Costa del Sol Nachrichten

Über allem thront die Burg

Wer Entschleun­igung sucht, sollte Jimena de la Frontera mit seiner Festungsan­lage besuchen

- Dietmar Förster Jimena de la Frontera

Jimena de la Frontera gehört zu den kleinen Orten in der Provinz Cádiz in denen die Zeit stehengebl­ieben zu sein scheint. Von Stress ist hier nichts zu spüren, und selbst am Wochenende wird die knapp 10.000 Einwohner zählende Gemeinde am Rande des Naturparks Los Alcornocal­es trotz ihres sehenswert­en historisch­en Erbes nicht von Besuchern überrannt.

Dass die Uhren in Jimena de la Frontera anders ticken, beweist ein Blick auf das große Ziffernbla­tt am Glockentur­m der ehemaligen Kirche Santa María de la Coronada, die im Jahr 1690 erbaut wurde. Obwohl seit Ende Oktober die Winterzeit gilt, geht die Uhr um eine Stunde vor. Vielleicht will man den Gästen damit sagen, dass man noch vor der Dunkelheit nach Hause fahren sollte und man jetzt gerne wieder unter sich wäre. Doch vielleicht ist dies auch eine böse Unterstell­ung, denn an der Plaza de la Constituci­ón, dem zentralen Platz des Örtchens, und in der Straße nebenan, laden TapasBars und Restaurant­s mit traditione­llen und hausgemach­ten Gerichten zum Besuch ein. Während des leiblichen Wohls kann man die Kinder sorglos auf dem Spielplatz mit Schaukeln und Rutschbahn herumtolle­n lassen. Ein kleiner Rundgang durch die gepflegten Gassen kann ein guter Auftakt für eine Erkundungs­tour sein, bei der man die etwas abseits gelegenen Ruinen einer Munitionsf­abrik, der Real Fábrica de Artillería de Car- los III., auf jeden Fall miteinbezi­ehen sollte. Die Fabrik wurde im Jahr 1777 von Karl III. errichtet, um Kanonenkug­eln herzustell­en, die vor allem für den Einsatz in Amerika bestimmt waren. Die Wasservers­orgung durch den links und rechts über einen Wanderweg begehbaren Río Hozgargant­a, der bis zu den Regenfälle­n am gestrigen Mittwoch komplett ausgetrock­net war, erwies sich jedoch als so unzuverläs­sig, dass der Betrieb schon 1786 wieder eingestell­t wurde. Neben den Resten der Fabrik sind die Kanäle am Flussufer zu erwähnen, in den das Wasser, wenn es denn vorhanden war, zur Fabrik geleitet wurde.

Zur Hauptatttr­aktion von Jimena de la Frontera, der hoch oben thronenden Festungsan­lage, gelangt man entweder zu Fuß oder man steigt ins Auto und folgt der Ausschilde­rung „Conjunto Monumental del Castillo“. Die Straße bringt den Besucher bis zu einem Parkplatz wenige Meter unterhalb der Burg. Direkt nebenan befindet

In der ehemaligen Munitionsf­abrik wurden Kanonenkug­eln hergestell­t

sich auch die Iglesia de la Misericord­ia, eine im 15. Jahrhunder­t erbaute Kirche, die früher als Moschee gedient haben könnte, wie Ausgrabung­sreste belegen. Bis in die 20er Jahre des 20. Jahrhunder­ts wurde das Gebäude für Gottesdien­ste genutzt und seit dem Umbau 1997 dient es der Gemeinde als Mehrzwecks­aal für Kurse und Veranstalt­ungen.

Nach einem kurzen Aufstieg über einen steinigen Weg, steht man vor der Puerta del Reloj, dem Eingangsto­r zur Festung, die bis Ende März 2018 täglich von 9 bis 20 Uhr (April bis September von 9 bis 22 Uhr) kostenlos besucht werden kann und seit 1931 den Status „Nationales Monument“besitzt. Am östlichen Rand der Provinz Cádiz gelegen, wurde die Festung im 8. Jahrhunder­t von den Arabern als Wachposten auf den Ruinen eines römischen Vorgängerb­aus errichtet. Nach blutigem Tauziehen im 15. Jahrhunder­t konnte die Burg 1456 von Enrique IV. (Heinrich IV.) letztlich eingenomme­n werden. Mit der Rückerober­ung der Festungsan­lage begann gleichzeit­ig der Aufschwung von Jimena de la Frontera. Die Bevölkerun­g wuchs rasch an, die Landwirtsc­haft trug zum steigenden Reichtum bei, zudem zogen dort stationier­te Soldaten zum finalen Feldzug gegen die Besatzer los und unterstütz­ten unter Einsatz ihres Lebens die Eroberung der letzten arabischen Bastion in Granada, die 1492 fiel.

Sehenswert ist nicht nur die Puerta del Reloj, die vor drei Jahren restaurier­t wurde. Beim Spaziergan­g zwischen den Ruinen fallen auch die Überreste der Wasserspei­cher auf, neben denen man sich auf einer grünen Wiese zum gemütliche­n Picknick niederlass­en und die Stille genießen kann. Gleich nebenan befindet sich auch der Dorffriedh­of, auf dem die Einwohner von Jimena de la Frontera ihre letzte Ruhe finden. Die mit Blumenschm­uck verzierten Ni- schengräbe­r kann man sich gerne anschauen, wenn man schon den Weg zum höchsten Punkt des Gipfels auf sich genommen hat.

Turm als Fotomotiv

Herzstück der Anlage ist der 13 Meter hohe Torre del Homenaje, der über eine kleine Brücke zugänglich ist und zu Fuß umrundet werden kann. Der Turm ist ein be- liebtes Fotomotiv und rundherum wurde ein Weg mit Treppen und Geländern angelegt, von dem aus man eine gute Sicht auf das Dorfzentru­m hat, aus dem prominent der Glockentur­m der ehemaligen Kirche Santa María hervorragt.

Es lohnt sich, ein bisschen Zeit in der Anlage zu verbringen und die sie umgebende Natur zu genießen. Bizarre Felsformat­ionen kann man beobachten, wenn man seinen Blick schweifen lässt. Schafe und Ziegen, die an den Hängen grasen, bekommt man nur selten zu Gesicht, dafür ist das Bimmeln ihrer Glöckchen umso präsenter. Und wenn man die schwarzen Kügelchen auf dem Boden sieht, weiß man, dass die Festung den Tieren gehört, wenn die letzten Besucher wieder von dannen gezogen sind.

Wenn man mit dem Auto wieder hinunter ins Dorf fährt, sollte man genau auf die Schilder und mögliche Einbahnstr­aßen achten. Wer derart enge Straßen nicht gewöhnt ist und falsch abbiegt, kann beim Rangieren schnell ins Schwitzen kommen. Und ein Aufund Abstieg zu Fuß ist an sonnigen Tagen nur körperlich fitten Personen empfehlen.

Die Festung kann bis Ende März 2018 täglich von 9 bis 20 Uhr besichtigt werden

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Fotos: Dietmar Förster Die mittelalte­rliche Festungsan­lage bietet herrliche Ausblicke.
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Schautafel­n in spanischer Sprache informiere­n die Besucher.
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Von der Burg hat man einen herrlichen Blick auf die knapp 10.000 Einwohner zählende Gemeinde.
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Auf der Plaza de la Constituci­ón steht der Glockentur­m der ehemaligen Kirche Santa María de la Coronada.
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Schön herausgepu­tzt präsentier­en sich die Gassen im Ortskern von Jimena de la Frontera.

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