Das Kreuz mit La Diada
Wieder gehen Hunderttausende für ein unabhängiges Katalonien auf die Straße – Festhalten am Referendum
Barcelona – tl. Sollte die Regierung in Madrid noch immer glauben, der Nationalismus in Katalonien werde sich totlaufen, dann hat sie am Montag nicht nach Barcelona geschaut. Am katalanischen Nationalfeiertag, kurz La Diada genannt und im Gedenken an die Eroberung der Stadt 1714 im Erbfolgekrieg durch spanische und französische Truppen jedes Jahr am 11. September begangen, demonstrierten wieder Hunderttausende für die Unabhängigkeit ihrer Region.
Die Teilnehmerzahl schwankte je nach Quelle zwischen 350.000 und gut einer Million. Weil es in den vergangenen Jahren schon Nationalfeiertage mit höherer Beteiligung gegeben hatte, frohlockte die Zeitung „El País“zwar, dass „die Erwartungen der Veranstalter frustriert“worden seien. Doch selbst wenn La Diada in diesem Jahr, wie es in vielen Medien hieß, eine exklusive Veranstaltung für Befürworter der Trennung von Spanien gewesen sein mag, war der Mobilisierungsgrad, den die Separatisten schafften, enorm hoch.
Zweieinhalb Wochen vor dem am 1. Oktober geplanten und vom Verfassungsgericht für ungültig erklärten Unabhängigkeitsreferendum gewann La Diada in diesem Jahr denn auch besondere Bedeutung. Auf zwei zentrale Straßen in der Innenstadt verteilt, bildeten die Demonstranten ein großes Kreuz. Es stand für das Kreuz, dass die Katalanen am 1. Oktober im Ja-Kästchen machen sollen.
Die Separatisten gaben sich kämpferisch: „Unser Gesetz ist das Gesetz unseres Parlaments, und unser Gehorsam gehört diesem Parlament. Und am 1. Oktober werden wir abstimmen“, tönte der Vorsitzende des veranstaltenden Katalanischen Nationalkongresses (ACN), Jordi Sánchez, in Richtung Madrid.
Auch Kataloniens Regierungschef Carles Puigdemont machte deutlich, dass er am 1. Oktober festhalten werde – allen Entscheidungen des Verfassungsgerichts zum Trotz. „Es sind noch 20 Tage, wir haben bisher viele Hindernisse überwunden und wir werden auch die überwinden, die noch kommen“, sagte Puigdemont am Tag vor La Diada. „Es ist keine Option, das Referendum nicht stattfinden zu lassen.“
Doch genau das ist weiterhin die Strategie der Regierung in Madrid. Sie instrumentalisiert die Justiz, um das Referendum zu verhindern. Nachdem das Verfassungsgericht am vergangenen Donnerstag das Referendumsgesetz gekippt und eine Warnung an alle Beteiligten in Katalonien vor rechtlichen Konsequenzen ausgesprochen hatte, wurde am Dienstag auch das Übergangsgesetz – auch Trennungsgesetz genannt – für ungültig erklärt.
Gleichzeitig ließ das Oberlandesgericht in Barcelona eine Klage der Staatsanwaltschaft gegen Regierungschef Puigdemont, seinen Stellvertreter Oriol Junqueras sowie gegen weitere Mitglieder der separatistischen Regionalregierung zu. Ihnen werden ziviler Ungehorsam und Amtsmissbrauch vorgeworfen. Im schlimmsten Fall könnte das Verfahren mit Haftstrafen enden.
Die Polizei ist ein weiteres Instrument der Zentralregierung. So gingen Anweisungen der Staatsanwaltschaft in Katalonien an Guardia Civil, Policía Nacional und Mossos d’Esquadra, alle Vorbereitungen für das Referendum zu unterbinden und notfalls Abstimmungsurnen zu entfernen. Die Mossos, die katalanische Landespolizei, stehen dabei unter besonderer Beobachtung. Ihr Chef Josep Lluís Trapero ist Anhänger des Unabhängigkeitskurses der Regionalregierung. Derzeit deutet aber alles darauf hin, dass die Mossos der Anweisung Folge leisten werden.
Unterdessen zeigt der Druck der Zentralregierung offenbar Wirkung. Etliche Bürgermeister in Katalonien erklärten, keine öffentlichen Räume für das Referendum zur Verfügung stellen zu wollen. Neben Barcelona wollen sechs weitere große Städte der Region dem Verbot des Verfas- sungsgerichts nachkommen. In den Verweigerer-Städte leben immerhin rund ein Drittel der Bevölkerung in Katalonien.
Gleichwohl äußerte Barcelonas Bürgermeisterin Ada Colau, „alles zu tun, damit das Referendum stattfinden kann“. Da die Regionalregierung aber keine Garantie geben könne, dass die Rathaus-Bediensteten straffrei bleiben, werde sie keine städtischen Einrichtungen für den Volksentscheid zur Verfügung stellen. Colau spricht sich zwar für ein Referendum aus, die PodemosFrau ist aber keine Anhängerin eines eigenen katalanischen Staats.
Inzwischen berichten Bürgermeister in Katalonien, die nicht zum Separatisten-Lager gehören, über Einschüchterungsversuche und sogar offene Drohungen. Das Klima scheint aufgeheizt. Auch hier meldete sich Barcelonas Rathauschefin Colau zu Wort und warf der Regierung Puigdemont vor, mit seinem Kurs mindestens die Hälfte der Katalanen zu vernachlässigen.
Die Frage der Legalität des Referendums, glaubt man einer Umfrage, spaltet die Katalanen. Nach einer Studie des Meinungsforschungsinstituts Metroscopia im Auftrag der Zeitung „El País“hält eine Mehrheit den Volksentscheid für illegal. Demnach denken 56 Prozent der Bevölkerung, dass die Abstimmung in der geplanten Form nicht rechtsgültig sei. Der gleiche Prozentsatz spricht sich für Verhandlungen zwischen Barcelona und Madrid aus. Doch dafür ist es wohl zu spät.
„Unser Gesetz ist das Gesetz unseres Parlaments, und unser Gehorsam gehört diesem Parlament“