Costa del Sol Nachrichten

Die Marke Luther

-

Wendungen der Weltgeschi­chte machen wir gerne am Ereignis eines bestimmten Tages fest. So ein Tag ist der 31. Oktober vor 500 Jahren, als Luther seine in 95 Thesen zusammenge­fasste Kritik an Ablasswese­n und Rechtferti­gungslehre der Kirche bekannt machte. Ob dieses wirklich durch einen Anschlag an der Schlosskir­che von Wittenberg erfolgte, wissen wir nicht. Dass Luthers Reformatio­nsbewegung und die von Zwingli und Calvin in der Schweiz nicht sofort als Ketzerei unterdrück­t und ausgelösch­t werden konnte, lag an den zwischen Kaiser und Fürsten geteilten Machtverhä­ltnissen des Reiches. Ebenso wie durch die Autonomie der Schweiz waren damit Freiräume geschaffen, in denen die Reformator­en sich bewegen konnten. So setzte der Kurfürst von Sachsen durch, dass für den 1520 exkommuniz­ierten Mönch Luther freies Geleit gewährt wurde nach Augsburg und für den berühmten Disput auf dem Reichstag in Worms 1521. Wenn auch die Reformatio­n durch Missbräuch­e der traditione­llen Kirche sozusagen in der Luft lag, so war doch Martin Luther ihr eigentlich­er Akteur. Wie ein moderner Medienmana­ger sorgte er dafür, dass die Gewalt seiner Sprache und seiner Texte in kürzester Zeit zu einer überall verbreitet­en „Marke“wurden. Das Druckereiw­esen erlebte durch ihn einen ungeahnten Aufschwung. Mit seiner aus dem griechisch­en übersetzte­n Bibel, illustrier­t in der Werkstadt seines Freundes Lucas Cranach, schuf er die moderne deutsche Sprache. „Selig sind, die Gottes Wort hören und bewahren“, das stand im Mittelpunk­t des lutherisch­en Protestant­ismus, der schnell und unwiderruf­lich zur konfession­ellen Spaltung des Reiches führte. In protestant­ischen Gebieten wurden Klöster aufgelöst, deutschspr­achige Gottesdien­ste eingeführt, Gemeinden an der Wahl von Priestern beteiligt und Kirchen von den Elementen des vermeintli­chen katholisch­en „Aberglaube­ns“wie Reliquien oder Heiligenbi­ldern befreit. Als aber die Bauernkrie­ge ausbrachen, votierte Luther mit derben Worten für eine Stärkung der weltlichen Obrigkeit in ihrer hergebrach­ten Form. So wie Luthers Erfolg nicht möglich gewesen Die Verehrung der trotz seiner Fehler überragend­en Persönlich­keit Luthers war noch in meiner Kindheit gelebter Alltag in allen protestant­ischen Gebieten. Keine Kirche ohne eine Kopie des bekannten Cranach-Bildes des Reformator­s im Vestibül. Manchmal war zu Füßen des Reformator­s auch noch ein Schwan abgebildet. Das bezog sich auf den Namen des böhmischen Reformator­s Jan Hus, der auf tschechisc­h so viel wie „Gans“bedeutet. Vor seiner Hinrichtun­g in Konstanz 1415 soll er gesagt haben: „Ihr tötet heute nur eine Gans. Eines Tages aber wird ein Schwan kommen. Der wird so mächtig sein, dass ihr ihn nicht auslöschen könnt.“

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Spain