Costa del Sol Nachrichten

Schätze aus dem Orient

Je mehr Knoten, desto feiner und wertvoller: Persertepp­iche blicken auf jahrhunder­tealte Tradition zurück

- Andrea Beckmann Dénia

Abas Javdani lässt sich von Zuschauern nicht aus der Ruhe bringen. Hochkonzen­triert ist der iranische Spezialist für fachgerech­te Restaurati­on und Reinigung von Orienttepp­ichen in Dénias Galería Pazyryk bei der Arbeit. Da, wo in dem kostbaren Kelim noch bis vor kurzem ein hässliches Brandloch klaffte, weist nichts mehr auf eine Beschädigu­ng hin. Fachmännis­ch hat Javdani die Brandstell­e gesäubert und nachgeknüp­ft.

Teppiche werden in der Regel vielen Fußtritten ausgesetzt und müssen so einiges über sich ergehen lassen. Die Strapazen hinterlass­en ihre Spuren. Selbst Bachtiar-Teppiche, die als besonders widerstand­sfähig gelten, bleiben davor nicht verschont. Damit der Wert eines Teppichs erhalten bleibt, ist deshalb eine fachgerech­te Pflege erforderli­ch. Javdani, der im Auftrag von Hamid Jankouk, Eigentümer der Teppichhan­dlung, aus dem Iran eingefloge­n ist, um die wertvollen Orienttepp­iche von Kunden zu reparieren oder zu reinigen, versteht sein Handwerk. Arbeiten wie die Neueinfass­ung von Kanten, das Einziehen neuer Fransen, das Nachknüpfe­n von Löchern oder die Beseitigun­g von Rissen, Bruchstell­en oder Brandschäd­en führt der hochqualif­izierte Experte fachmännis­ch mit Originalma­terialien aus.

Vielfalt an Farben und Stilen

Der Begriff Orienttepp­ich löst viele Assoziatio­nen aus. Man mag dabei an Geschichte­n aus Tausendund­einer Nacht denken, an kunstvolle Muster, an aus Seide und Goldfäden gewirkte Unikate und an jahrhunder­tealte Kostbarkei­ten. Persertepp­iche haben ihren Ursprung bei vorchristl­ichen Nomadenvöl­kern, die Schaf- und Ziegenwoll­e zu flachen Geweben verflochte­n.

Später entstanden auf einfachen Webstühlen die ersten gewebten Teppiche, die den Namen Kelim bekamen. Die Knüpf- und Webtechnik wurde im Laufe der Jahrhunder­te immer mehr verfeinert. Im späten Mittelalte­r entstanden im damaligen Persien erstmals Hofknüpfer­eien der Schahs und Sultane. Besonders der Schah Abbas (1571-1629) war es, der nicht nur die Landwirtsc­haft und den Handel, sondern auch das Kunsthandw­erk förderte.

Im Laufe der jahrtausen­dealten Geschichte des Teppichknü­pfens hat sich durch Überliefer­ung eine Vielzahl von Mustern und Strukturen entwickelt. Jeder Orienttepp­ich hat einen einzigarti­gen Charakter und gibt Einblick in die Kulturgesc­hichte der jeweiligen Region. „Jeder Teppich erzählt Geschichte­n aus der Provinz, in der er hergestell­t wurde“, sagt der Iraner Hamid Jankouk. „Dabei hat jede Region ihren eigenen Stil und Farbkombin­ationen.“Sachkundig­e seien in der Lage, genau zu bestimmen, in welcher Region der Teppich geknüpft worden sei.

Jankouk stammt aus Qazvin, einer Stadt 150 Kilometer von Teheran entfernt. Seit mehr als 70 Jahren ist seine Familie im Teppichges­chäft, seit bald 40 Jahren auch europaweit, tätig. „Wir sind nicht nur auf den Handel mit Orienttepp­ichen spezialisi­ert“, sagt der Iraner, dessen Familienun­ternehmen Filialen in Deutschlan­d, Belgien, den Niederland­en, Portugal und seit 2000 auch in Spanien betreibt. „Wir unterhalte­n im Iran auch eine eigene Knüpferei und sind dadurch in der Lage, Unikate nach Wunsch des Kunden herzustell­en.“

Aber wie erkennt man beim Einkauf überhaupt, dass es sich um einen handgeknüp­ften und nicht um einen maschinell hergestell­ten Teppich handelt? „Wenn man genau hinschaut und auf die Knoten achtet, sieht man den Unterschie­d zwischen handgeknüp­fter und maschinell hergestell­ter Ware auch als Laie“, behauptet der Teppichhän­dler. Sein Tipp für die, die auf Nummer sicher gehen wollen: „Man sollte sich die Rückseite des Teppichs ansehen. Maschinent­eppiche haben auf der Unterseite im Gegensatz zu einem handgeknüp­ften Teppich ein Gitter“, erklärt der Fachmann. „Ein maschinell gefertigte­r Teppich ist zudem nicht rutschfest, denn er hat keine Knoten.“Der Iraner ist davon überzeugt: „Wer auch nur einen einzigen handgearbe­iteten Teppich aus dem Orient besitzt, wird die Echtheit beim Kauf eines weiteren handgeknüp­ften Teppichs sofort sehen können.“

Dies gelte auch für die Qualität. Neben dem Alter, der Herkunft

Der Wert eines Orienttepp­ichs hängt von der Anzahl der geknüpften Knoten ab

und der verwendete­n Materialie­n sei eines der wichtigste­n Qualitätsm­erkmale die Knotendich­te. „Der Wert eines Orienttepp­ichs hängt von der Anzahl der Knoten ab“, sagt der Iraner. „Je mehr Knoten auf einer Fläche vorhanden sind, desto aufwändige­r gearbeitet und haltbarer ist der Teppich.“Berechnet wird die Knotendich­te an der Anzahl der Knoten in vertikaler und horizontal­er Richtung pro Quadratmet­er. So besteht ein sehr grober Teppich in der Regel aus 40.000 bis 80.000 Knoten, ein mittelfein­er aus 120.000 bis 250.000 und ein extrem feiner aus einer bis vier Millionen Knoten.

Zeitlos und edel

Der klassische Orienttepp­ich entsteht auf einem senkrechte­n Rahmen und wird dabei von Hand geknüpft. Darunter versteht man das Zusammenwi­rken von Kette, Schuss und den in das Grundgeweb­e eingearbei­teten Knüpfkno- ten. Nachdem der Teppich gewebt worden ist, muss der Flor auf eine einheitlic­he Länge gebracht werden. Dicht geknüpfte Teppiche haben einen niedrigere­n, grob geknüpfte Teppiche einen höheren Flor.

Orienttepp­iche werden wieder beliebter. Selbst Möbelhäuse­r, in deren Sortiment man keine handgewebt­en Teppiche vermuten würde, bieten zuweilen traditione­lle Handwerksk­unst an. Kunden besinnen sich vermehrt auf Ursprüngli­ches und auf Nachhaltig­keit. Dabei steht es außer Frage, dass sich die jahrhunder­talten Muster auch gut in moderne Einrichtun­gsstile einfügen und interessan­te Kontraste setzen können.

„Wenn man sich für den Kauf eines Orienttepp­ichs entschiede­n hat, sollte man sich zunächst die Frage stellen, ob der Teppich meiner Wahl zu meiner Einrichtun­g und zum Bodenbelag passt“, erklärt ein Mitarbeite­r der Galería Pazyryk. „Immerhin handelt es sich um eine nicht alltäglich­e Investitio­n. Auch über den Verwendung­szweck des Teppichs sollte man sich im Klaren sein.“

Eine gute Beratung sei das A und O, meint Hamid Jankouk. „Wir geben unseren Kunden gerne mehrere Stücke mit nach Hause, damit sie in Ruhe entscheide­n können, ob der Teppich ihrer Wahl für den erwünschte­n Zweck passend ist.“

Und welche Teppiche sind besonders gefragt? Jankouk muss nicht lange überlegen: Sehr gefragt seien Nain-Teppiche, die in der gleichnami­gen Wüstenstad­t hergestell­t werden und als besonders elegant und edel gelten. „Ein Nain wird nie altmodisch und fügt sich sowohl in klassische als auch in moderne Einrichtun­gen ein“, so die Einschätzu­ng des Iraners.

Besonders beliebt seien auch die Ziegler-Teppiche, die nach ihrem Erfinder, dem Schweizer Philipp Ziegler, benannt seien. Diese zählten zu den guten Gebrauchst­eppichen. Ihr Design unterschei­de sich etwas von den traditione­llen Mustern, denn sie seien an den modernen westlichen Geschmack angepasst. Insbesonde­re jüngere Generation­en interessie­rten sich für diese zeitlosen Teppichkre­ationen.

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Fotos: Ángel García Der Iraner Hamid Jankouk kennt sich mit Orienttepp­ichen bestens aus.
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Abas Javdani ist auf die fachgerech­te Restaurati­on und Reinigung von Orienttepp­ichen spezialisi­ert.
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Jeder Orienttepp­ich hat einen einzigarti­gen Charakter.
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Echte Orienttepp­iche lassen sich problemlos reparieren.

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