Kommt die Doppelspitze?
ERC schlägt für Puigdemont eine „symbolische“Präsidentschaft vor – Weiterer Zeitplan noch offen
Barcelona – tl. Dieser Tage hätte man wirklich den Eindruck gewinnen können, als sei Brüssel die Hauptstadt von Katalonien: Erst reiste eine Delegation der Republikanischen Linken (ERC) zu Gesprächen mit dem verhinderten Kandidaten für das Amt des Ministerpräsident, Carles Puigdemont, nach Belgien. Dann folgten geschlossen die Seinen von Junts per Catalunya. Puigdemont hielt Hof.
Dabei diente die rege Reisetätigkeit katalanischer Separatisten gen Brüssel nur einem einzigen Zweck: zu sondieren, wie sich eine Formel finden lässt, die Puigdemont dazu bringen könnte, auf seine Kandidatur zu verzichten. Und zwar ohne dass er das Gefühl hat, beiseitegeschoben zu werden, oder – was vielleicht noch wichtiger ist – ohne dass sein Ego Schaden nimmt. Denn dass er nach wie vor der legitime Kandidat sei, daran lässt der ExRegierungschef keinen Zweifel.
Noch immer sind die Solidaritätsbekundungen groß: „Puigdemont ist und bleibt unser Kandidat für die Ministerpräsidentschaft“, sagte Parlamentspräsident Roger Torrent, nachdem er die Sitzung des Parlaments, bei der über die Puigdemont-Kandidatur debattiert werden sollte, abgesagt hatte. Er wolle erst dann einen neuen Termin festlegen, „wenn alle Garantien für dessen Kandidatur gegeben sind“.
Diese Haltung entspricht auch der Linie von Junts per Catalunya – obwohl sie unrealistisch ist. Puigdemont kann nicht ins Amt eingeführt werden, ohne persönlich anwesend zu sein, wie das Verfassungsgericht (TC) festgestellt hat. Außerdem könnte das TC seine Kandidatur insgesamt kippen, wenn über die Beschwerde der Regierung Rajoy entschieden wird.
In diesem Kontext bringt ERC eine neue Variante ins Spiel – eine Art Doppelspitze. So soll dem in Brüssel weilenden Puigdemont die Rolle eines „symbolischen“Präsidenten angetragen werden, während in Barcelona ein „operativer“Ministerpräsident die Regierungsgeschäfte führt. „Diese Idee klingt gut“, sagte ERC-Sprecher Sergi Sabriá. Seine Partei sieht die Prioritäten jedenfalls darin, eine handlungsfähige Regierung zu bilden und die Zwangsverwaltung Kataloniens per Artikel 155 der Verfassung beenden zu können.
Ob Puigdemont und Junts per Catalunya sich mit diesem Vorschlag anfreunden können, ist zur Zeit noch offen. Auch die Regierung hielt sich mit einer Stellungsnahme zurück. Immerhin wurde aus der Volkspartei (PP) signalisiert, dass eine symbolische Präsidentschaft keine Rolle spiele. Was wirklich zähle, sei die Amtseinführung im Parlament. „Alles andere ist egal“, sagte PP-Koordinator Fernando Marinez-Maillo gegenüber der Zeitung „El País“.
Noch ungeklärt ist derweil die Frage, wie es mit dem vom Wahlgesetz vorgeschriebene Zeitplan für eine Präsidentenwahl in Katalonien weitergeht. Die dem TC vorliegende Verfassungsbeschwerde über die Kandidatur Puigdemonts könnte die Uhr angehalten haben, hieß es. Andere sind der Meinung, dass die Fristen normal weiterlaufen. Diese Frage jedenfalls lag den Parlamentsjuristen in Barcelona zur Prüfung vor. Eine Entscheidung zog sich hin, wurde aber noch in der laufenden Woche erwartet. Neuwahlen in Katalonien rücken also ebenfalls in den Bereich des Möglichen.
ERC sieht die Prioritäten jedenfalls darin, eine handlungsfähige Regierung zu bilden