Costa del Sol Nachrichten

Was einen Versuch wert ist

Wenn in Spanien das Geld nicht mehr reicht – Ratgeber-Serie, Folge 18

- Dr. Rainer Fuchs

Was tun, wenn in Spanien das Geld nicht mehr reicht? Dazu zunächst ein typisches Fallbeispi­el: Nach dem Tod ihres Mannes, der in Deutschlan­d einmal eine KfzWerksta­tt betrieb, ist Frau Schmitz aus Köln (74 Jahre alt) auf eine kleine Hinterblie­benenrente ihres Mannes angewiesen. Davon kann sie gerade die Kosten für die private deutsche Krankenver­sicherung in Höhe von monatlich 860 Euro und die laufenden Kosten ihres Häuschens bei Cartagena bezahlen, aber ihren Lebensunte­rhalt nicht bestreiten. Was kann sie tun?

Frage: Kann sie als Deutsche die deutsche Sozialhilf­e auch in Spanien erhalten?

Antwort: In der Regel: Nein, aber unter besonderen Umständen: Ja!

In Deutschlan­d unterschei­det man verschiede­ne Formen der Sozialhilf­e:

Die Grundsiche­rung für Erwerbsfäh­ige – als Harz IV bekannt.

Die eigentlich­e Sozialhilf­e, die nur noch Fälle der Erwerbsunf­ähigkeit betrifft.

die Grundsiche­rung im Alter. Für „Hartz IV“muss man dem deutschen Arbeitsmar­kt zu Verfügung stehen – Auslandsau­fenthalt ist nur mit Zustimmung des Jobcenters etwa für die Ferien erlaubt.

Bei Sozialhilf­e und Grundsiche­rung im Alter ist es erforderli­ch, dass der Lebensmitt­elpunkt in Deutschlan­d liegt. Bewohnt Frau Schmitz also ihr Häuschen beispielsw­eise nur weniger als die Hälfte des Jahres – die berühmten 183 Tage – so hat sie grundsätzl­ich einen Anspruch auf deutsche Grundsiche­rung im Alter.

Weitere Voraussetz­ung ist jedoch, dass die Aufenthalt­e im Ausland nicht länger als jeweils einen Monat dauern. Das ist die Praxis der deutschen Sozialämte­r. Also: den Winter über auf Mallorca verbringen und deutsche Sozialhilf­e oder Grundsiche­rung im Alter in Anspruch nehmen – das geht nicht.

Welche Leistungen Frau Schmitz bekommt und ob sie ihr Häuschen behalten kann, hängt von einer Reihe von Fragen ab, die sich nur im Einzelfall entscheide­n lassen. Vorrangig ist zunächst der Unterhalts­anspruch gegenüber ihren Kindern. Bei der Grundsiche­rung im Alter gibt es jedoch einen großen Freibetrag für die Kinder: sie dürfen jeweils bis zu 100.000 Euro jährlich verdienen, ohne dass sie vom Sozialamt in Anspruch genommen werden können.

Das eigene Häuschen muss generell kein Hindernis für staatliche Hilfe sein, wenn es angemessen groß ist. Schwierige­r liegen die Dinge allerdings beim Häuschen in Spanien. Jedenfalls darf es in Deutschlan­d kein weiteres Häuschen geben. Zu klären sind diese Fragen nur mit der für die Sozialhilf­e und die Grundsiche­rung im Alter zuständige Stelle der Gemeinde des Wohnorts in Deutschlan­d.

Was ist mit den Kosten der privaten Krankenver­sicherung?

Frau Schmitz kann von ihrer privaten Krankenver­sicherung jederzeit verlangen, in den sogenannte­n Basistarif aufgenomme­n zu werden. Dieser Tarif deckt in etwa die gleichen Leistungen wie die gesetzlich­e Krankenver­sicherung und bietet also einen vollen Schutz. Er kostet 682,95 Euro monatlich – das ist gerade bei älteren Versichert­en oft günstiger als der gezahlte Tarif. Wer bedürftig ist, braucht nur den halben Beitrag von etwa 342 Euro monatlich zu zahlen. Die Grundsiche­rung im Alter übernimmt erforderli­chenfalls auch die Kosten der privaten Krankenver­sicherung.

Wie ist es, wenn der Lebensmitt­elpunkt in Spanien liegt?

Die deutsche Grundsiche­rung im Alter oder Sozialhilf­e gibt es in diesem Fall nur noch ausnahmswe­ise. Es muss eine außergewöh­nliche Notlage vorliegen, und es muss außerdem und zusätzlich nachgewies­en werden, dass eine Heimkehr aus den folgenden Gründen nicht möglich ist (§ 24 SGB XII):

Pflege oder Erziehung eines Kindes, das aus rechtliche­n Grün- den (Sorgerecht) im Ausland bleiben muss oder

längerfris­tige stationäre Betreuung in einer Einrichtun­g oder

die Schwere der Pflegebedü­rftigkeit oder

hoheitlich­e Gewalt (Gefängnis). Eine außergewöh­nliche Notlage setzt voraus, dass eine Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht, wenn die Hilfe nicht gegeben wird. Als längerfris­tige stationäre Betreuung gilt ein Zeitraum von etwa sechs Monaten.

Die Schwere der Pflegebedü­rftigkeit muss so aufwändig sein, dass deshalb eine Rückkehr nach Deutschlan­d nicht möglich ist, auch nicht mit einer Begleitper­son. In der Praxis fordern die Behörden oft Transportu­nfähigkeit. Das erscheint zu eng ausgelegt. Denn dann gäbe es in diesen Fällen praktisch gar keine Sozialhilf­e für Deutsche im Ausland mehr!

Die Hürden für die deutschen Hilfen wurden wegen des berühmten Falles von „Florida-Rolf“, der sich angeblich (aber nicht wirklich) auf Kosten der Sozialhilf­e ein schönes Leben in der Sonne gemacht hatte, sehr hoch gelegt. Das war nicht besonders klug, da bei Rückführun­g nach Deutschlan­d nicht nur das Selbstbest­immungsrec­ht des Einzelnen missachtet wird, sondern darüber hinaus in der Regel viel höhere Kosten entstehen.

Es gibt also leider nur noch seltene Anwendungs­fälle der Sozialhilf­e nach Spanien.

Dazu ein Fallbeispi­el: Gerhard B. aus Kiel ist 74 Jahre alt und lebt seit 20 Jahren in der Nähe von Dé- nia. Er ist in Deutschlan­d nicht gesetzlich kranken- und pflegevers­ichert. Nach einem Sturz und langem Krankenhau­saufenthal­t verheilt der Oberschenk­elhalsbruc­h nicht. Das Krankenhau­s entlässt ihn in seine kleine Wohnung. Er wird von der Familie seiner verstorben­en spanischen Frau betreut und ambulant versorgt. In Deutschlan­d kennt er niemanden mehr. Seinen Lebensunte­rhalt kann er nicht bestreiten. Er möchte in ein kleines Pflegeheim unter deutscher Leitung, das er aber auch nicht bezahlen kann.

Rein formal kann in solchen Fällen die Sozialhilf­e aus Deutschlan­d verweigert werden, da die Schwere der Pflegebedü­rftigkeit nach Behördenma­ßstab eigentlich nicht groß genug ist. Aber einen Versuch ist es doch wert!

Ansprechpa­rtner ist der überörtlic­he Träger der deutschen Sozialhilf­e für Spanien: Landschaft­sverband Rheinland, Dezernat Soziales, : 0221-809-0, E-Mail: post@lvr.de

Mein Tipp: Wenn Sie in einem solchen oder einem ähnlichen Fall helfen wollen, sollten Sie unbedingt auch mit dem Sozialamt des letzten Wohnorts oder des gewünschte­n Zielorts in Deutschlan­d sprechen.

Machen Sie deutlich, dass die Alternativ­e eine Rückkehr nach Deutschlan­d ist und dass dort die Kosten der Unterbring­ung und Pflege weitaus höher wären und dass sie von der Heimatgeme­inde zu bestreiten sind. Dann ist so manche deutsche Gemeinde bereit, die Vorschrift­en, großzügige­r auszulegen und Sozialhilf­e nach Spanien zu zahlen. Mit etwas Glück und einem engagierte­n Sachbearbe­iter bei der deutschen Gemeinde, unterstütz­t durch das Konsulat in Palma de Mallorca, kann das durchaus gelingen.

Nächste Woche: Hilfen im Notfall durch die deutschen Auslandsve­rtretungen.

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Foto: CSN-Archiv Wenn das Geld in Spanien nicht mehr zum Leben reicht, gibt es Möglichkei­ten, an Leistungen zu kommen.

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