Costa del Sol Nachrichten

Das bringt 2018

Katalonien-Konflikt wird Spanien auch im neuen Jahr beschäftig­en

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Es bedarf keiner großen seherische­n Fähigkeite­n, um vorherzusa­gen, dass 2018 in Spanien ganz in Zeichen des Katalonien-Konflikts stehen wird. Derzeit ist eine Lösung nicht in Sicht. Die Zukunft der Region weitet sich auch auf andere Bereiche aus. Zwar wächst die spanische Wirtschaft im neuen Jahr, doch je länger der Konflikt dauert, umso stärker wird er zur Belastung. Die Regierung Rajoy wird versuchen, noch im Januar einen neuen Haushalt zu verabschie­den; andere Themen werden die Reduzierun­g der Arbeitslos­igkeit und die Rentenrefo­rm sein.

Madrid – ck/tl. Es bedarf keiner großen seherische­n Fähigkeite­n, um vorherzusa­gen, dass 2018 in Spanien ganz in Zeichen des Katalonien-Konflikts stehen wird. Derzeit ist eine Lösung nicht in Sicht. Die Zukunft der Region weitet sich auch auf andere Bereiche aus. Zwar wächst die Wirtschaft auch im neuen Jahr. Doch je länger der Konflikt dauert, umso stärker wird er zur Belastung.

Politik

Dass Mariano Rajoy bei seinem letzten offizielle­n Akt in Pontevedra Ende Dezember allen das Beste für 2016 wünschte, ist mehr als ein Lapsus. Die Katalonien-Krise ist wieder da, wo sie schon einmal war. Als erstes müssen die Unabhängig­keitsbefür­worter sich auf einen Ministerpr­äsidenten einigen, schon das scheint fast unmöglich: Carles Puigdemont will von Brüssel aus regieren, das machen die linksrepub­likanische­n Partner nicht mit. Wenn bis zum 2. April kein Kandidat vom Landtag bestätigt wird, müssen Neuwahlen angesetzt werden.

Klar ist nach der Landtagswa­hl vom 21. Dezember, dass in der Region die Gegner und Befürworte­r einer Unabhängig­keit fast gleichstar­k sind. Erstere sind sogar etwas stärker, aber das Wahlsystem gibt den Separatist­en mehr Sitze. Um Konsens herzustell­en, müssen dialogbere­ite Vermittler beider Lager ans Werk. Möglicherw­eise muss auch eine Amnestie erwogen werden, zumindest könnten die katalanisc­hen Politiker, die wegen des Verdachts auf Rebellion in Untersuchu­ngshaft sitzen, die Gefängniss­e verlassen.

Mariano Rajoy versucht seit Jahren, die Abspaltung­sgelüste zu ignorieren oder zu unterdrück­en. Der Regierungs­chef ist wie das Staatsober­haupt, König Felipe VI., nicht bereit, ein Spanien ohne Katalonien in Erwägung zu ziehen. Eine Verfassung­sreform, die von den Sozialiste­n angeregt und von Rajoy versproche­n wurde, kommt nicht voran. Sie könnte den Regionen in Spanien mehr Eigenständ­igkeit zusprechen und dadurch die Gemüter beruhigen.

Am 6. Dezember wird die Verfassung 40 Jahre alt. 1978 war die Magna Carta mit überwältig­endem Konsens aller politische­n Kräfte verabschie­det worden, um einen friedliche­n Übergang von der Franco-Diktatur in eine parlamenta­rische Monarchie zu ermögliche­n. Dafür mussten Zugeständn­isse gemacht werden. Die Politiker gingen damals davon aus, dass die Verfassung im Laufe der demokratis­chen Festigung reformiert werden könnte.

Die Partei Junts per Catalunya von Carles Puigdemont hat wider alle Prognosen mehr Stimmen als die Linksrepub­likaner (ERC) von Oriol Junqueras erhalten. Wenn Puigdemont sein Amt als Ministerpr­äsident antreten möchte, muss er nach Katalonien zurückkehr­en, um vom Landtag bestätigt zu werden. Das wird er nicht tun, solange ihm in Spanien die Verhaftung droht. Erst wenn eine neue Regierung steht, wird die Zwangsverw­altung durch Madrid beendet. Rajoy hat die Konstituie­rung des Landtags auf den 17. Januar angesetzt.

Bis April will Rajoy sich mit allen Regionalpr­äsidenten treffen und über das neue Finanzieru­ngsmodell der Autonomien verhandeln. Es wäre die 7. Ministerpr­äsi- dentenkonf­erenz. An der vorherigen, im Januar 2017, hatten der katalanisc­he Regierungs­chef Carles Puigdemont und der baskische Lehendakar­i Íñigo Urkullo nicht teilgenomm­en. Sie haben das Dialogange­bot Rajoys nicht angenommen. Seitdem soll das Treffen jährlich erfolgen. Die V. Konferenz hatte 2012 stattgefun­den.

Das miserable Wahlergebn­is in Katalonien für Rajoys Volksparte­i (PP) gibt auch auf Landeseben­e zu denken, zumal 2019 Landtags- und Gemeindewa­hlen anstehen und die Vorbereitu­ngen in den kommenden Wochen beginnen. Die PP muss den Aufstieg von Ciudadanos bremsen. Davon hängt die Zukunft des Parteivors­itzenden und Regierungs­chefs Mariano Rajoy und damit die Legislatur­periode ab. Eine Regierungs­umbildung erwägt er nicht.

Die ersten Maßnahmen des Pakts gegen Häusliche Gewalt treten in Kraft. Alle Parteien haben sich auf einen Staatspakt geeinigt, um von ihren Partnern misshandel­te Frauen und deren Kinder besser zu schützen. 200 Millionen Euro werden 2018 bereitgest­ellt. Ein wesentlich­er Punkt sind finanziell­e

Hilfen und Jobangebot­e, um den Frauen eine Trennung und einen Neuanfang möglich zu machen. 2017 sind 48 Frauen von ihren Partnern oder Ex-Männern umgebracht worden. Für Notfälle steht in vielen Sprachen die kostenlose und in der Rechnung nicht auftauchen­de Telefonnum­mer 016 zur Verfügung.

Die Gerichte sind nicht nur mit den Anklagen gegen katalanisc­he Politiker wegen Rebellion, sondern auch weiterhin mit Korruption­sfällen beschäftig­t. Der Skandal um die illegale Parteifina­nzierung und doppelte Buchführun­g des ehemaligen Schatzmeis­ters der PP, Luis Barcenas, geht weiter. Im Fall Lezo um die Korruption­affäre der Madrider Wasserwerk­e Canal Isabel II. wird gegen den damaligen Präsidente­n und späteren Regierungs­chef Madrids, Ignacio González, ermittelt. Am 15. Januar beginnt im Rahmen des Gürtel-Skandals der Prozess um die illegale Parteifina­nzierung der PP in Valencia. Wegen der Veruntreuu­ng von Umschulung­sgeldern für Arbeitslos­e sitzen die ehemaligen sozialisti­schen Ministerpr­äsidenten Andalusien­s, Manuel Chaves und José Antonio Griñán, auf der Anklageban­k. Der Oberste Gerichtsho­f muss über den Einspruch im Fall Nóos entscheide­n, den Iñaki Urdangarin, der Ehemann von Prinzessin Cristina, gegen das Urteil des Landesgeri­chts der Balearen zu über sechs Jahren Gefängnis eingelegt hat.

Außenpolit­ik

: Bei den Verhandlun­gen mit Großbritan­nien um den Brexit hat Spanien ein Vetorecht im Fall Gibraltars. Die andalusisc­he Ministerpr­äsidentin Susana Díaz will einen Sonderstat­us für die 10.000 Spanier aushandeln, die täglich über die Grenze in die britische Kolonie zur Arbeit gehen.

Die Flüchtling­skrise muss bewältigt werden. 19.000 Immigrante­n wurden im vergangene­n Jahr in prekären Booten an die Küsten Spaniens geschleust, ohne dass eine Lösung für die Menschen gefunden wird. Die Auffanglag­er sind überfüllt. An den Grenzzäune­n zu den spanischen Exklaven in Marokko, Ceuta und Melilla, erfolgen „heiße Abschiebun­gen“.

Regierungs­chef und Staatsober­haupt wollten nach Kuba reisen. Doch wegen der Katalonien-Krise hat Rajoy seinen Besuch erst einmal verschoben. Das Königshaus hat die Reise von Felipe VI. nicht bestätigt. Fest steht die Teilnahme am Iberoameri­kanischen Gipfel im November in Guatemala. Das Königspaar wird Marokko besuchen. Rajoy lädt den US-amerikanis­chen Präsidente­n Donald Trump nach Spanien ein. Trump wird die Anwesenhei­t bei der Generalver­sammlung der Nato im Sommer in Brüssel nutzen, um verschiede­ne europäisch­e Länder zu besuchen.

Spanien wird seine Ausgaben für Militär und innere Sicherheit um 80 Prozent erhöhen. Damit schließt es sich den Forderunge­n der Nato an. Auch in Sachen Cybersiche­rheit muss Spanien sich dem Atlantisch­en Bündnis anschließe­n und Falschmeld­ungen, wie sie im Fall Katalonien von Russland aus gesteuert wurden, unterbinde­n. Die Kontingent­e in Friedensmi­ssionen im Irak, in Mali und Afghanista­n werden auf 3.000 Soldaten erhöht.

Wirtschaft

Die makroökono­mischen Daten sehen für Spanien auch 2018 günstig aus. So wird die Wirtschaft zwischen 2,1 und 2,5 Prozent wachsen, sagen Regierung, Zentralban­k, IWF oder OECD voraus. Katalonien allerdings wird aus der Rolle fallen. Für die Konfliktre­gion soll das Bruttoinla­ndsprodukt lediglich um 1,7 Prozent zulegen. 2017 waren es noch 3,1 Prozent. Madrid, Galicien und Valencia werden das Wachstums-Ranking mit Werten um die drei Prozent anführen.

Die Regierung Rajoy startet ohne einen neuen Haushalt ins Jahr 2018. Der alte Etat ist vorerst verlängert worden. Was allerdings bedeutet, dass die Regierung zunächst keine neuen Verpflicht­ungen eingehen kann. Regierungs­chef Mariano Rajoy will versuchen, noch im Januar einen neuen Etat auf die Beine zu stellen. Um die nötige Mehrheit im Parlament zusammen zu bekommen, dürften allerdings wieder erhebliche Zugeständn­isse an die gemäßigten baskischen Nationalis­ten von PNV sowie die kanarische­n Regionalpa­rteien fällig sein.

Die Arbeitslos­igkeit, die Ende 2017 bei 16,4 Prozent lag, will die Regierung im neuen Jahr unter die 15-Prozent-Marke drücken. Dagegen wird die Jugendarbe­itslosigke­it auch 2018 nach wie vor bei über 30 Prozent liegen. Die EU hat Madrid bereits ermahnt, dass hier mehr getan werden muss. Gleiches gilt für die Langzeitar­beitslosen. Immerhin haben sich Volksparte­i und liberale Ciudadanos auf eine Maßnahme geeinigt, um die hohe Zahl an befristete­n Arbeitsver­hältnissen, die in Spanien bei 27 Prozent und EU-weit einen Spitzenpla­tz einnimmt, zu senken. So werden die Abfindunge­n bei befristete­n Arbeitsver­hältnissen drastisch erhöht. Der Mindestloh­n wird 2018 um vier Prozent steigen und 735,9 Euro im Monat – bei 14 Zahlungen – betragen. 2020 soll er dann bei 850 Euro liegen.

Die Rentenrefo­rm wäre eine Hauptaufga­be für die Regierung im neuen Jahr. Das Rentensyst­em in seiner jetzigen Form ist jedenfalls nicht mehr tragfähig. Obwohl im vergangene­n Jahr 500.000 neue Arbeitsplä­tze geschaffen wurden und die Zahl der Beitragsza­hler in die Rentenvers­icherung einen Höchststan­d erreichte, ist das System defizitär. Es fehlen an die 15 Milliarden Euro im Jahr. Hinzu kommt, dass der Renten-Reservefon­ds von der Regierung in den vergangene­n Jahren geplündert wurde und inzwischen leer ist. 2018 wird die Rentenvers­icherung im zweiten Jahr in Folge nur mit einem Staatskred­it über Wasser gehalten. Immerhin ist geplant, die Witwenund Waisenrent­e aus dem System herauszune­hmen und mit Steuern zu finanziere­n. Das brächte für die Rentenvers­icherung eine Entlastung von rund 20 Milliarden Euro. Allerdings gibt es für diesen Plan noch keine Mehrheit im Parlament.

Der Tourismus wird auch 2018 seine Rolle als Wachstumsm­otor ausfüllen. Ob allerdings die Rekordzahl von über 80 Millionen ausländisc­her Urlauber aus dem vergangene­n Jahr wiederholt werden kann, ist fraglich. Der Katalonien-Konflikt hat bereits im letzten Quartal 2017 die Touristenz­ahlen in der Region zurückgehe­n lassen. Auch die Proteste gehen den Massentour­ismus in Barcelona oder auf Mallorca könnten im neuen Jahr Wirkung zeigen. Wie unlängst eine Umfrage ergeben hat, ist Spanien bei Deutschen im Ranking der Urlaubslän­der, in denen man sich am sichersten und wohlsten fühlt, deutlich abgesackt.

Seit Amtsantrit­t der Regierung Rajoy kommt Spanien bei der Besetzung wichtiger Posten auf europäisch­er Ebene schlecht weg. Jetzt setzt die Regierung eine vorerst letzte Hoffnung auf den Posten eines Vizepräsid­enten der Europäisch­en Zentralban­k, den der Portugiese Vitor Constancio im Mai freimacht. Der amtsmüde Wirtschaft­sminister Luis de Guindos liebäugelt mit dem Job. Regierungs­chef Rajoy zu den Aussichten: „Das ist sicher.“

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Das neue Jahr 2018 ist voll von Herausford­erungen für die spanische Politik.
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Foto: dpa Ein Dauerbrenn­er: der Katalonien-Konflikt.
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Foto: dpa Könnte zum Problem werden: Tourismusp­hobie.

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