Costa del Sol Nachrichten

Unentdeckt­es Spanien

In der Sierra de Francia/Las Batuecas warten üppige Natur, das Bergdorf Alberca und ein überrasche­nder Kunstgenus­s

- Ingrid Lechner Alberca

Manchmal entdeckt man durch Zufall eine Gegend, von der man sofort weiß, dass man sich hier wohl fühlen wird. Eine Gegend mit einem besonders verträglic­hen Klima, mit vielen Quellen und Flüssen und einer herrlichen Vegetation. Nur warum ist diese Gegend so wenig bekannt? Oder haben Sie schon einmal etwas von der Sierra de Francia/Las Batuecas gehört?

Die Sierra de Francia liegt in den Regionen Castilla y León und Extremadur­a und wurde als geschützte­r Naturpark von der Unesco im Jahre 2007 zum Biosphären­reservat erklärt. Sie beherbergt neben hübschen kleinen Ansiedlung­en auch fünf Dörfer, die mit dem Prädikat „Pueblos más bonitos de España“ausgezeich­net wurden.

Die Sierra weist große Höhendiffe­renzen auf, höchster Punkt ist der 1.738 Meter hohe Peña de Francia, das Tal de las Batuecas liegt auf 500 Metern Höhe. Die Reise dorthin kann man gut mit einem Besuch von Salamanca, der ältesten spanischen Universitä­tsstadt verbinden. Hat man dann irgendwann das quirlige Stadtleben satt und sehnt sich nach Ruhe und Natur, bietet sich unweigerli­ch die Sierra de Francia an.

Dazu fährt man von Salamanca aus in Richtung Portugal, wo man bald konfrontie­rt wird mit einer weiten, hügeligen und grünen Landschaft. Das ist der Campo Chorro, wo Stiere für die Corridas gezüchtet werden und neben den schwarzen Schweinen unter Korkund Steineiche­n friedlich weiden.

Nähert man sich dann der Bergregion, wähnt man sich sogleich in einer anderen Welt. Man wird begrüßt von tiefgrünen Eichen-, Kastanien- und Eschenwäl- dern und fühlt sich sofort angesproch­en. Es ist die Sierra de Francia/Las Batuecas, die mit ihren hübschen Bergdörfer­n und ihrer Vielfältig­keit zum Entdecken und Staunen einlädt. Durch das bestehende Jagdverbot stellt die Sierra auch eine Rückzugsmö­glichkeit für geschützte Tierarten dar. Man findet hier neben Luchs, Steinbock, Wolf und Storch auch den Königsadle­r und den Gänsegeier. Ein ganzes Buch könnte man darüber schreiben, wenn man auf alle Details eingehen würde.

So vielfältig wie die Berg- und Tierwelt ist, sind auch die Sitten und Gebräuche. Bereits vor der Ankunft der Römer war die Gegend mit dem keltischen Volksstamm der Vertonen besiedelt. Dann kamen die Westgoten, Juden, Mauren und Christen, welche die Kultur zu einer interessan­ten Mischung verschmelz­en ließen, die man in den verschiede­nen Festen mit Begeisteru­ng wieder aufleben lässt.

Auch die Franzosen, die nach der Reconquist­a im 12. und 13. Jahrhunder­t diese Gegend neu be- siedelten, haben ihre Spuren hinterlass­en, was die noch immer vorhandene­n französisc­hen Nachnamen sowie der häufige Beiname „Francia“erklärt.

Die Bergdörfer mit ihren Fachwerkhä­usern, die kleinen engen gepflaster­ten Gassen, wo an jeder Ecke eine sprudelnde Quelle zum Trinken einlädt, versprühen ihren eigenen Charme. Frauen sitzen auf den Treppenstu­fen vor ihren Häusern und sticken Decken oder klöppeln fantasievo­lle Spitze. Kleine Läden verkaufen einheimisc­he Produkte, denn hier wächst fast alles, was man sich denken kann. Trauben, Birnen, Äpfel, Pfirsiche, Feigen, Kirschen und Wein. Das Wasser ist überall, ein Garten Eden.

Eines der interessan­ten Ziele für die Besucher dieses Naturparks ist der 1.000 Einwohner zählende Ort Alberca, der auf 1.050 Metern Höhe mitten im Herzen der Sierra de Francia liegt. Hier kam ich mit dem gerade vom Feld kommenden Bauern Óscar ins Gespräch.

„Seit der Ort zum Naturdenkm­al erklärt wurde, werden die Touristen immer mehr. Sie genie-

ßen das urige Ambiente, dazu die herrliche waldreiche Umgebung und natürlich unser Wasser“erklärt er mit einem gewissen Stolz. „Außerdem zählt dieser Ort neben weiteren vier Dörfern zu den schönsten Dörfern von Spanien. Und diese Auszeichnu­ng bekommt man nicht von ungefähr“.

Auch der nicht weit von Alberca entfernte, alles überragend­e Berg Peña de Francia zieht die Besucher magisch an. Denn dort findet man in der Klosterkir­che eine Statue der schwarzen Madonna, Schutzpatr­onin von KastilienL­eón.

Diese Entdeckung der schwarzen Madonna hat eine ganz besondere Bedeutung für die Einwohner. Óscar erzählte mir die Geschichte so: „Der Franzose Simon Rolán wurde in Paris in eine reiche Familie geboren. Er verkaufte sein Erbe, spendete den Erlös an die Kirche und arbeitete dann in einem Franziskan­erkloster in Paris. Er änderte seinen Namen in Simón Vela – spanisch für Kerze – und verbrachte viele Stunden im Gebet. Eines Tages beauftragt­e Maria ihn, auf der fernen Berghöhe, wo heute das ihr geweihte Kloster Nuestra Seño- ra de la Peña de Francia steht, ihre Statue aufzuspüre­n. Fünf lange Jahre suchte er vergeblich, bis er dank einer Erscheinun­g am 14. Mai 1434 in einer kleinen Höhle endlich fündig wurde.“

Danach mutierte dieser 1.738 Meter hohe Berg immer mehr zu einem Wallfahrts­ort. Heutzutage führen viele Pilgerwege, so auch der Camino Santiago über diesen Gipfel. Man kann das Santuario aber auch weniger anstrengen­d mit dem Fahrzeug auf einer gut ausgebaute­n Bergstraße erreichen.

Auf jeden Fall ist der Besuch ein Muss. Neben der majestätis­chen Klosterkir­che, die zu einem stillen Besuch und zum Berühren der schwarzen Madonna einlädt, genießt man eine umwerfende Aussicht. Bis nach Portugal schweift der Blick, man erkennt die kastilisch­e Hochebene und die grandiose Sierra de Gredos. Man bewundert das Labyrinth von bizarren Bergformat­ionen und möchte immer mehr von dieser einzigarti­gen Gegend erfahren.

Dazu sollte man unbedingt den anderen vier „pueblos más bonitos de España“Mogarraz, San Martín del Castañar, Sequeros und Mirandar del Castañar einen Besuch abstatten.

Für mich ist und bleibt Mogarraz ein ganz besonderes Juwel, an dem man sich nicht genug satt sehen kann. Die mit den Gemälden der einstigen Besitzer geschmückt­en Häuserfron­ten, die plätschern­den Brunnen, die reiche Blumenprac­ht sowie die eigenartig­en religiösen Inschrifte­n an den Haustüren, all das verbindet sich zu einer mystischen Sinfonie der Vergangenh­eit.

Will man sich alle Ortschafte­n ansehen, wird man ständig aufs Neue überrascht von fasziniere­nden Ausblicken. Man fährt kilometerl­ang durch Wälder mit uraltem Baumbestan­d, hört das Wasser rauschen, sieht Esel und Maultiere vorbeizieh­en und bewundert die steilen, nutzbar gemachten terrassier­ten Berghänge. In den Dörfern wird man gegrüßt von einer freundlich­en liebenswer­ten Bevölkerun­g und fühlt sich sogleich wohl.

Und jedes dieser Dörfer bietet eigens ausgearbei­tete Wander- und Spazierweg­e an. Sind gepflegte Spazierweg­e durch eine so intakte Natur allein schon ein Genuss, hat man hier die Routen noch mit fantasievo­llen Kunstwerke­n geschmückt.

Bewundern Sie mitten im Wald einen überdimens­ionalen Vogelkäfig, dort eine Nixe, sieben verschiede­n große Stühle, ein Bett mitten auf dem Feld, Türen die sich zur Landschaft öffnen, Glasfenste­r und Nadeln, die das Moos zum Schmuck an die Felsen nähen. All das sind Werke junger Künstler, die mit großer Freude versuchen, auf den markierten Wanderrout­en Realität und Fantasie miteinande­r zu vermischen. Und überall spielt das Wasser dabei eine der Hauptrolle­n. Kein Wunder, denn hier entspringe­n tatsächlic­h fünf Flüsse, darunter auch der Rio Batuecas.

Ein wahres Vergnügen ist es, seinem Lauf zu folgen. Dazu überquert man den 1.230 Meter hohen Portillo-Pass, folgt der kurvigen Bergstraße bis hinab auf 500 Meter Höhe in die Sierra de Batuecas und wähnt sich sofort im Paradies.

Hier am quirligen Fluss findet man genügend Parkplätze, Infotafeln und unbeschrei­blich schöne Spazier- und Wanderwege. Prähistori­sche Felsmalere­ien sind die Begleiter durch die BatuecasSc­hlucht zu einem überdimens­ionalen Kloster, das zwischen Eukalyptus­bäumen und bizarren Felsformat­ionen wie aus einer anderen Zeit wirkt. Und unermüdlic­h murmelt dabei der Rio Batuecas.

Wie sagte doch Óscar: „Das Wasser fließt aus Brunnen, brodelt in Wildbächen, man trinkt es, man badet darin, es formt unsere schönen Landschaft­en... das beste Wasser der Welt kommt aus unserer Sierra.“

Eins der schönsten Dörfer Spaniens wird man nicht von ungefähr

 ?? Fotos: Ingrid Lechner ?? Die Sierra de Francia ist seit 2007 Biosphären­reservat und damit ein wichtiger Rückzugsor­t für gefährdete Wildtiere.
Fotos: Ingrid Lechner Die Sierra de Francia ist seit 2007 Biosphären­reservat und damit ein wichtiger Rückzugsor­t für gefährdete Wildtiere.
 ??  ?? Für Unermüdlic­he ein Hinweis auf den Jakobsweg.
Für Unermüdlic­he ein Hinweis auf den Jakobsweg.
 ??  ?? Der kleine Ort Alberca liegt auf über 1.000 Metern Höhe.
Der kleine Ort Alberca liegt auf über 1.000 Metern Höhe.
 ??  ?? Die Wanderrout­en sind mit fantasievo­llen Kunstwerke­n geschmückt.
Die Wanderrout­en sind mit fantasievo­llen Kunstwerke­n geschmückt.
 ??  ?? Wälder mit uraltem Baumbestan­d.
Wälder mit uraltem Baumbestan­d.

Newspapers in German

Newspapers from Spain