landschaftlich wie kulturhistorisch hat der vom Südosten in den Nordwesten Spaniens führende Weg auch einiges zu bieten. Marliese Hammer und Margret Hopf aus Roquetas haben den „Camino Mozárabe“für sich entdeckt. Ihre ErKaum bekannt
Auf dem „Camino Mozárabe“ist man noch relativ einsam unterwegs
Der erst vor wenigen Jahren wieder hergerichtete „Camino Mozárabe“ist ein echter Geheimtipp unter den Jakobswegen. Gegenüber anderen Varianten wie etwa dem französischen Jakobsweg ist er weit weniger überlaufen. Und lebnisse haben sie in einem gemeinsamen Buch zu Papier gebracht. Mit der Publikation wollen sie vor allem andere Wanderfreunde zum Pilgern auf dem alternativen Jakobsweg animieren.
Viele Wege führen zum vermeintlichen Grab des Apostels Jakobus in der Kathedrale von Santiago de Compostela. Einer der eher weniger bekannten Jakobswege ist der
Camino Mozárabe (dt.: Weg der Mozaraber), benannt nach den Christen, die im Mittelalter im unter muslimischer Herrschaft stehenden Al Andalus lebten.
Dieser 1.420 Kilometer lange Fernwanderweg startet von Almería aus und führt in nordwestlicher Richtung über Granada und Cordóba nach Merida. Dort vereint er sich mit dem aus Sevilla kommenden, als Via de la Plata bekannten Jakobsweg, der in nördlicher Richtung über Salamanca nach Santiago de Compostela führt. Lange Zeit startete der Camino
Mozárabe jedoch in Granada, weil die Strecke von Almería bis dorthin aufgegeben worden war. Vor einigen Jahren aber richtete die Asociación Jacobea de Almería die verwahrlosten Wanderwege wieder her und wies die historische Route neu aus. Die 198 Kilometer lange Strecke von Almería bis Granada hat die Vereinigung in neun Abschnitte unterteilt.
Von der erneuten Erschließung des in Almería beginnenden Jakobsweges erfuhren auch die beiden wanderbegeisterten Freundinnen Marliese Hammer und Margret Hopf aus Roquetas. Es war just nach einer Wanderung in der Sierra de Gádor, während sie in einem Lokal in Félix einkehrten, als Marliese Margret vorschlug, den
Camino Mozárabe zu gehen. Margret sagte Marliese umgehend zu, denn schon während ihrer beruflichen Jahre in Barcelona wollte sie den Jakobsweg gerne absolvieren, nur ließ ihr die Arbeit als Produkt-Managerin in einem multinationalen Unternehmen nie die nötige Zeit dafür. Nun, wo sie im Ruhestand in Roquetas lebt, bot sich der vor ihrer Haustür startende der Camino Mozárabe an, um das Versäumnis nachzuholen.
Die Beweggründe der beiden Freundinnen, um sich auf den Ja- kobsweg zu machen, waren indes nicht ganz die gleichen. Für die aus Nördlingen stammende Margret Hopf, die als junges Mädchen mit ihrer Familie nach New York
Zwei wanderbegeisterte Freundinnen machen sich auf den Jakobsweg
emigrierte und in den USA sowie in Frankreich Literatur studierte, ist die kunsthistorische Bedeutung des Jakobsweges ihre vorrangige Motivation gewesen.
Für die in Bad Schussenried geborene, ungemein reisefreudige Marliese Hammer, die in ihrer Heimat zusammen mit ihrem Mann Eugen als selbständige Unternehmerin tätig war und seit Eintritt in den Ruhestand die Winter in Roquetas verbringt, standen eher religiöse Gründe im Vordergrund. Sie wollte mit der Pilgerung Gott näher kommen und ihm für ihre glücklichen Ehejahre und die Gesundheit ihrer Familie danken.
Etwas später als geplant
Nicht zuletzt ihrer eigenen, denn Marliese Hammer hatte erst vor wenigen Jahren eine Herzoperation über sich ergehen lassen müssen. Wegen der Intervention hatte sie das Unterfangen Jakobsweg ein wenig verschieben müssen. „Die zeitliche Verzögerung war letztlich aber nicht so schlecht, denn während des Krankenhausaufenthaltes und der anschließenden Regeneration konnte ich mich intensiv belesen, um die Pilgerfahrt gut vorzubereiten“, gesteht sie.
Margret Hopf entdeckte in der Planungsphase wiederum die eingangs erwähnte Asociacion Jaco
bea de Almería. Auf deren informativer Facebook-Seite sah sie, dass der von Almería ausgehende
Camino Mozárabe einen allmählich wachsenden Zuspruch erfährt. „Aus Italien, Frankreich oder sogar aus Australien reisten bereits Pilger an, um diesen Jakobsweg zu begehen“, stellt Margret fest.
„Einige sind sogar im Hochsommer losgelaufen, wovon ich wegen der Temperaturen dringend abraten würde“, fährt sie fort. „Das Frühjahr oder der Spätsommer und der Frühherbst sind, denke ich, am ehesten zu empfehlen“, pflichtet ihr Marliese bei. „Ab November muss man nämlich vor allem im Norden Spaniens verstärkt mit Regen rechnen“, ergänzt sie.
Selbstverständlich hatten Marliese Hammer und Margret Hopf zu keiner Zeit erwogen, den gesamtem Jakobsweg von Almería bis zur Pilgerstätte in Santiago de Compostela zu erwandern. Stattdessen kamen sie auf die Idee, einen Teil der Route mit einem Wohnmobil abzufahren, wobei sie sich voll und ganz auf die Unterstützung von Marlieses Ehemann Eugen verlassen konnten.
So planten sie schließlich, den Beginn des Camino Mozárabe von Almería bis Granada sowie dessen Ende von Ourense bis Santiago de Compostela zu erlaufen und die dazwischen liegende Strecke mit dem Caravan abzufahren.
Während sie die letzten rund 100 Kilometer am Stück über mehrere Tage gehen würden, beschlossen sie die ersten knapp 200 Kilometer über einen längeren Zeitraum verstreut in Etappen zu erwandern, wobei sie den Ausgangsort jeweils von zuhause aus anfahren würden.
Einen Test wollten sie vorab dann aber doch noch machen, um zu prüfen, ob die Wanderwege tatsächlich in Ordnung und korrekt ausgeschildert sind. „Wir fuhren im Vorfeld nach Alboloduy, um ein Teilstück des Jakobsweges abzuschreiten und sahen, dass alles bestens war“, berichtet Margret Hopf. Die gesamte Route ist gut ausgewiesen, denn wir kamen nur einmal an eine Stelle, die ein wenig unklar war“, fügt sie hinzu.
Ruhigen Gewissens in dieser Hinsicht begaben sie sich eines Tages nach Almería, um ihre Pilgerfahrt in Angriff zu nehmen. „Der Startpunkt ist die Kathedrale, vor der eine Kammmuschel im Boden den Beginn des Jakobsweges markiert“, stellt Marliese Hammer fest. „Von dort marschierten wir vorbei an der Iglesia de Santiago, wo wir unseren ersten Stempel in unserem Pilger-Pass erhielten, und an der Iglesia de San Sebastián.
Die Rambla hinauf ging es für die beiden anschließend über den nördlichen Stadtteil Torrecárdenas aus Almería hinaus in das Tal des Andarax. Wie auch auf einer späteren Etappe bei Abla am Tal des Nacimiento mussten sie dort ein Stück weit im trockenen Flussbett zurücklegen. „Wenn man diese Strecke wandert, sollte man möglichst schon die Wettervorhersage beachten und auch nicht gehen, nachdem es geregnet hat“, gibt Marliese Hammer zu Bedenken.
Kaum eine Menschenseele
Ansonsten sei das Wandern im Andarax-Tal sehr reizvoll. „Es ist überraschend grün und voller Orangenplantagen, man sieht immer wieder Schmetterlinge fliegen oder hört Hunde bellen“, kommentiert Margret Hopf. Nur Menschen sehe man eher selten. Der Abschnitt des Jakobsweges zwischen Almería und Granada sei nämlich sehr einsam, in der damit verbundenen Ruhe liege zugleich aber auch seine Attraktivität.
Die Distanz zwischen Almería und Granada bewältigte das Duo schließlich in 19 Tagesetappen zum Teil höchst unterschiedlicher Länge. „Unterwegs kann man viele kleine Kirchen besichtigen, die recht schön sind. Zumeist waren diese früher Moscheen, die nach der Reconquista zu katholischen Tempeln wurden“, weiß Margarete Hopf zu berichten.
Auf den Wegen mangele es lediglich an Einkehrmöglichkeiten, denn Bars oder Restaurants seien fast nur in den Ortschaften anzutreffen. Und während oder auch nach der Wanderung stärkten sich Marliese und Margret stets gerne mit einer Tapa zu einem Bier oder einem Glas Wein.
Landschaftliche Vielfalt
Landschaftlich seien die Tagesabschnitte in der Provinz Almería recht abwechslungsreich gewesen,
Von Granada bis Ourense mit dem Caravan „gepilgert“
da man durch vegetationsreiche Flusstäler wie auch durch trockene Steppen und Halbwüsten marschiere. Noch interessanter aber sei die Landschaft jenseits der Provinzgrenze mit Granada.
„Zwischen Fiñana und Guadix läuft man viele Kilometer am Fuße der Sierra Nevada auf dessen Nordseite“, teilt Marliese Hammer mit. „Da kann es im Spätwinter ganz gut passieren, dass man an blühenden Mandelbäumen vorbeiläuft, während oben im Hochgebirge Schnee liegt“, ergänzt sie. Nicht weniger reizvoll empfand Margret Hopf die Landschaft der Bad Lands im Umfeld von Guadix. Die mitunter skurrilen Felsformationen in ihren ungewöhnlichen Farben und die in die Felsen gebauten Höhlenwohnungen sind eine Augenweide“, schwärmt sie.
In der Provinz Granada befinden sich laut Marliese und Margret auch die architektonischen Höhepunkte der Route. Wie etwa die im Renaissance-Stil erbaute Burg von Calahorra oder das verlassene Jesuitenkloster aus dem 16. Jahrhundert am Ufer des Darro. Als wir dieses mitten in der Wildnis vorfanden, hatten wir den Eindruck in der Zeit weit zurück gereist zu sein“, erzählt Margret.
Das Gefühl, sich in einem vergangenen Jahrhundert zu befinden, befiel sie auch beim Erreichen von Granada. „Wenn man über die Berge nach Granada gelangt, erblickt man zunächst die historischen Viertel Sacromonte und Albaicín ohne den modernen Teil der Stadt zu sehen, bis auf die herausragenden Türme der Kathedrale“, stellt sie bewundernd fest.
Nachdem sie den ersten Teil des Camino Mozárabe erfolgreich hinter sich gebracht hatten, ging es zunächst mit dem Wohnmobil weiter. Die Strecke bis Ourense legten sie in sechs Etappen zurück. Unterwegs besichtigten sie sehr touristische Städte wie Córdoba, Merida und Cáceres, aber auch kleinere, weit weniger bekannte Ortschaften wie Puebla de Sanabria oder Allariz.
Im Süden von Galicien angekommen, galt es dann noch den letzten Abschnitt des Camino Mo
zarabe bis Santiago de Compostela zu meistern, um die Pilgerurkunde zu erhalten. Die etwas mehr als 100 Kilometer sollten die rüstigen Rentnerinnen in nur fünf Etappen zurücklegen, wobei sie Marlieses zuverlässiger Ehemann Eugen jeden Tag mit dem Caravan am jeweiligen Zielort erwartete.
Nicht so überlaufen
Im spanischen Nordwesten ist der mozarabische Jakobsweg Marliese und Margret zufolge kaum belebter als im Südosten Andalusiens. Mit dem wohl bekanntesten, vom französischen Roncesvalles ausgehenden Jakobsweg sei er kaum zu vergleichen. Weshalb sie ihre Variante all jenen Pilgern und Wanderfreunden empfehlen, die für eine Wallfahrt eher die Ruhe und Einsamkeit vorziehen. „Abenteuerlich war die Route hin und wieder schon, als bedrohlich haben wir sie allerdings nie empfunden“, versichert Marliese Hammer.
Lediglich einmal mussten sie eine angespannte Situation überstehen, ohne dabei aber wirklich in Gefahr zu sein. „Wir wollten auf der Strecke wenigstens einmal, wie es sich für einen richtigen Wallfahrer gehört, in einer Pilgerherberge übernachten“, erinnert sich Margret Hopf. „Das taten wir dann ausgerechnet in einer Klosterher- berge, die direkt neben einem Friedhof lag und in der wir in jener Nacht obendrein die einzigen Gäste waren“, bekundet sie.
Diesen gruseligen Moment brachten sie aber ebenso hinter sich wie auch die restliche Strecke, so dass sie in Santiago de Com- postela schließlich die Pilgerdiplome ausgehändigt bekamen und in der Kathedrale an der Pilgermesse teilnehmen konnten.
Rückfahrt mit Zwischenstopps
Rundum zufrieden und voller Stolz auf ihre Leistung ging es im An- schluss mit ihrem geliehenen Wohnwagen wieder zurück nach Almería. Wobei sie sich für die Rückreise drei Tage Zeit ließen, um noch so geschichtsträchtige Ortschaften wie Tordesillas oder reizvolle Landschaften wie Despeñaperros zu erkunden.
Unterwegs fühlten sie sich in die Vergangenheit zurück versetzt