Schätze aus dem Orient
Je mehr Knoten, desto feiner und wertvoller: Perserteppiche blicken auf jahrhundertealte Tradition zurück
Abas Javdani lässt sich von Zuschauern nicht aus der Ruhe bringen. Hochkonzentriert ist der iranische Spezialist für fachgerechte Restauration und Reinigung von Orientteppichen in Dénias Galería Pazyryk bei der Arbeit. Da, wo in dem kostbaren Kelim noch bis vor kurzem ein hässliches Brandloch klaffte, weist nichts mehr auf eine Beschädigung hin. Fachmännisch hat Javdani die Brandstelle gesäubert und nachgeknüpft.
Teppiche werden in der Regel vielen Fußtritten ausgesetzt und müssen so einiges über sich ergehen lassen. Die Strapazen hinterlassen ihre Spuren. Selbst Bachtiar-Teppiche, die als besonders widerstandsfähig gelten, bleiben davor nicht verschont. Damit der Wert eines Teppichs erhalten bleibt, ist deshalb eine fachgerechte Pflege erforderlich. Javdani, der im Auftrag von Hamid Jankouk, Eigentümer der Teppichhandlung, aus dem Iran eingeflogen ist, um die wertvollen Orientteppiche von Kunden zu reparieren oder zu reinigen, versteht sein Handwerk. Arbeiten wie die Neueinfassung von Kanten, das Einziehen neuer Fransen, das Nachknüpfen von Löchern oder die Beseitigung von Rissen, Bruchstellen oder Brandschäden führt der hochqualifizierte Experte fachmännisch mit Originalmaterialien aus.
Vielfalt an Farben und Stilen
Der Begriff Orientteppich löst viele Assoziationen aus. Man mag dabei an Geschichten aus Tausendundeiner Nacht denken, an kunstvolle Muster, an aus Seide und Goldfäden gewirkte Unikate und an jahrhundertealte Kostbarkeiten. Perserteppiche haben ihren Ursprung bei vorchristlichen Nomadenvölkern, die Schaf- und Ziegenwolle zu flachen Geweben verflochten.
Später entstanden auf einfachen Webstühlen die ersten gewebten Teppiche, die den Namen Kelim bekamen. Die Knüpf- und Webtechnik wurde im Laufe der Jahrhunderte immer mehr verfeinert. Im späten Mittelalter entstanden im damaligen Persien erstmals Hofknüpfereien der Schahs und Sultane. Besonders der Schah Abbas (1571-1629) war es, der nicht nur die Landwirtschaft und den Handel, sondern auch das Kunsthandwerk förderte.
Im Laufe der jahrtausendealten Geschichte des Teppichknüpfens hat sich durch Überlieferung eine Vielzahl von Mustern und Strukturen entwickelt. Jeder Orientteppich hat einen einzigartigen Charakter und gibt Einblick in die Kulturgeschichte der jeweiligen Region. „Jeder Teppich erzählt Geschichten aus der Provinz, in der er hergestellt wurde“, sagt der Iraner Hamid Jankouk. „Dabei hat jede Region ihren eigenen Stil und Farbkombinationen.“Sachkundige seien in der Lage, genau zu bestimmen, in welcher Region der Teppich geknüpft worden sei.
Jankouk stammt aus Qazvin, einer Stadt 150 Kilometer von Teheran entfernt. Seit mehr als 70 Jahren ist seine Familie im Teppichgeschäft, seit bald 40 Jahren auch europaweit, tätig. „Wir sind nicht nur auf den Handel mit Orientteppichen spezialisiert“, sagt der Iraner, dessen Familienunternehmen Filialen in Deutschland, Belgien, den Niederlanden, Portugal und seit 2000 auch in Spanien betreibt. „Wir unterhalten im Iran auch eine eigene Knüpferei und sind dadurch in der Lage, Unikate nach Wunsch des Kunden herzustellen.“
Aber wie erkennt man beim Einkauf überhaupt, dass es sich um einen handgeknüpften und nicht um einen maschinell hergestellten Teppich handelt? „Wenn man genau hinschaut und auf die Knoten achtet, sieht man den Unterschied zwischen handgeknüpfter und maschinell hergestellter Ware auch als Laie“, behauptet der Teppichhändler. Sein Tipp für die, die auf Nummer sicher gehen wollen: „Man sollte sich die Rückseite des Teppichs ansehen. Maschinenteppiche haben auf der Unterseite im Gegensatz zu einem handgeknüpften Teppich ein Gitter“, erklärt der Fachmann. „Ein maschinell gefertigter Teppich ist zudem nicht rutschfest, denn er hat keine Knoten.“Der Iraner ist davon überzeugt: „Wer auch nur einen einzigen handgearbeiteten Teppich aus dem Orient besitzt, wird die Echtheit beim Kauf eines weiteren handgeknüpften Teppichs sofort sehen können.“
Dies gelte auch für die Qualität. Neben dem Alter, der Herkunft
Der Wert eines Orientteppichs hängt von der Anzahl der geknüpften Knoten ab
und der verwendeten Materialien sei eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale die Knotendichte. „Der Wert eines Orientteppichs hängt von der Anzahl der Knoten ab“, sagt der Iraner. „Je mehr Knoten auf einer Fläche vorhanden sind, desto aufwändiger gearbeitet und haltbarer ist der Teppich.“Berechnet wird die Knotendichte an der Anzahl der Knoten in vertikaler und horizontaler Richtung pro Quadratmeter. So besteht ein sehr grober Teppich in der Regel aus 40.000 bis 80.000 Knoten, ein mittelfeiner aus 120.000 bis 250.000 und ein extrem feiner aus einer bis vier Millionen Knoten.
Zeitlos und edel
Der klassische Orientteppich entsteht auf einem senkrechten Rahmen und wird dabei von Hand geknüpft. Darunter versteht man das Zusammenwirken von Kette, Schuss und den in das Grundgewebe eingearbeiteten Knüpfkno- ten. Nachdem der Teppich gewebt worden ist, muss der Flor auf eine einheitliche Länge gebracht werden. Dicht geknüpfte Teppiche haben einen niedrigeren, grob geknüpfte Teppiche einen höheren Flor.
Orientteppiche werden wieder beliebter. Selbst Möbelhäuser, in deren Sortiment man keine handgewebten Teppiche vermuten würde, bieten zuweilen traditionelle Handwerkskunst an. Kunden besinnen sich vermehrt auf Ursprüngliches und auf Nachhaltigkeit. Dabei steht es außer Frage, dass sich die jahrhundertalten Muster auch gut in moderne Einrichtungsstile einfügen und interessante Kontraste setzen können.
„Wenn man sich für den Kauf eines Orientteppichs entschieden hat, sollte man sich zunächst die Frage stellen, ob der Teppich meiner Wahl zu meiner Einrichtung und zum Bodenbelag passt“, erklärt ein Mitarbeiter der Galería Pazyryk. „Immerhin handelt es sich um eine nicht alltägliche Investition. Auch über den Verwendungszweck des Teppichs sollte man sich im Klaren sein.“
Eine gute Beratung sei das A und O, meint Hamid Jankouk. „Wir geben unseren Kunden gerne mehrere Stücke mit nach Hause, damit sie in Ruhe entscheiden können, ob der Teppich ihrer Wahl für den erwünschten Zweck passend ist.“
Und welche Teppiche sind besonders gefragt? Jankouk muss nicht lange überlegen: Sehr gefragt seien Nain-Teppiche, die in der gleichnamigen Wüstenstadt hergestellt werden und als besonders elegant und edel gelten. „Ein Nain wird nie altmodisch und fügt sich sowohl in klassische als auch in moderne Einrichtungen ein“, so die Einschätzung des Iraners.
Besonders beliebt seien auch die Ziegler-Teppiche, die nach ihrem Erfinder, dem Schweizer Philipp Ziegler, benannt seien. Diese zählten zu den guten Gebrauchsteppichen. Ihr Design unterscheide sich etwas von den traditionellen Mustern, denn sie seien an den modernen westlichen Geschmack angepasst. Insbesondere jüngere Generationen interessierten sich für diese zeitlosen Teppichkreationen.