Mit dem Rad
Volkmar Gessinger aus Schwäbisch Hall ist allein mit dem Elektrorad von Sindelfingen nach Roquetas gefahren
Einen Monat lang ist Volkmar Gessinger mit dem Elektrorad von Sindelfingen in sein Urlaubsdomizil in Roquetas gefahren.
Moderne Technologien dienten ihm unterwegs bei der Etappenplanung Von einigen kleinen Malheurs abgesehen, verlief alles reibungslos
Die Idee, mit dem Fahrrad von seiner Heimat in sein festes Urlaubsdomizil zu fahren, spukte schon länger in seinem Kopf herum. In diesem Jahr entschied sich Volkmar Gessinger schließlich, seinen abenteuerlichen Plan umzusetzen, trotz der Sicherheitsbedenken seiner Frau, gegen die er einwendete, dass die meisten Menschen doch im Bett sterben würden.
Fahrrad fuhr der 74-jährige Rentner aus Schwäbisch Hall schon von klein auf gerne, wobei er sich als Alltagsfahrer bezeichnet, da er gewöhnlich mit dem Rad von seinem Zuhause in die Innenstadt fahre. Eine Leidenschaft für längere Routen habe er erst vor einigen Jahren entwickelt. „Seither nehme ich immer wieder mal an den Radtouren des Deutschen Alpenvereins teil“, berichtet Volkmar Gessinger. Seit zwei Jahren ist er auch Mitglied beim Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club.
Einfach drauf los
Sein gewagtes Unterfangen startete er Anfang Oktober in Sindelfingen, wo er vor der Abfahrt noch seinen Bruder besuchte. Minutiös vorbereitet hatte er die Route vorab jedoch nicht. „Wenn man von A bis Z alles planen will, werden die Vorbereitungen am Ende anstrengender als die Fahrt an sich“, meint Gessinger. Außerdem mache es wenig Sinn, die Etappenziele vorab festzulegen und Unterkünfte zu reservieren, wenn man doch nie wisse, wie weit einem die Beine denn tragen werden.
„Mit dem Auto war ich die Strecke schon oft genug gefahren und so wusste ich in etwa, wo die Flusstäler verlaufen und wo die Berge sind, die ich möglichst vermeiden wollte“, teilt er mit. Eine zusätzliche Planungshilfe erhielt er unterwegs dann aber doch noch. „In Mulhouse traf ich einen jungen Mann, der ganz Europa mit dem Fahrrad bereiste“, berichtet Gessinger. Dieser zeigte ihm eine Handy-App, die einem vom Standort zum gewünschten Ziel mögliche Strecken empfiehlt und deren Beschaffenheit detailliert.
Er musste nur für die Nacht immer eine Unterkunft finden, die mit WLAN ausgestattet war, um die Route des nächsten Tages planen zu können. Das Internet benötigte er ja auch, um nach Hotels oder Herbergen in den möglichen Etappenzielen zu suchen. Übernachtungsmöglichkeiten suchte er meist in der Nähe zu Autobahnen. „Da wird man in der Regel immer fündig“, versichert er.
„Die modernen Technologien waren mir schon sehr hilfreich, um das Abenteuer heil zu überstehen, denn sonst hätte ich mich bestimmt öfters verirrt“, gesteht er. Dank der empfohlenen Applikation entdeckte er zum Beispiel die so genannten Euro Velos. Es sind dies europäische Fernradwege, von denen er in Frankreich mehrere streckenweise nutzen konnte.
Nicht immer Verlass
Man könne sich aber nicht immer allein auf die Technik verlassen. Denn hin und wieder fand die Handy-App keine mögliche Route oder empfahl ihm eine abwegige Strecke, die nicht stimmen konnte. „In diesen Fällen musste ich dann doch auf die altbewährten Straßenkarten zurückgreifen“, bekundet Volkmar Gessinger.
Tag ein Tag aus absolvierte er mit seinem Pedelec zwischen 80 und 100 Kilometern. Wenn es bergauf ging, diente ihm der Hilfsmotor schon als Unterstützung. Nur allzu lange hält dessen Batterie nicht vor. „Nach höchstens 40 Kilometern ist der Akku leer und bei maximaler Leistung sogar schon nach 20“, stellt er fest.
Alle möglichen Pisten
Wo keine Radwege vorhanden waren, war er auf Landstraßen oder Nationalstraßen angewiesen. Stets hatte er jedoch seine gelbe Sicherheitsweste an, so dass die übrigen Verkehrsteilnehmer respektvoll Abstand hielten, insbesondere die LKW-Fahrer. „Nur einmal donnerte ein Auto ganz knapp an mir vorbei“, erinnert er sich. Wenn ich da ins Schlingeln geraten wäre, hätte der mich umgefahren.“
Eine kritische Situation hatte er auch einmal zu meistern, als er auf einer ungeteerten Piste unterwegs war, die nach einem längeren Dauerregen völlig versumpft war. „Plötzlich steckte ich im Schlamm richtig fest und konnte das Rad nur dank der Ziehhilfe herausholen“, bekundet er. Danach musste er das schwere und obendrein vollbepackte Elektrofahrrad schultern und durch den Matsch waten.
Ansonsten aber habe er richtig Glück gehabt. Mit dem Wetter, denn die meisten Tage blieb es trocken. Und mit den Unterkünften, denn die waren mit einigen wenigen Ausnahmen gut und preiswert. Nur einmal musste er mit seinem Schlafsack auf einem Campingplatz nächtigen, ansonsten fand er immer eine komfortable und bezahlbare Schlafgelegenheit.
Gegen den inneren Schweinehund hat er nach eigenem Bekunden nur einmal ankämpfen müssen. „In Valencia traf ich jemanden, der mit dem Auto nach Murcia fuhr und mir anbot, mich mit- zunehmen“, erzählt er. „Das musste ich mir schon überlegen, am Ende sagte ich aber dankend ab.“
Das Schwerste zum Schluss
Hätte er das Angebot angenommen, wäre ihm die schwerste Etappe erspart geblieben, die kurz vor dem Ziel noch auf ihn wartete. Bereits in der Provinz Almería angekommen, startete er am Morgen in Pulpí, um Vera anzusteuern. Da kam er aber am Mittag schon an, so dass bis Alfaix weiterfuhr, wo er dann allerdings keine Bleibe fand. Als Alternativen blieben ihm nur zurück nach Vera oder noch 20 Kilometer weiter bis Sorbas. „Die 20 Kilometer hatten es mit zwei schweren Anstiegen aber in sich“, bemerkt er. Zum Schluss war er platt und auch der Akku seines Hilfsmotors leer. „Dafür entschädigte mich das Hostal in Sorbas, wo ich das schönste und zudem günstigste Zimmer der gesamten Strecke bekam“, stellt er fest
Alles in allem sei die Tour ein echtes Erlebnis gewesen und weniger schwer, als er selbst befürchtet habe. Unterwegs habe er viele, nette Leute getroffen und als gefährlich habe er seine Alleinfahrt nie empfunden. Ob er die Erfahrung wiederholen würde weiß er nicht, wenn er noch lang genug lebe, schließe er es aber nicht aus.