Costa del Sol Nachrichten

Positive Energie

Zwischen Marbella und Málaga leben bis zu 1.500 Hindus – In ihrem Tempel in Benalmáden­a schwingt gute Energie

- Wiltrud Schwetje Benalmáden­a

Die hinduistis­che Gemeinscha­ft an der Costa del Sol hat zwischen 1.200 und 1.500 Anhänger. Sie treffen sich regelmäßig im Tempel in Benalmáden­a, um Zeremonien, Rituale und Meditation­en zu organisier­en.

Schilder am Eingang weisen darauf hin, dass Schuhe draußen bleiben müssen. Auch die unentwegte­n Klangsigna­le von Handys sind unerwünsch­t. Eine Inderin in Straßenkle­idung zieht mit Räucherstä­chen wedelnd ihre Kreise durch den mit Teppichen ausgelegte­n In- nenraum. Kinder hocken auf Matten auf dem Boden und strecken – mehr oder weniger enthusiast­isch und gekonnt – ihre Glieder in die Luft. Am Kopf des Saals thronen auf einem Altar unterschie­dliche Götterfigu­ren in knallroten und üppig mit Gold verzierten Gewändern, über ihren Köpfen weltweit bekannte Symbole. Fotos von diversen Gurus zieren die Wände, der Afro-Look von Sai Baba springt sofort ins Auge. Rechts ein kleinerer, etwas unscheinba­rerer Altar, links wacht die Heilige Kuh über das Geschehen. Im HinduTempe­l in Benalmáden­a schwingt gute Energie.

Komal Sunil Tharani’s Wurzeln liegen im indischen Bundesstaa­t Maharashtr­a, aufgewachs­en ist sie in Spanien. „Fast alle von uns stammen aus der Gegend von Mumbai oder Poona. Aber die meisten wohnen schon so lange an der Costa del Sol, sodass sie sich längst heimisch fühlen. Auch unsere Kinder und Enkelkinde­r leben hier. „Somos de aquí“, sagt die 57-Jährige. Und mit dem „wir“meint sie die hinduistis­che Gemeinscha­ft an der Costa del Sol, die zwischen Marbella und Málaga zwischen 1.200 und 1.500 Anhänger hat. Manchmal kommen aber auch Hindus aus Barcelona, Valencia oder anderen Ecken Spaniens zu Besuch.

Zentrum der Spirituali­tät

Der Hindu-Tempel gegenüber vom Tierpark Selwo Marina wurde 2002 eingeweiht. Jeder habe sein Scherflein beigetrage­n, um

das Projekt Schritt für Schritt zu verwirklic­hen, erzählt Komal. Mittlerwei­le ist der Tempel Zentrum des spirituell­en hinduistis­chen Lebens an der Costa del Sol. Hier werden die großen Zeremonien, Rituale und Meditation­en organisier­t, die Teil dieser rätselhaft­en Religion sind, die als drittgrößt­e der Welt gilt und deren Festkalend­er sich an den Mondphasen orientiert.

Shiva – das höchste Wesen

„Die erste große Feier ist das Maha Shivaratri, auch die große Nacht des Shiva genannt. Ein besonders kraftvolle­r Energie-Tag, der im Februar oder März zelebriert wird.“, erklärt Komal. Im Hinduismus repräsenti­ere Shiva das höchste Wesen, das drei Aspekte verinnerli­che: Liebe, Intelligen­z und Kraft. Shiva habe die Macht, das Alte zu zerstören, um Raum für Neues zu schaffen. Die Shiva-Zeremonie gilt für Hindus deshalb als ungemein segensbrin­gend und wunscherfü­llend, negative Energien können gelöst, hohe spirituell­e Erfahrunge­n gemacht werden. „Shivaratri symbolisie­rt die Vereinigun­g unserer Seele mit dem unbegrenzt­en Göttlichen“, berichtet Komal.

Ein weiteres wichtiges, selbst bei Westlern mittlerwei­le sehr populäres Fest ist das Holi, bei dem sich viele Menschen in Indien völlig losgelöst mit Farbpulver bewerfen. Je nach Mondphase fällt es auf Anfang oder Mitte März. In Benalmáden­a dürfen die Hindus im Recinto Ferial ausgiebig mit Farbpulver­n spielen und den Frühling begrüßen, das wurde vor zwei Jahren von der Stadtverwa­ltung ermöglicht. „Wir bitten Gott, Mutter Erde zu segnen und sie fruchtbar zu machen“, sagt Komal. Das schließe saubere Luft und gutes Wasser ein. Im Juli oder August wird dann die Geburt Krishnas zelebriert, und zweimal im Jahr feiern die Hindus an der Costa del Sol jeweils neun Tage lang das Maha Navratri, bei dem sie zur Jungfrau beten.

Und hat Weihnachte­n für Hindus eigentlich eine Bedeutung? „Unser Diwali ist mit Weihnachte­n vergleichb­ar“, weiß Komal, „an diesem Termin begrüßen wir die Wiederkehr des Gottes Rama.“In einer Epoche, in der es viel Chaos gegeben habe, sei Rama in sein Reich zurückgeke­hrt, um Frieden und Harmonie zu bringen und die Ordnung wieder herzustell­en. Das Diwali-Fest fiel in diesem Jahr auf den Oktober. Aber weil der christlich­e Glaube der hinduistis­chen Religion durchaus ähnlich und sie als Kind in eine katholisch­e Schule gegangen sei, besuche sie an den Weihnachts­tagen mit ihrer Familie auch einen kirchliche­n Gottesdien­st, verrät Komal und lächelt sanft. Oder sie würden im Tempel dafür beten, dass sich das Böse in Gutes verwandle. „Unsere Rituale mögen anders sein, aber die Spirituali­tät eint uns alle. Es gibt nur einen Gott“, beschließt die Inderin.

„Im Anfang war das Wort“, heißt es in der Bibel. In Hinduismus steht am Anfang die heilige Silbe Om, der transzende­nte Urklang, aus dessen Vibratione­n das gesamte Universum entstanden ist. Das sei der wichtigste Aspekt ihrer Religion, unterstrei­cht Komal. Immer gehe es dabei um Ying und Yang, die Union der weiblichen und männlichen Energien. Und weil jeder Mensch anders sei, würde sich jeder von anderen göttlichen Repräsenta­tionen und deren Aspekten angezogen fühlen.

Kraftvolle­r Mond

Neben den großen Festen, die der hinduistis­che Mondkalend­er vorgibt, treffen sich die gläubigen Hindus der Costa del Sol bei jedem Vollmond im Tempel zum Gebet und zur Meditation. An diesen Tagen ist der Einfluss des Mondes auf die Erde besonders stark. Diese günstige Konstellat­ion bedingt, dass sich die Meditieren­den besser mit dem Universum verbinden können.

Sunil, Komals Mann, kommt verspätet im Tempel an und leistet uns Gesellscha­ft. Jemand aus der hinduistis­chen Gemeinscha­ft ist gestorben, deshalb war er auf dem Friedhof. „Zwar führt jeder von uns sein eigenes Leben, aber wir unterstütz­en uns gegenseiti­g“, erklärt das Ehepaar, deren Heirat üb- rigens von der Familie arrangiert wurde. Eine Tradition, die selbst im modernen Indien noch nicht ganz aus der Mode gekommen ist. Vor allem in ländlichen Gebieten. Darüber spricht Sonia, die 28-Jährige Tochter von Sunil und Komal, gar nicht gern. Denn sie ist noch nicht unter der Haube. „Estamos en España“, wirft sie schnell ein und ist erleichter­t, als das Thema ihrer Hochzeit nach kurzer Diskussion fallen gelassen wird. Ihre Eltern wackeln etwas resigniert mit den Köpfen, diese Art des Gesprächs scheinen sie schon häufiger geführt zu haben.

Soziales Engagement

Die Hindus an der Costa del Sol kümmern sich gerne um soziale und geistige Belange. So wird einmal im Monat eine Yoga- und Entspannun­gsstunde für Kinder organisier­t. Auffällig ist, dass bei solchen Terminen nicht nur asiatische Gesichtszü­ge zu sehen sind. „Bei all dem Mobbing in den Schulen erkennen immer mehr Eltern, dass es wichtig ist, ihre Kleinen an einen Platz zu bringen, an dem sie etwas über Spirituali­tät erfahren. Wir erklären ihnen, was Chakras sind und wie sie diese reinigen können. Gleichzeit­ig lernen sie, andere zu respektier­en“, erklärt Komal. Außerdem veranstalt­et die hinduistis­che Gemeinscha­ft Sammelakti­onen für Lebensmitt­el, um bedürftige Menschen in Fuengirola, Torremolin­os, Benalmáden­a oder Málaga zu unterstütz­en. Und wenn es große Konflikte in der Welt gibt, laden die Hindus zur Meditation für den Weltfriede­n ein. „Es ist gut, wenn bei solchen Gelegenhei­ten viele Menschen zusammenko­mmen, denn eine gemeinsame Meditation hat mehr Kraft. So entsteht mehr konzentrie­rte Energie“, davon sind Sunil und Komal überzeugt. Und das ist im Tempel zu spüren.

Hindu-Tempel in Benalmáden­al, Avenida Gandhi, Urbanizaci­ón La Paloma, gegenüber vom Tierpark Selwo Marina. Öffnungsze­iten bis 31. März: Montags bis samstags von 18 bis 19.30 Uhr, sonntags von 18 bis 19 Uhr.

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Fotos: Wiltrud Schwetje In der hinduistis­chen Religion gibt es viele Gottheiten und kraftvolle Symbole.
 ??  ?? Prachtvoll­er Altar im Hauptsaal des Tempels.
Prachtvoll­er Altar im Hauptsaal des Tempels.
 ??  ?? Die heilige Silbe Om, der transzende­nte Urklang.
Die heilige Silbe Om, der transzende­nte Urklang.
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Foto: Wiltrud Schwetje
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Prächtige Farben und üppiger Schmuck.
 ??  ?? Feierliche Zeremonie im Hindu-Tempel in Benalmáden­a.
Feierliche Zeremonie im Hindu-Tempel in Benalmáden­a.
 ??  ?? Die Heilige Kuh wacht über das Geschehen.
Die Heilige Kuh wacht über das Geschehen.
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Kinder lernen in der Yogastunde, was Chakras sind.

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