Als gäbe es kein „No“
Katalanische Welle
Barcelona – sw. Immer voller wird es vor dem Justizpalast in Barcelona. Der Strom vom roten Triumphbogen erweitert das Menschenmeer stetig. Wer nicht weiß, was hier los ist, könnte denken, es sei die Feier eines sportlichen Sieges. Oder vielmehr: des Einzugs eines Underdogs in ein großes Finale. Denn wenn das mächtige Barça feiert, dann wie aus Gewohnheit. Doch hier ist das kollektive Herzklopfen zu spüren, sogar auf den Laternen, die die Jüngeren erklommen haben. Es wird geklatscht und gesungen, zu Melodien, die man aus Stadien kennt. Eine La-OlaWelle schwappt durch die Menge. Wie ein Rockstar wandert eine Urne aus Pappe über die Köpfe. Die Besucher geben aus vollen Kehlen kund: „Votarem“, fordern „Llibertat“, prangern die „Prensa espanyola, manipuladora“, an. Von hell bis rauchig sind die Stimmen, die die Symphonie bilden. Auffällig sind die vielen Jugendlichen, aber auch die Älteren brüllen munter mit. Vielfalt bietet auch die katalanische Unabhängigkeitsflagge. Meist ist die mit dem blauen Eck zu sehen, doch auch die mit dem roten Stern, oder ganz anderen Farben. Alle möglichen Couleur bietet auch das „Sí“, das überall zu sehen ist, als gäbe es ein „No“gar nicht. Als gäbe es nur Hoffnung und Aussicht auf ein besseres Morgen, was auch in den Gesichtern zu lesen ist. Es ist ein Fest, eine Loveparade, auch der Kulturen. Nicht nur katalanisch, auch Sprachen anderer Länder sind in der bunten Menge zu hören. Dass die internationalen Gäste auch nach dem Referendum auf der Party willkommen sein werden, unterstreicht die wehende Europaflagge. Einen ernsten Ton schlägt dann der Abend ein. Um 22 Uhr fangen Anwohner der Innenstadt an, auf Töpfe zu schlagen. 15 Minuten lang steigt der unheimliche Trommelwirbel an, um am Ende abzuebben. Die katalanische Welle bleibt, noch, in vollem Gange.