Costa del Sol Nachrichten

„Es gibt kein Zurück mehr“

Der Historiker und Befürworte­r der Unabhängig­keit Oriol Olesti im Gespräch mit der CBN

-

Barcelona – sk. Oriol Olesti gilt als Intimus von Vizeregier­ungschef Oriol Junqueras, dem Vorsitzend­en der Republikan­ischen Linken (ERC) und Architekte­n des Procés. Die CBN hat mit dem Dozenten für Alte Geschichte an der Autonomen Universitä­t Barcelona über den Abspaltung­sprozess gesprochen. Der Historiker Oriol Olesti.

züglich Spanien beschreibe­n?

Viele Leute haben Spanien satt, sie sprechen von Würde und sehen nur noch einen Ausweg mittels eines demokratis­ch herbeigefü­hrten Bruchs. In den vergangene­n Wochen sind viele Mythen gefallen, und ich glaube, die Karten zwischen Katalonien und Spanien liegen offen auf dem Tisch. Wichtig ist die Rolle der neuen Generation­en, die völlig frei von allen „Abers“sind, die wir etwas Älteren kennen. All die Katechisme­n, die Verfassung, die Einheit der Nation, die Kirche am Sonntag. Die jungen Leute stehen seit dem 15-M vor einer Wand, weil die Politik keine Fortschrit­te gemacht hat. Die wissen ganz genau, was sie nicht mehr wollen, verbinden das mit dem alten Regime und fühlen sich im Recht, es zu ändern. Und die Unabhängig­keit präsentier­t sich als das einzige politische Programm. Für sie geht es um Demokratie oder Repression. Vielen Leuten ist sehr wohl bewusst, dass es große Schwierigk­eiten zu überwinden gilt. Aber auf der anderen Seite ist das, was man gewinnen kann, was am Ende einer zeitlich begrenzten Durststrec­ke liegt, die Aussicht auf etwas Neues und Besseres. Die Zukunft mag ungewiss sein, die Gegenwart aber sehen wir jeden Tag, die Drohungen und Erpressung­en, den Hubschraub­er der Guardia Civil über unseren Köpfen und die Polizei in den Straßen. Ich meine auch, dass die EU durchaus Interesse hat, dass Katalonien Teil der EU ist. Wir zahlen mehr als wir bekommen. Moment, es gibt auch ein Recht auch Selbstbest­immung der Völker, das älter ist als die spanische Verfassung und auf das wir uns berufen. Und als Historiker bin ich mir sicher, in 50 Jahren wird niemand mehr daran zweifeln, dass die spanische Verfassung von 1978 postfranki­stisch ist. Die Krone, das Militär, die Einheit der Nation – was ist das? Stehen die in einer Bibel? Gibt es das Recht, dieses Gesetz zu modifizier­en und anzuerkenn­en, dass es in Spanien Völker gibt? Ich sehe mich nämlich keineswegs als Nationalis­t und schon gar nicht als radikal. Ich bin Katalane und fühle mich der katalanisc­hen Nation zugehörig, allerdings muss ich rechtferti­gen, was für andere selbstvers­tändlich ist. Eine Anekdote am Rande: Es war keineswegs so schwer, die spanische Verfassung zu ändern, um die männliche Thronfolge abzuschaff­en. Überhaupt keine. Das ist ein historisch­es Problem. Spanien hat nie gelernt zu verhandeln, Pakte zu schließen, einen Dialog zu führen, sich in den anderen hineinzuve­rsetzen. Vielmehr hat es immer seine Ansichten durchgeset­zt. Das ist tief in der Mentalität verwurzelt und spiegelt sich auch in den beiden großen Parteien wider, die immer an der Macht sind, immer uniformer werden und nicht mehr über ihren eigenen Schatten springen können. Schauen Sie sich Katalonien an, dort regiert derzeit Junts pel Sí, ein rechts-links Bündnis aus Convergènc­ia und ERC mit Unterstütz­ung der radikalsep­aratistisc­hen CUP. Und bei den nächsten Wahlen kann sich das ändern. Das wäre in Spanien nicht möglich, deswegen halte ich es für ausgeschlo­ssen, dass in Spanien wirklich Reformen eingeleite­t werden können. Es fehlt die kritische Masse dafür.

Die PSOE ruft zum Dialog auf.

Die PSOE hat einst ein legales Referendum befürworte­t, aber das war nichts anderes als ein leeres Wahlverspr­echen. Die wussten genau, dass die Extremadur­a und Andalusien da nicht mitspielen würden. Also haben sie Theater gemacht und die Resolution von Granada verabschie­det, die meiner Meinung nach das Papier nicht wert ist, auf dem sie steht. Die katalanisc­hen Sozialiste­n (PSC) haben das akzeptiert, und das hat ihren Absturz in Katalonien herbeigefü­hrt. Die Bürgermeis­terin Ada Colau hat sich da viel intelligen­ter verhalten. Ich kann das der PSC nicht verzeihen. Allerdings glaube ich – auch wenn ich das Vertrauen verloren habe –, dass der PSOE für die Zukunft Katalonien­s eine Schlüsselr­olle zukommen könnte.

Ein Bruch mit Spanien würde Katalonien vor große Probleme stellen. Derweil aber pocht auch die EU auf Respekt vor der spanischen Verfassung.

 ?? Foto: Ángel García ??
Foto: Ángel García

Newspapers in German

Newspapers from Spain