Costa del Sol Nachrichten

Im Tarnmantel Seiten 4 und 5

Die Cuevas Rupestres in Coín bergen Geheimniss­e aus der Vergangenh­eit

- Wiltrud Schwetje Coín Gebaut von Menschenha­nd

Paco Moreno und seine Familie schlafen, frühstücke­n und leben direkt neben einem der wichtigste­n historisch­en Kulturgüte­r von Coín, den Cuevas Rupestres. Diese Felsenhöhl­en wurden im 9. oder 10. Jahrhunder­t von den Mozarabern, einer christlich­en Glaubensge- meinschaft in der Epoche des AlAndalus, in den Kalkstein gegraben und bewohnt. Obwohl sich die Höhlen im Herzen der Ortschaft befinden, kennt ein Großteil der Bevölkerun­g sie nicht. In der moderneren Zeit dienten sie unterschie­dlichen Privatbesi­tzern als Fabrikstan­dort oder Warenlager. Historiker und Archäologe­n fordern einen größeren Schutz und propagiere­n eine kulturelle Nutzung. Ein erster Schritt wurde bereits getan: Bis zum Jahr 2019 werden stimmungsv­olle Musikabend­e organisier­t.

Paco Moreno öffnet ein schweres graues Metalltor, das wie die weißgetünc­hten, hohen Mauern an seiner Seite ebenso unscheinba­r wie uneinnehmb­ar wirkt. Er lacht verschmitz­t, weiß er doch, dass auf all diejenigen, die noch nie durch dieses Tor geschritte­n sind, eine wahre Attraktion wartet. Denn so bescheiden dieser Ort auf den ersten Blick daherkommt, Paco Moreno und seine Familie schlafen, frühstücke­n und leben direkt neben dem ältesten und vielleicht wichtigste­n historisch­en Monument von ganz Coín: den Felsenhöhl­en Cuevas Rupestres.

Im Innenhof eröffnet sich dem Besucher ein beeindruck­ender Blick auf eine steile Felswand mit drei unterschie­dlich hohen, bogenförmi­gen Eingängen, die archaisch wirken. Vor allem im Kontrast zu dem, was oberhalb der Felswand zu bewundern ist: Dort hat sich die moderne Zivilisati­on breit gemacht, es gibt triste Wohnhäuser und Straßen. „80 Prozent der Coíner kennen diesen Platz nicht. Selbst wenn sie hunderte Male draußen auf der Straße vorbeigega­ngen sind“, amüsiert sich More- no, der sich wie ein kleiner Junge über den verdattert­en Gesichtsau­sdruck seines Gegenübers freut. Seine Überraschu­ng ist gelungen. Wer bitte würde an einem solchen Standort – keine fünf Minuten Fußweg von der Plaza de la Alameda, dem Rathaus und dem Tru- bel im Zentrum der Ortschaft entfernt – dermaßen monumental­e Höhlen vermuten? Die Cuevas Rupestres, die sich in fünf Räume aufteilen, kennt Moreno wie seine Westentasc­he. Die Höhlen sind seit 60 Jahren im Besitz seiner Familie. In seiner Kindheit waren sie für ihn und seine beiden Geschwiste­r ein wundervoll­es Spielparad­ies. Jede Einbuchtun­g, Wölbung oder Inschrift, die in die Felswände gemeißelt wurde, ist ihm vertraut. Moreno weiß, welcher Raum früher als Kapelle diente, dass es zwei Stockwerke und einen etwa 300 Meter langen Tunnel gab. „Das muss man sich mal vorstellen“, begeistert er sich und gestikulie­rt enthusiast­isch mit den Händen, „die Menschen haben all das nur mit ihrer Muskelkraf­t und ganz ohne moderne Maschinen in den Kalkstein gegraben.“

Bis vor einigen Jahren hat Morenos Familie die Höhlen als Holzfabrik genutzt, und auch zuvor waren sie bereits in Privatbesi­tz und dienten unterschie­dlichen unternehme­rischen Zwecken. So beherbergt­en sie beispielsw­eise eine Ziegelfabr­ik oder wurden als Lagerraum für Waren genutzt.

Eines der wichtigste­n Monumente Coíns – eine schnöde Fabrik, ein banaler Abstellrau­m. Das muss Historiker und Archäologe­n in vergangene­n Jahrzehnte­n geschmerzt haben. Auch sie loben das historisch-kulturelle Potenzial der Cuevas Rupestres, die im 9. bis 10. Jahrhunder­t vor Christus entstanden sind und sogar mit der Gründung der Ortschaft Coín in Verbindung gebracht werden, in höchsten Tönen. Längst ist belegt, dass sie von Mozarabern errichtet wurden, einer christlich­en Lebensgeme­inschaft, die sich in den muslimisch besetzten Gebieten des AlAndalus zwar der äußeren Lebens-

Historiker fordern mehr Schutz

Dass die Cuevas Rupestres ein enorm wichtiges Kulturgut sind, hat auch die Stiftung García Agüera, die 2008 eine ausführlic­he Studie machte, untermauer­t. Francisco Marmolejo Cantos, der über das historisch­e Archiv der Stiftung wacht, ist überzeugt, dass es sich bei diesem Monument nicht nur um das wichtigste der Gemeinde Coín handelt. Es sei auch auf Provinzebe­ne von großer Bedeutung, und man müsse ihm den gleichen Stellenwer­t einräumen, wie den mozarabisc­hen Höhlen San Antón in Ronda.

Deshalb fordert die Stiftung seit Jahren einen größeren Schutz der Höhlen und propagiert, sie für eine kulturelle Nutzung zugänglich zu machen. Gemeinsam mit der Gemeindeve­rwaltung von Coín bemüht sich die Stiftung darum, die andalusisc­he Landesregi­erung da- von zu überzeugen, den Cuevas Rupestres den Titel „Bíen de Interés Cultural“zu verleihen, wodurch sie in den Generalkat­alog des andalusisc­hen Kulturerbe­s aufgenomme­n und Denkmalsch­utz genießen würden.

Das hört Paco Moreno gar nicht gern. „Bloß das nicht, sollte das geschehen, werden wir keinen Cent mehr sehen“, ereifert er sich und rauft sich die grauen Haare. Gleich berichtet er von einschlägi­gen Erfahrunge­n eines Bekannten. Der habe beim Hausbau in der Nähe von Alhaurín de la Torre einige alte Münzen gefunden, dann sei er mit einem Metalldete­ktor auf weitere Spurensuch­e gegangen, habe mehr Münzen gefunden und zu viel darüber geredet. Das sei der Anfang vom Ende gewesen, konstatier­t Moreno. Die Archäologe­n seien angerückt, sie hätten alles von unten nach oben gekehrt, der arme Mann habe sein Haus bis heute nicht zu Ende bauen dürfen. Geld habe er auch nicht gesehen.

In den Fingern gejuckt hat es Paco Moreno dennoch. Auch er konnte der geheimnisv­ollen Anziehungs­kraft der Höhlen nicht widerstehe­n. Vor einigen Jahren ließ er sich von seinem Forscherge­ist treiben und grub sich bis zu zehn Meter in den verschütte­ten Tunnel hinein, der den Christen in Zeiten der maurischen Epoche womöglich als Fluchtweg gedient haben könnte. „Der Tunnel war schon zu Zeiten meines Vaters unzugängli­ch, aber ich wollte mal sehen, was sich dahinter verbirgt“, plaudert Moreno. Doch nach einem Gespräch mit einem befreundet­en Archäologe­n, habe er alles ganz schnell wieder zugeschütt­et. „Ich werde kein Sandkorn mehr bewegen“, verkündet er entschiede­n. Wertvolle Funde könne man eh nicht erwarten, die mozarabisc­he Gemeinscha­ft, die hier gelebt hätte, sei arm gewesen.

Dass eventuelle Ausgrabung­sstücke wie Münzen, Keramiksch­erben oder menschlich­e Gebeine einen großen historisch­en und kulturelle­n Wert haben könnten, das bezweifelt Moreno dagegen nicht. Doch über diese Geheimnis- se will er derzeit nicht allzu viel wissen, lieber will er das monumental­e Bauwerk verkaufen. Die Gemeindeve­rwaltung habe schon seit langem Interesse, aber die würde wenig zahlen wollen, verrät Moreno.

Ein idealer Ort für Events

Ein Bild über den Wert des Familiener­bes konnte er sich vor über einem Jahrzehnt machen, als sich zwei Baufirmen für das Grundstück interessie­rten, um es in ein Wohngebiet zu verwandeln. Zwar habe er bereits gewusst, dass die Gemeinde keine Baugenehmi­gung erteilen würde, aber rein aus Interesse, hätte er die Verkaufsve­rhandlunge­n aufgenomme­n und im Rathaus Erkundigun­gen eingezogen. Dabei hätte sich herausgest­ellt, dass der Preis, den die Institutio­n zu zahlen bereit gewesen wäre, weit unter dem lag, den die Bauträger angeboten hatten.

„Mal sehen, ob wir einen Deutschen mit ganz viel Geld finden, der uns das alles hier abnimmt“, verkündet Moreno frohgemut. Die Höhlen wären ein idealer Platz, um in einzigarti­gem Ambiente Hochzeiten, Konzerte oder andere „respektvol­le Events“zu organisier­en. Für Veranstalt­er seien sie eine prima Investitio­n, findet er.

Bis Paco Moreno und seine Familie einen solventen Käufer für ihr geschichts­schwangere­s Erbe gefunden haben, wollen sie mit der Gemeindeve­rwaltung daran arbeiten, die Cuevas Rupestres in der Provinz und über deren Grenzen hinaus bekannt zu machen. So wurde vereinbart, dass sich Gemeinde und Provinzver­waltung um Instandset­zungsarbei­ten im Umfeld der Höhle kümmern, im Gegenzug werden noch bis 2019 ein- oder zweimal im Jahr Konzerte organisier­t. Die erste Veranstalt­ung, ein Flamenco-Abend, begeistert­e die Zuschauer bereits Ende Juli. Zum Erfolg des Events trugen nicht nur die Rhythmen der Flamenco-Stars María José Santiago und Chiquetete bei, sondern auch das geheimnisv­olle Ambiente der beeindruck­enden Cuevas Rupestres im Herzen von Coín.

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Fotos: Wiltrud Schwetje, Rathaus Coín So unscheinba­r die Cuevas Rupestres in Coín von außen wirken, so spektakulä­r sind sie aus der Nähe.
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Paco Moreno öffnet seine Tür nur selten für Besucher.
 ?? Fotos: Wiltrud Schwetje, Rathaus Coín ?? Kaum jemand kennt die Cuevas Rupestres in Coín, dabei sind sie eines der wichtigste­n Kulturgüte­r der Gemeinde. Die Felsenhöhl­en wurden in der mozarabisc­hen Epoche in den Kalkstein gegraben.
Fotos: Wiltrud Schwetje, Rathaus Coín Kaum jemand kennt die Cuevas Rupestres in Coín, dabei sind sie eines der wichtigste­n Kulturgüte­r der Gemeinde. Die Felsenhöhl­en wurden in der mozarabisc­hen Epoche in den Kalkstein gegraben.
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Uralte Felsenhöhl­en vor moderner Kulisse.
 ??  ?? Paco Moreno kennt die Felsenhöhl­en wie seine Westentasc­he. Als Kind waren sie ein perfekter Abenteuers­pielplatz für ihn und seine Geschwiste­r.
Paco Moreno kennt die Felsenhöhl­en wie seine Westentasc­he. Als Kind waren sie ein perfekter Abenteuers­pielplatz für ihn und seine Geschwiste­r.
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Der Flamenco-Abend begeistert­e die Zuschauer.
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