Puigdemont will in Madrid sprechen
Rücknahme der Unabhängigkeitsbestrebungen oder Zwangsverwaltung Kataloniens ab Samstag
Barcelona/Madrid – ck. Die Regierung Mariano Rajoy hat die Zwangsverwaltung Kataloniens beschlossen. Der katalanische Ministerpräsident Carles Puigdemont hatte die beiden Ultimaten mehr oder weniger unbeantwortet gelassen und war auch auf das Angebot, eine Landtagswahl anzusetzen, nicht eingegangen.
Die Anwendung des Artikels 155 der Verfassung erlaubt es Madrid, eine Regionalregierung, die ihren Pflichten nicht nachkommt, abzusetzen und deren Funktionen zu übernehmen. Die Autonomie würde damit nicht suspendiert, erklärte Rajoy auf einer Krisensitzung des Kabinetts am Samstag. In welcher Form die Übernahme der Verwaltung vor sich gehen soll, berät eine Kommission der Länderkammer. Am Freitag, 27. Oktober, wird der Senat mit absoluter Mehrheit der Volkspartei (PP) die Anwendung verabschieden. Die PP zählt auf die Unterstützung der Sozialisten (PSOE) und von Ciudadanos.
Voraussichtlich am Samstag treten nach der Veröffentlichung im Staatsanzeiger die Maßnahmen in Kraft. Dazu gehören die Absetzung der Regionalregierung, die Kontrolle der Mossos d’Esquadra und der autonomen Medien sowie Neuwahlen innerhalb von sechs Monaten.
Wie reagiert die Regierung Puigdemont? Der katalanische Regierungschef hielt am Samstag eine Rede. Weder kündigte er die Unabhängigkeit an noch hob er die Suspendierung der Einseitigen Unabhängigkeitserklärung (DUI) vom 10. Oktober auf. Stattdessen schlug er eine Landtagssitzung vor, um die Reaktion auf Artikel 155 abzustimmen. Diese wird am Donnerstag stattfinden. Bis dahin wird spekuliert, ob dabei die Un- abhängigkeit erklärt wird oder Neuwahlen angesetzt werden. Im ersten Fall könnte die Staatsanwaltschaft Puigdemont wegen Rebellion verhaften lassen.
Puigdemont will am Donnerstag oder Freitag im Senat seine Beweggründe erklären. Laut Madrider Regierung hat Puigdemont nur noch eine Chance, die Zwangsverwaltung Kataloniens abzuwenden: Er müsste von den Unabhängigkeitsbestrebungen Abstand nehmen und zur Legalität zurückkehren. Neuwahlen anzusetzen, reicht Rajoy nicht. Die PSOE, die die Anwendung des Artikels 155 unterstützt, ist mit dieser Position nicht einverstanden. Sollte Puigde- mont Neuwahlen ansetzen, gäbe es keinen Grund mehr, die Zwangsverwaltung durchzuführen, so Generalsekretär Pedro Sánchez.
Zwischen DUI und Wahlen
Puigdemont steht also zwischen DUI und Landtagswahl. Die radikalen Separatisten fordern, er solle endlich das vom Verfassungsgericht für illegal erklärte Übergangsgesetz anwenden und die katalanische Republik vorantreiben. Die separatistischen Organisationen ANC und Ómnium Cultural brachten am Samstag 450.000 Menschen auf die Straßen Barcelonas, um gegen die Verhaftung ihrer Anführer, Jordi Sánchez und Jordi Cuixart, zu protestieren. Und gleichzeitig klarzumachen, dass sie von Spanien weg wollen.
Die EU hat Rajoy Rückendeckung gegeben, beim Europarat in Brüssel vergangene Woche und am Freitag bei der Überreichung der Prinzessin-von-Asturien-Preise in Oviedo. Dort wurde die EU in der Sparte Eintracht ausgezeichnet.
Kommissionschef Jean-Claude Juncker, Parlamentspräsident Antonio Tajani und Ratschefs Donald Tusk nahmen die Auszeichnung aus der Hand des Königs entgegen und wiesen auf die Notwendigkeit hin, Gesetze und Rechtsstaat zu respektieren.
Freitag wird der Senat die Anwendung des Artikels 155 verabschieden