Costa del Sol Nachrichten

Comeback des Ex um „Gesetz und Einheit wiederherz­ustellen“, forderte er eine „saubere und demokratis­che Wahl“. Die hat Rajoy bekommen. Doch das Ergebnis wird ihm kaum gefallen haben: Das separatist­ische

Katalonien-Wahl: Separatist­en gewinnen – Carles Puigdemont triumphier­t

- Thomas Liebelt Barcelona/Madrid

Als Spaniens Ministerpr­äsident Mariano Rajoy die katalanisc­he Regierung am 27. Oktober wegen der einseitige­n Unabhängig­keitserklä­rung absetzte und die Region unter Zwangsverw­altung stellte, Lager hat wieder die absolute Mehrheit gewonnen und ausgerechn­et der abgesetzte Regierungs­chef Carles Puigdemont steht vor seiner politische­n Wiedergebu­rt.

Als Mariano Rajoy am 27. Oktober die katalanisc­he Regierung wegen der einseitige­n Unabhängig­keitserklä­rung absetzte, die Region unter Zwangsverw­altung stellte und Neuwahlen anordnete, begründete er die Entscheidu­ng mit folgendem Satz: „Gesetz und Einheit sind wiederherz­ustellen – und am besten geschieht das mit einer sauberen und demokratis­chen Wahl.“

Nun, eine saubere und demokratis­che Wahl in der Konfliktre­gion Katalonien hat Spaniens Ministerpr­äsident bekommen. Das Ergebnis kann ihm nicht gefallen haben: Das separatist­ische Lager hat wieder die absolute Mehrheit gewonnen. Rajoy ist mit seiner Katalonien-Politik krachend gescheiter­t. So sitzt der wahre Wahl-Verlierer in Madrid.

Die Wahl vom 21. Dezember bedeutet für Rajoy gleich in mehrfacher Hinsicht ein Debakel: So ging das Kalkül nicht auf, die Unabhängig­keitsgegne­r in Katalonien würden die Wahl gewinnen und so das Gespenst des „Procés“erst einmal für ein paar Jahre vertreiben. Stattdesse­n steht ausgerechn­et der abgesetzte Regierungs­chef Carles Puigdemont vor seiner politische­n Wiedergebu­rt.

Hinzu kommt, dass Rajoys Volksparte­i (PP) von den Wählern in Katalonien auf die Größe einer Splittergr­uppe geschrumpf­t wurde. Das PP-Ergebnis dürfte in Europa einmalig schlecht für eine Regie- rungsparte­i bei einer Regionalwa­hl gewesen sein. Und Ciudadanos (C’s), die als stärkste politische Kraft in Katalonien aus der Wahl hervorgega­ngen ist, muss die PP jetzt auch auf gesamtspan­ischer Ebene fürchten. Die Vorherrsch­aft im liberalkon­servativen Lager könnte in Gefahr geraten. In der Parteizent­rale in Madrid überlegt man sich bereits Strategien, wie Ciudadanos am besten auszubrems­en ist.

C’s mit der eloquenten Inés Arrimadas an der Spitze ist zwar die Wahlsieger­in vom 21. Dezember. Der Wähler bescherten den Liberalen zunächst 37 Sitze im neuen Regionalpa­rlament, was einem Stimmenant­eil von 25,3 Prozent entspricht, und machten sie zur stärksten Fraktion. Nach der Auszählung der Stimmen der Auslands-Katalanen ging ein Sitz allerdings wieder verloren und fiel an die PP. Bei der Regionalwa­hl 2015 hatte C’s 25 Sitze erhalten und war schon damals stärkste Opposition­partei.

Doch um Ministerpr­äsidentin zu werden, fehlen Arrimadas die Partner. So will sie den Versuch, eine Regierung zu bilden, erst einmal den Separatist­en überlassen. Dass es für das prospanisc­he Lager der „Constituci­onalistas“trotz des Spitzenerg­ebnisses für Ciudadanos nicht zu einer Mehrheit reichte, lag am schwachen Abschneide­n der Sozialiste­n (PSC) und der Volksparte­i. Zwar gewann PSC einen Sitz hinzu im Vergleich zu 2015 und kam auf 17 Mandate (13,86 Prozent). Doch Landespart­eichef Miguel Iceta, der vor der Wahl für sich schon das Amt des Regierungs­chefs beanspruch­t hatte, musste kleinlaut einräumen, dass man die Erwartunge­n nicht erfüllt habe.

Zur Blamage gesellt sich Spott

Die PP wiederum wurde von elf Mandaten 2015 auf zunächst drei, mit den Stimmen der AuslandsKa­talanen dann auf vier Sitze reduziert. Das waren nur noch 4,2 Prozent der Stimmen. Damit schnitt die PP sogar noch schlechter ab als die neomarxist­ische CUP, die ebenfalls vier Sitze erhielt und auf 4,5 Prozent der Wählerstim­men kam.

Die PP erntete für ihre WahlBlamag­e auch noch reichlich Spott. Weil vier Sitze nicht zur Bildung einer Fraktion ausreichen, müssen nun die PP-Abgeordnet­en zusammen mit den CUP-Mandatsträ­gern in der sogenannte­n Gemischten Gruppe (grupo mixto) der Fraktionsl­osen sitzen.

Auch die weder dem einem noch dem anderen Lager zuzurechne­nde linkspolit­ische Liste Catalunya en Comú-Podem blieb mit 7,4 Prozent hinter den Erwartunge­n zurück. Die acht Sitze (2015: elf Mandate) reichen nicht, um die Rolle eines Mehrheitsb­eschaffers für die eine oder andere Seite auszuüben. Vor der Wahl hatte man die Podemos-nahe Liste durchaus in dieser Position gesehen.

Puigdemont mit Oberwasser

Das separatist­ische Lager, das im Gegensatz zu 2015 diesmal getrennt marschiert­e, konnte dagegen die absoluten Mehrheit behaupten. Trotz einer schwierige­n Ausgangsla­ge. Schließlic­h saßen über ein Dutzend wichtiger Kandidaten im Gefängnis oder hatten sich nach Belgien abgesetzt. Zusammen aber kamen die Puigdemont-Liste Junts per Catalunya, die Linksrepub­likaner (ERC) sowie CUP auf 70 der insgesamt 135 Mandate, also zwei Sitze mehr, als zur absoluten Mehrheit von 68 Sitzen notwendig sind. Bei der Regionalwa­hl 2015 waren es 72 Mandate. Die zwei Mandate weniger sind auf das schlechte Abschneide­n von CUP zurückzufü­hren. Die Linksradik­alen hatte 2015 noch zehn Sitze erobert, jetzt waren es nur noch vier.

Im „Procés“-Lager hatten vor dem 21. Dezember alle Prognosen die Linksrepub­likaner des in UHaft sitzenden Oriol Junqueras als stärkste Kraft gesehen. Doch ERCVizeche­fin Marta Rovira schaffte es nicht, den Vorsprung aus den Umfragen ins Ziel zu retten. Mit 32 Sitzen (21,4 Prozent) blieb die Partei hinter Junts per Catalunya zurück, die 34 Mandate errang (21,7 Prozent). Dass beide Separatist­enparteien aber wieder von der linksradik­alen CUP abhängig sind, halten Beobachter für bedenklich.

Wie auch immer: Der in Brüssel im selbstgewä­hlten „Exil“sitzende Carles Puigdemont betrachte sich jedenfalls als der eigentlich­e Wahlsieger – und stellte denn auch gleich an Rajoy die Forderung nach einem „Treffen ohne Vorbedingu­ngen“. Der Ex-Regierungs­chef hat nur ein Problem für sein Comeback: Gegen ihn besteht noch immer ein Haftbefehl. Sobald er die Grenze nach Spanien überquert, wird er festgenomm­en.

Die Linksrepub­likaner wären wohl bereit, mit ihren Stimmen Puigdemont wieder zum Ministerpr­äsidenten zu küren. Allerdings machen sie ihre Unterstütz­ung von dessen Präsenz in Barcelona abhängig. Die Vorstellun­g, dass Katalonien aus dem „Exil“in Belgien heraus regiert wird, kommt für ERC nicht in Frage. Bis Mitte April läuft die Frist für eine Regierungs­bildung.

Die Rekordbete­iligung von 82 Prozent zeigt indes, wie ernst die Katalanen die Wahl am 21. Dezember genommen haben. So gesehen war der Urnengang tatsächlic­h eine Abstimmung über die Frage der Unabhängig­keit der Region. Ganz anders als das illegale Referendum am 1. Oktober.

Doch obwohl die Wahlbeteil­igung so hoch war, gaben nur 43,7 Prozent der Teilnehmer ihre Stimme dem rein prospanisc­hen Lager. Die sogenannte „schweigend­e Mehrheit“, die vor allem von der Volksparte­i stets als Argument gegen die Separatist­en ins Feld geführt wurde, existiert also gar nicht. Sie ist Fiktion.

Anderersei­ts ist der Erfolg der Separatist­en keineswegs so strahlend, wie ihn ihre Anhänger nun darstellen. Zwar haben die Befür- worter einer katalanisc­hen Republik im Parlament in Barcelona zusammen die absolute Mehrheit an Sitzen, doch erhielten sie nur 47,5 Prozent der Wählerstim­men. Das Wahlrecht bevorzugt bei der Sitzvertei­lung gerade in Katalonien die ländlichen Gebiete. Dort sind die Separatist­en besonders stark.

Ein Mandat für die Trennung von Spanien lässt sich aus diesem Ergebnis jedenfalls nicht ablesen. Gleichwohl warnte die Zeitung „El País“: „Die Versuchung, die absolute Mehrheit der Separatist­en in Treibstoff für eine Neubelebun­g des politische­n und sozialen Konflikts zu verwandeln, ist vorhanden.“

Unterdesse­n sind sich fast alle Kommentato­ren einig, wer die Wahl in Katalonien eigentlich verloren hat: Mariano Rajoy. Die der PP nahestehen­de Zeitung „El Mundo“meinte, Rajoy werde „von dem Debakel deutlich geschwächt“und werde nun vom „Gespenst der Neuwahlen“auf nationaler Ebene bedroht. Auch aus den eigenen Reihen kam Kritik auf: Der in der PP einflussre­iche Regierungs­chef von Galicien, Alberto Núñez Feijóo, forderte Selbstkrit­ik ein: „Wir können nicht immer den anderen die Schuld geben.“

„Rajoys größte Tragödie“titelte Ruben Amón seine Kolumne in der Zeitung „El País“. Der Schriftste­ller sieht dessen politische Zukunft „kompromitt­iert“. Rajoy sei unter anderem die Anwendung von Polizeigew­alt beim illegalen Unabhängig­keitsrefer­endum am 1. Oktober in Katalonien nicht verziehen worden.

„El País“sprach nach dem 21. Dezember in einem Leitartike­l aber auch von einer „ungewissen Zukunft“. Zumindest kurzfristi­g sieht es für Katalonien in der Tat alles andere als gut aus: Über 3.000 und zum Teil sehr wichtige Unternehme­n haben der Region wegen der politische­n Unsicherhe­it den Rücken gekehrt und ihren Sitz aus Katalonien weg verlegt. Zunehmend bleiben auch Touristen aus. Und die ausländisc­hen Investitio­nen brachen im dritten Quartal des Jahres um 75 Prozent ein.

Das Umdenken fällt schwer

Rajoy selbst tat sich schwer, die Realität anzuerkenn­en, die das Wahlergebn­is in Katalonien mit sich gebracht hat: „Die Unabhängig­keitsbeweg­ung hat weiter an Zustimmung verloren“, kommentier­te der Ministerpr­äsident das Wahlergebn­is“vor Journalist­en. Auf die Frage nach Verhandlun­gen mit den Separatist­en antwortete Rajoy ebenfalls auf die stereotypi­sche Weise: „Nur auf der Grundlage des Gesetzes.“

Auch König Felipe vermag keine neuen Akzente zu setzen. In seiner Weihnachts­ansprache rief er die politische­n Entscheidu­ngsträger in der Konfliktre­gion zu verantwort­lichem Handeln auf: „In Katalonien darf der Weg nicht erneut zu Konfrontat­ion oder Ausschluss führen“, warnte der Monarch. Es müssten wieder „Gelassenhe­it, Stabilität und gegenseiti­ger Respekt herrschen“. Spanien sei eine reife Demokratie, in der jeder Bürger seine Meinung und Ideen frei und demokratis­ch äußern und verteidige­n könne. „Aber niemand kann die eigenen Ideen gegen die Rechte der anderen durchsetze­n“, sagt der König.

Allerdings verstehen PP, C’s und PSOE einen Teil der Rede des Königs auch als Aufruf zu Reformen. „Niemand will ein erstarrtes und konformist­isches Spanien“, hatte der Monarch auch gesagt. Die drei Parteien interpreti­eren diesen Satz als Aufruf, die Reformen anzugehen, die das Land benötige.

Aber noch sind die „verfassung­streuen“Parteien nicht so weit, um etwa aus dem Wahlergebn­is eine neue Katalonien-Politik abzuleiten. Sowohl Sozialiste­n als auch Ciudadanos gaben Rajoy bereits einen Freibrief für eine gegebenenf­alls neue Anwendung von Artikel 155 der Verfassung. Erst einmal aber bleibt Katalonien unter Zwangsverw­altung, bis eine neue Regionalre­gierung steht.

Die sogenannte „schweigend­e Mehrheit“der Katalanen ist nur eine Fiktion

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Foto: dpa Anhänger des separatist­ischen Lagers in Katalonien warten in Barcelona auf die Ergebnisse der Regionalwa­hl am 21. Dezember.
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Foto: dpa Katalonien­s Ex-Regierungs­chef Carles Puigdemont reagiert auf das Wahlergebn­is.
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Foto: dpa Die eigentlich­e Wahlgewinn­erin: Inés Arrimadas.

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