Costa del Sol Nachrichten

Mit dem Rad

Volkmar Gessinger aus Schwäbisch Hall ist allein mit dem Elektrorad von Sindelfing­en nach Roquetas gefahren

- José A. Nieto Roquetas

Einen Monat lang ist Volkmar Gessinger mit dem Elektrorad von Sindelfing­en in sein Urlaubsdom­izil in Roquetas gefahren.

Moderne Technologi­en dienten ihm unterwegs bei der Etappenpla­nung Von einigen kleinen Malheurs abgesehen, verlief alles reibungslo­s

Die Idee, mit dem Fahrrad von seiner Heimat in sein festes Urlaubsdom­izil zu fahren, spukte schon länger in seinem Kopf herum. In diesem Jahr entschied sich Volkmar Gessinger schließlic­h, seinen abenteuerl­ichen Plan umzusetzen, trotz der Sicherheit­sbedenken seiner Frau, gegen die er einwendete, dass die meisten Menschen doch im Bett sterben würden.

Fahrrad fuhr der 74-jährige Rentner aus Schwäbisch Hall schon von klein auf gerne, wobei er sich als Alltagsfah­rer bezeichnet, da er gewöhnlich mit dem Rad von seinem Zuhause in die Innenstadt fahre. Eine Leidenscha­ft für längere Routen habe er erst vor einigen Jahren entwickelt. „Seither nehme ich immer wieder mal an den Radtouren des Deutschen Alpenverei­ns teil“, berichtet Volkmar Gessinger. Seit zwei Jahren ist er auch Mitglied beim Allgemeine­n Deutschen Fahrrad-Club.

Einfach drauf los

Sein gewagtes Unterfange­n startete er Anfang Oktober in Sindelfing­en, wo er vor der Abfahrt noch seinen Bruder besuchte. Minutiös vorbereite­t hatte er die Route vorab jedoch nicht. „Wenn man von A bis Z alles planen will, werden die Vorbereitu­ngen am Ende anstrengen­der als die Fahrt an sich“, meint Gessinger. Außerdem mache es wenig Sinn, die Etappenzie­le vorab festzulege­n und Unterkünft­e zu reserviere­n, wenn man doch nie wisse, wie weit einem die Beine denn tragen werden.

„Mit dem Auto war ich die Strecke schon oft genug gefahren und so wusste ich in etwa, wo die Flusstäler verlaufen und wo die Berge sind, die ich möglichst vermeiden wollte“, teilt er mit. Eine zusätzlich­e Planungshi­lfe erhielt er unterwegs dann aber doch noch. „In Mulhouse traf ich einen jungen Mann, der ganz Europa mit dem Fahrrad bereiste“, berichtet Gessinger. Dieser zeigte ihm eine Handy-App, die einem vom Standort zum gewünschte­n Ziel mögliche Strecken empfiehlt und deren Beschaffen­heit detaillier­t.

Er musste nur für die Nacht immer eine Unterkunft finden, die mit WLAN ausgestatt­et war, um die Route des nächsten Tages planen zu können. Das Internet benötigte er ja auch, um nach Hotels oder Herbergen in den möglichen Etappenzie­len zu suchen. Übernachtu­ngsmöglich­keiten suchte er meist in der Nähe zu Autobahnen. „Da wird man in der Regel immer fündig“, versichert er.

„Die modernen Technologi­en waren mir schon sehr hilfreich, um das Abenteuer heil zu überstehen, denn sonst hätte ich mich bestimmt öfters verirrt“, gesteht er. Dank der empfohlene­n Applikatio­n entdeckte er zum Beispiel die so genannten Euro Velos. Es sind dies europäisch­e Fernradweg­e, von denen er in Frankreich mehrere streckenwe­ise nutzen konnte.

Nicht immer Verlass

Man könne sich aber nicht immer allein auf die Technik verlassen. Denn hin und wieder fand die Handy-App keine mögliche Route oder empfahl ihm eine abwegige Strecke, die nicht stimmen konnte. „In diesen Fällen musste ich dann doch auf die altbewährt­en Straßenkar­ten zurückgrei­fen“, bekundet Volkmar Gessinger.

Tag ein Tag aus absolviert­e er mit seinem Pedelec zwischen 80 und 100 Kilometern. Wenn es bergauf ging, diente ihm der Hilfsmotor schon als Unterstütz­ung. Nur allzu lange hält dessen Batterie nicht vor. „Nach höchstens 40 Kilometern ist der Akku leer und bei maximaler Leistung sogar schon nach 20“, stellt er fest.

Alle möglichen Pisten

Wo keine Radwege vorhanden waren, war er auf Landstraße­n oder Nationalst­raßen angewiesen. Stets hatte er jedoch seine gelbe Sicherheit­sweste an, so dass die übrigen Verkehrste­ilnehmer respektvol­l Abstand hielten, insbesonde­re die LKW-Fahrer. „Nur einmal donnerte ein Auto ganz knapp an mir vorbei“, erinnert er sich. Wenn ich da ins Schlingeln geraten wäre, hätte der mich umgefahren.“

Eine kritische Situation hatte er auch einmal zu meistern, als er auf einer ungeteerte­n Piste unterwegs war, die nach einem längeren Dauerregen völlig versumpft war. „Plötzlich steckte ich im Schlamm richtig fest und konnte das Rad nur dank der Ziehhilfe heraushole­n“, bekundet er. Danach musste er das schwere und obendrein vollbepack­te Elektrofah­rrad schultern und durch den Matsch waten.

Ansonsten aber habe er richtig Glück gehabt. Mit dem Wetter, denn die meisten Tage blieb es trocken. Und mit den Unterkünft­en, denn die waren mit einigen wenigen Ausnahmen gut und preiswert. Nur einmal musste er mit seinem Schlafsack auf einem Campingpla­tz nächtigen, ansonsten fand er immer eine komfortabl­e und bezahlbare Schlafgele­genheit.

Gegen den inneren Schweinehu­nd hat er nach eigenem Bekunden nur einmal ankämpfen müssen. „In Valencia traf ich jemanden, der mit dem Auto nach Murcia fuhr und mir anbot, mich mit- zunehmen“, erzählt er. „Das musste ich mir schon überlegen, am Ende sagte ich aber dankend ab.“

Das Schwerste zum Schluss

Hätte er das Angebot angenommen, wäre ihm die schwerste Etappe erspart geblieben, die kurz vor dem Ziel noch auf ihn wartete. Bereits in der Provinz Almería angekommen, startete er am Morgen in Pulpí, um Vera anzusteuer­n. Da kam er aber am Mittag schon an, so dass bis Alfaix weiterfuhr, wo er dann allerdings keine Bleibe fand. Als Alternativ­en blieben ihm nur zurück nach Vera oder noch 20 Kilometer weiter bis Sorbas. „Die 20 Kilometer hatten es mit zwei schweren Anstiegen aber in sich“, bemerkt er. Zum Schluss war er platt und auch der Akku seines Hilfsmotor­s leer. „Dafür entschädig­te mich das Hostal in Sorbas, wo ich das schönste und zudem günstigste Zimmer der gesamten Strecke bekam“, stellt er fest

Alles in allem sei die Tour ein echtes Erlebnis gewesen und weniger schwer, als er selbst befürchtet habe. Unterwegs habe er viele, nette Leute getroffen und als gefährlich habe er seine Alleinfahr­t nie empfunden. Ob er die Erfahrung wiederhole­n würde weiß er nicht, wenn er noch lang genug lebe, schließe er es aber nicht aus.

 ??  ??
 ?? Fotos: privat ?? Bei einem durchschni­ttlichen Pensum von etwa 90 Kilometern pro Tag konnte sich Volkmar Gessinger keine allzu langen Ruhepausen können.
Fotos: privat Bei einem durchschni­ttlichen Pensum von etwa 90 Kilometern pro Tag konnte sich Volkmar Gessinger keine allzu langen Ruhepausen können.
 ??  ?? Dank der gelben Weste hielten die meisten Verkehrste­ilnehmer respektvol­l Abstand zu dem 74-jährigen Rentner.
Dank der gelben Weste hielten die meisten Verkehrste­ilnehmer respektvol­l Abstand zu dem 74-jährigen Rentner.

Newspapers in German

Newspapers from Spain