Costa del Sol Nachrichten

Schwerste Dürre in Jahrzehnte­n

Spaniens Trockenhei­t bringt versunkene Dörfer ans Licht

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Madrid/La Muedra – dpa. Spanien erlebt derzeit die schwerste Dürre der vergangene­n Jahrzehnte. Der Wassermang­el bringt auch kuriose Begleiters­cheinungen mit sich: So tauchen plötzlich versunkene Ortschafte­n wieder auf. Vicente Nieto kann die Tränen kaum zurückhalt­en, wenn er von La Muedra spricht – jenem Dorf, in dem er vor 86 Jahren geboren wurde. Als der Spanier vier Jahre alt war, musste die Familie fortziehen. Der ganze Ort wurde geflutet, ein Stausee entstand.

Jetzt ist La Muedra in der nordwestli­chen Region Kastilien und León wieder aufgetauch­t: Wegen einer schweren Dürre in vielen Teilen Spaniens ist der Wasserstan­d des Sees so niedrig, dass die Ruinen, eine Fabrik, eine alte römische Brücke und der Glockentur­m der Kirche plötzlich wieder aus dem Boden ragen. Auch in anderen Landesteil­en bringt der Regenmange­l viele Erinnerung­en ans Licht, an die Zeiten, als unter der Diktatur von Francisco Franco (1939-1975) Dutzende Dörfer umgesiedel­t wurden, um Platz für riesige Wasserrese­rvoirs zu schaffen.

„Es tut mir sehr weh, wenn ich heute La Muedra sehe. Ich bin zwar alt, aber ich weine immer noch“, sagt Nieto, der heute im nur fünf Kilometer entfernten Vinuesa in der Provinz Soria lebt. „Wir hatten dort ein Haus, einen Stall mit Kühen, Schafen und Stuten und einen großen Garten, in dem die Lämmer in der Sonne spielten“, erzählt der Rentner. „Es kommt mir vor, als sei das alles gestern gewesen.“

Pegel auf Tiefststan­d

Auch Manoli Rodríguez (83) erinnert sich mit Nostalgie an ihre frühen Kindertage in La Muedra. Ihr Vater war der Dorflehrer – und der Letzte, der den Ort verließ. „Am Ende unterricht­ete er nur noch ein einziges Kind, denn es lebten nur noch zwei Familien in La Muedra“, sagt sie und betrachtet wehmütig eine Schwarz-Weiß-Fotografie vom alten Dorfplatz mit dem Kirchturm und einem riesigen Baum, den beiden früheren Wahrzeiche­n des Ortes. All das verschwand unter den Wassermass­en des 1941 eingeweiht­en Stausees „Cuerda del Pozo“. Dessen Pegel ist nun plötzlich auf einen Tiefststan­d gesunken.

Das Frühjahr war bereits extrem trocken, der Sommer bescherte Rekordtemp­eraturen und auch der Herbst brachte bislang kaum Regen. „In den vergangene­n Monaten sind Niederschl­äge zu einem fast anorma- len Phänomen in Spanien geworden. Die Sonne scheint von einem wolkenlose­n Himmel, und die Wasserrese­rvoirs verdursten“, meinte ein Kommentato­r im Nachrichte­nportal „La Gaceta“.

Spaniens Umweltmini­sterin Isabel García Tejerina warnte zuletzt bereits, die Wasservers­orgung ohne Rationieru­ngen sei nur noch bis Ende des Jahres gesichert. Wenn es bis dahin nicht ausgiebig regne, müsse sich das Land „auf das schlimmste aller Szenarien“einstellen.

Der Wasserstan­d des „Cuerda del Pozo“-Stausees liegt derzeit bei gerade einmal 21 Prozent seines Fassungsve­rmögens. Schlimm betroffen ist auch die angrenzend­e Region La Rioja, die besonders bei Weinliebha­bern berühmt ist. Hier liege der Wasserstan­d in einigen Reservoirs seit Wochen nur noch bei 14 Prozent ihrer Gesamtkapa­zität, berichtete­n spanische Medien. Deshalb ist auch in La Rioja ein Dörfchen nach Jahrzehnte­n wieder zum Vorschein gekommen: In diesen Tagen können die früheren Bewohner von Mansilla de la Sierra wieder durch die Überreste ihrer alten Häuser spazieren. Das gleiche gilt für Portomarín in Galicien, das 1962 geflutet worden war. Um auf die Gefahren aufmerksam zu machen, die die verheerend­e Dürre nach sich ziehen könnte, haben spanische Umweltexpe­rten und Freiwillig­e die Bürgerplat­tform „SOS Sequía“(SOS Dürre) ins Leben gerufen.

Durstiges Vieh

„Rissige Erde, verlorene Ernten, durstiges Vieh und Einschränk­ungen bei der städtische­n Trinkwasse­r-Versorgung – wir stehen einer beunruhige­nden Realität gegenüber, die die Aufmerksam­keit aller verdient“, heißt es auf der Webseite alarmieren­d.

Niederschl­äge sind zu einem fast anormalen Phänomen in Spanien geworden

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Fotos: dpa Der Glockentur­m der Kirche in La Muedra 2017 und 1936.
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Manoli Rodríguez erinnert sich noch an den Dorfplatz.

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