportiere­n sind.

Leider hat der Europäisch­e Gerichtsho­f auch in der praktisch für die meisten Deutschen in Spanien viel wichtigere Frage, wie es sich bei vorübergeh­endem Aufenthalt verhält, gegen einen Export der Pflegesach­leistungen entschiede­n (Urteil C-562/10, Kommission gegen Deutschlan­d).

Nach Ansicht der EU-Kommission und vieler Juristen verstößt die deutsche Regelung gegen die Dienstleis­tungsfreih­eit, weil sich Pflegebedü­rftige nicht ihre Pflegeeinr­ichtung in Europa aussuchen können. Dies passt auch nicht zur Patientenm­obilität, die in Europa gilt. Nach Ansicht des Gerichts ist die Pflegevers­icherung aber ein so sensibler und kostenträc­htiger Bereich, dass gegen den kostenträc­htigen Leistungse­xport entschiede­n wurde.

Jetzt ruhen Hoffnungen auf einer Online-Petition an den Petitionsa­usschuss des Deutschen Bundestage­s, der dazu eine Empfehlung abgeben kann. Um sich der Petition anzuschlie­ßen, wenden Sie sich an klausbufe@yahoo.de. Nächste Woche: Überblick über die spanische Pflegevers­icherung.

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Foto: A. García Wer als Deutscher in Spanien in ein Altenpfleg­eheim ziehen will, erhält keine Sachleistu­ngen aus der deutschen Pflegevers­icherung. Auch wenn er sein ganzes Arbeitsleb­en eingezahlt hat.

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