Über allem thront die Burg
Wer Entschleunigung sucht, sollte Jimena de la Frontera mit seiner Festungsanlage besuchen
Jimena de la Frontera gehört zu den kleinen Orten in der Provinz Cádiz in denen die Zeit stehengeblieben zu sein scheint. Von Stress ist hier nichts zu spüren, und selbst am Wochenende wird die knapp 10.000 Einwohner zählende Gemeinde am Rande des Naturparks Los Alcornocales trotz ihres sehenswerten historischen Erbes nicht von Besuchern überrannt.
Dass die Uhren in Jimena de la Frontera anders ticken, beweist ein Blick auf das große Ziffernblatt am Glockenturm der ehemaligen Kirche Santa María de la Coronada, die im Jahr 1690 erbaut wurde. Obwohl seit Ende Oktober die Winterzeit gilt, geht die Uhr um eine Stunde vor. Vielleicht will man den Gästen damit sagen, dass man noch vor der Dunkelheit nach Hause fahren sollte und man jetzt gerne wieder unter sich wäre. Doch vielleicht ist dies auch eine böse Unterstellung, denn an der Plaza de la Constitución, dem zentralen Platz des Örtchens, und in der Straße nebenan, laden TapasBars und Restaurants mit traditionellen und hausgemachten Gerichten zum Besuch ein. Während des leiblichen Wohls kann man die Kinder sorglos auf dem Spielplatz mit Schaukeln und Rutschbahn herumtollen lassen. Ein kleiner Rundgang durch die gepflegten Gassen kann ein guter Auftakt für eine Erkundungstour sein, bei der man die etwas abseits gelegenen Ruinen einer Munitionsfabrik, der Real Fábrica de Artillería de Car- los III., auf jeden Fall miteinbeziehen sollte. Die Fabrik wurde im Jahr 1777 von Karl III. errichtet, um Kanonenkugeln herzustellen, die vor allem für den Einsatz in Amerika bestimmt waren. Die Wasserversorgung durch den links und rechts über einen Wanderweg begehbaren Río Hozgarganta, der bis zu den Regenfällen am gestrigen Mittwoch komplett ausgetrocknet war, erwies sich jedoch als so unzuverlässig, dass der Betrieb schon 1786 wieder eingestellt wurde. Neben den Resten der Fabrik sind die Kanäle am Flussufer zu erwähnen, in den das Wasser, wenn es denn vorhanden war, zur Fabrik geleitet wurde.
Zur Hauptatttraktion von Jimena de la Frontera, der hoch oben thronenden Festungsanlage, gelangt man entweder zu Fuß oder man steigt ins Auto und folgt der Ausschilderung „Conjunto Monumental del Castillo“. Die Straße bringt den Besucher bis zu einem Parkplatz wenige Meter unterhalb der Burg. Direkt nebenan befindet
In der ehemaligen Munitionsfabrik wurden Kanonenkugeln hergestellt
sich auch die Iglesia de la Misericordia, eine im 15. Jahrhundert erbaute Kirche, die früher als Moschee gedient haben könnte, wie Ausgrabungsreste belegen. Bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunderts wurde das Gebäude für Gottesdienste genutzt und seit dem Umbau 1997 dient es der Gemeinde als Mehrzwecksaal für Kurse und Veranstaltungen.
Nach einem kurzen Aufstieg über einen steinigen Weg, steht man vor der Puerta del Reloj, dem Eingangstor zur Festung, die bis Ende März 2018 täglich von 9 bis 20 Uhr (April bis September von 9 bis 22 Uhr) kostenlos besucht werden kann und seit 1931 den Status „Nationales Monument“besitzt. Am östlichen Rand der Provinz Cádiz gelegen, wurde die Festung im 8. Jahrhundert von den Arabern als Wachposten auf den Ruinen eines römischen Vorgängerbaus errichtet. Nach blutigem Tauziehen im 15. Jahrhundert konnte die Burg 1456 von Enrique IV. (Heinrich IV.) letztlich eingenommen werden. Mit der Rückeroberung der Festungsanlage begann gleichzeitig der Aufschwung von Jimena de la Frontera. Die Bevölkerung wuchs rasch an, die Landwirtschaft trug zum steigenden Reichtum bei, zudem zogen dort stationierte Soldaten zum finalen Feldzug gegen die Besatzer los und unterstützten unter Einsatz ihres Lebens die Eroberung der letzten arabischen Bastion in Granada, die 1492 fiel.
Sehenswert ist nicht nur die Puerta del Reloj, die vor drei Jahren restauriert wurde. Beim Spaziergang zwischen den Ruinen fallen auch die Überreste der Wasserspeicher auf, neben denen man sich auf einer grünen Wiese zum gemütlichen Picknick niederlassen und die Stille genießen kann. Gleich nebenan befindet sich auch der Dorffriedhof, auf dem die Einwohner von Jimena de la Frontera ihre letzte Ruhe finden. Die mit Blumenschmuck verzierten Ni- schengräber kann man sich gerne anschauen, wenn man schon den Weg zum höchsten Punkt des Gipfels auf sich genommen hat.
Turm als Fotomotiv
Herzstück der Anlage ist der 13 Meter hohe Torre del Homenaje, der über eine kleine Brücke zugänglich ist und zu Fuß umrundet werden kann. Der Turm ist ein be- liebtes Fotomotiv und rundherum wurde ein Weg mit Treppen und Geländern angelegt, von dem aus man eine gute Sicht auf das Dorfzentrum hat, aus dem prominent der Glockenturm der ehemaligen Kirche Santa María hervorragt.
Es lohnt sich, ein bisschen Zeit in der Anlage zu verbringen und die sie umgebende Natur zu genießen. Bizarre Felsformationen kann man beobachten, wenn man seinen Blick schweifen lässt. Schafe und Ziegen, die an den Hängen grasen, bekommt man nur selten zu Gesicht, dafür ist das Bimmeln ihrer Glöckchen umso präsenter. Und wenn man die schwarzen Kügelchen auf dem Boden sieht, weiß man, dass die Festung den Tieren gehört, wenn die letzten Besucher wieder von dannen gezogen sind.
Wenn man mit dem Auto wieder hinunter ins Dorf fährt, sollte man genau auf die Schilder und mögliche Einbahnstraßen achten. Wer derart enge Straßen nicht gewöhnt ist und falsch abbiegt, kann beim Rangieren schnell ins Schwitzen kommen. Und ein Aufund Abstieg zu Fuß ist an sonnigen Tagen nur körperlich fitten Personen empfehlen.
Die Festung kann bis Ende März 2018 täglich von 9 bis 20 Uhr besichtigt werden